Der Wissenschaftsrat hat zur Wahrung der Freiheit von Forschung und Lehre noch weitere Forderungen aufgestellt. So muss im Gesetz unbedingt festgelegt werden, dass das Fächerspektrum durch die Universitäten bestimmt werden muss, nicht etwa durch einen privