Wir glauben, es ist an der Zeit, einmal zu bewerten, wie das, was uns vor der Wahl bewegt hat, und das, was jetzt Regierungsprogramm ist, miteinander zusammenhängt. – Wir stellen fest, dass das, was die jetzt neu verbundenen Koalitionspartner im Wahlkampf versprochen und als wichtige Positionen vertreten haben, relativ wenig mit
Ich glaube, insoweit würden mir auch noch die Mitglieder der Koalitionspartner SPD und CDU zustimmen. Ich glaube aber auch, dass das, was die große Koalition auf Bundesebene beschlossen hat, in bestimmten Bereichen durchaus mehr als kritikwürdig ist.So ist z.B.die Tatsache, dass sowohl die jetzige Bundeskanzlerin als auch der jetzige Vizekanzler vor zwei Wochen erklärt haben, dass sie ganz bewusst keinen verfassungsgemäßen Haushalt aufstellen wollen, ein in der Geschichte der Bundesrepublik einmaliger Vorgang.
Denn als klar war, dass Roland Koch der Verhandlungsführer der CDU in Finanzfragen sein wird – also der dafür Verantwortliche –, hätte uns klar sein müssen, was passiert.
Er hat in Hessen fünf nicht verfassungsgemäße Haushalte in Folge zu verantworten. Da wundert es einen nicht, dass auch der Haushalt des Bundes verfassungswidrig wird, sobald Roland Koch an verantwortlicher Stelle mit verhandelt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Richtig, da konnte eigentlich nichts anderes herauskommen!)
Wir haben aber auch zu konstatieren, dass in einem zweiten Bereich etwas geschieht, was auch unserer Ansicht nach grundsätzlich notwendig ist. Herr Hahn, da unterscheiden wir uns. Wir glauben, dass der Staat eine finanzielle Basis braucht,die es ihm ermöglicht,seine Aufgaben zu erfüllen. Vielleicht ist das inzwischen auch ein Punkt des Streits zwischen CDU und FDP. Zwischen den GRÜNEN und der FDP war es schon immer ein Streitpunkt.
Ich muss zugeben, dass mich da eines ein wenig ärgert. Mich ärgert an der Erhöhung der Mehrwertsteuer die Form, wie sie gemacht wird. Außerdem ärgert mich noch ein bisschen, dass es die erste Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Geschichte der Bundesrepublik sein wird, an der die FDP nicht beteiligt sein wird.
Da lachen Sie.Das wird die sechste Erhöhung der Mehrwertsteuer sein. Bei den vorhergehenden fünf waren Sie beteiligt.
Wir stellen fest, dass das, was vor der Wahl gesagt wurde, mit dem, was nach der Wahl gemacht wird, relativ wenig zu tun hat.
Das war nach Ansicht der SPD vor der Wahl richtig. Das ist aus unserer Sicht auch jetzt noch richtig.
Wir verstehen nicht ganz, warum eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte eine verdammenswerte Merkel-Steuer sein soll, eine Anhebung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte aber ein richtiger Beitrag zu einer besseren Politik in Deutschland sein kann. Liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, selbst wenn Sie das jetzt die M-und-M-Steuer nennen, also die Merkel-und-Müntefering-Steuer, wird es in der Sache nicht besser.
Sie haben das vor der Wahl gesagt. Allerdings sprachen Sie von einer Erhöhung um 2 Prozentpunkte. Am Ende sind es 3 Prozentpunkte geworden. Sie haben vor allem auch noch eines vor. Das ist das, weswegen das Ganze überhaupt nicht mehr lustig ist. Das ist nämlich das Gegenteil von der Ehrlichkeit,die Sie versprochen haben. Sie haben vor der Wahl gesagt, das Mehraufkommen aus der Mehrwertsteuer solle komplett für die Senkung der Lohnnebenkosten verwendet werden. Das Geld sollte also zurück in die Taschen der Bürgerinnen und Bürger gelangen. Dies wird offensichtlich überhaupt nicht der Fall sein.
Wenn man ganz ehrlich ist, muss man feststellen, dass wir es hinsichtlich der Erhöhung der Mehrwertsteuer mit einem doppelten Wahlbetrug zu tun haben. Ob das der politischen Kultur in Deutschland auf Dauer gut tun wird und ob das das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik steigern wird, wird von uns mit einem großen Fragezeichen versehen.
Zu der Frage der Lohnnebenkosten möchte ich auf etwas zu sprechen kommen, was aus meiner Sicht brandgefährlich ist.Wir werden zum 1. Januar 2007 eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte haben. Die Union erklärte, dass im Gegenzug die Arbeitslosenversicherung, also der Beitrag an die Bundesagentur für Arbeit, um 2 % sinken wird.
Er soll um 2 Prozentpunkte sinken. – Das ist zwar, formal gesehen, richtig, aber es ist aus bestimmten Gründen das Gegenteil einer Senkung der Lohnnebenkosten.
Der erste Punkt ist folgender: 1 Prozentpunkt der Senkung des Beitrags zur Bundesagentur für Arbeit wird durch Leistungskürzungen der Bundesagentur für Arbeit finanziert und nicht durch einen Zuschuss, der durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer erwirtschaftet werden wird. Faktisch bedeutet das: Dieses Geld fällt für diejenigen weg, die Leistungen beziehen. – Damit fällt dieses Geld logischerweise auch für die Binnennachfrage weg. Dabei sehe ich einmal von der Frage ab, wie sich das im Hinblick auf die soziale Schieflage verhält. Ob es sinnvoll
ist, die Eingliederungshilfe komplett zu streichen, wird von uns ebenfalls mit einem großen Fragezeichen versehen.
Das heißt, 1 Prozentpunkt der Mehrwertsteuererhöhung wird zu einer echten Senkung der Lohnnebenkosten führen. Davon wird es zusätzliche Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt geben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das führen Sie aber sofort wieder ad absurdum.
Zu demselben Zeitpunkt, zu dem die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhöht werden wird, wird auch der Beitrag zur Rentenversicherung um 0,4 Prozentpunkte erhöht werden. Beides soll zum 1. Januar 2007 erfolgen. Das bedeutet: Von dem 1 Prozentpunkt sind gerade noch 0,6 Prozentpunkte übrig.
Ein Jahr später wollen Sie noch etwas machen. Das haben die meisten Menschen noch gar nicht realisiert. Sie wollen den von Rot-Grün zu Recht eingeführten Zuschuss aus dem Bundeshaushalt an die Krankenversicherungen streichen. Sie haben aber nicht gesagt, dass die Leistungen, die damit finanziert werden, auch gestrichen werden. Das sind klassische versicherungsfremde Leistungen, wie z. B. das Mutterschaftsgeld.Aus meiner Sicht wäre es auch völlig verrückt,diese Leistungen zu streichen.Faktisch bedeutet das: Die Krankenversicherungen werden keine andere Chance haben, als ihre Beiträge weiter zu erhöhen. – Es wird damit gerechnet, dass die Beiträge dann um weitere 0,4 Prozentpunkte steigen werden. Damit sind wir schon bei 0,8 Prozentpunkten.
Unter dem Strich bedeutet das, dass es zu keiner Senkung der Lohnnebenkosten kommen wird. Aber es wird eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte geben. Das ist aus unserer Sicht, sozialpolitisch und wirtschaftspolitisch gesehen, absolut falsch.
Ich glaube, das, was wir in den letzten acht Wochen beobachten konnten, stellt an manchen Punkten fast schon ein Stück absurdes Theater dar. Dass sich ausgerechnet Roland Koch, der fünf verfassungswidrige Haushalte in Folge zu verantworten hat und viele Jahre der Oberblockierer war, wenn es um Versuche ging, die Einnahmebasis des Staates zu verbreitern, jetzt als der Messias der Haushaltssanierer aufspielt, ist ein Stück aus Absurdistan.
Herr Ministerpräsident, ich kann mich gut an den Landtagswahlkampf im Jahre 2003 erinnern. Ich kann mich gut daran erinnern, dass die Hessen-CDU vor jeder ihrer Wahlkampfveranstaltungen den damaligen Nummereins-Hit „Ich erhöhe euch die Steuern“ des Kanzler-Imitators gespielt hat. Ich kann mich gut daran erinnern, dass das Steuervergünstigungsabbaugesetz in Ihren Reden immer eine große Rolle gespielt hat.
Ich kann mich auch noch an etwas anderes gut erinnern. Das kann man auch heute noch sehen. Ich rate Ihnen, sich einmal Ihre Homepage anzusehen. Dort kann man nachlesen,dass Sie auch im letzten Jahr noch erklärt haben,auf die Eigenheimzulage könne nicht verzichtet werden. Jetzt auf einmal stimmt das alles nicht mehr, und Roland Koch erklärt, die Einnahmebasis des Staats müsse verbreitert werden.Wir erleben hier schon ein starkes Stück.
Wir hatten es eben gerade mit der tätigen Reue. Zur tätigen Reue gehört, dass man erstens seine Untaten von früher zugibt und sie zweitens auch versteht. Noch nicht erlebt habe ich allerdings, dass jemand, der Teil des Problems ist und mit dafür gesorgt hat, dass der Staat pleite ist, jetzt erklärt, genau dieses von ihm selbst mit verursachte Problem lösen zu wollen, und dabei – typisch Roland Koch – sagt, alle anderen seien schuld.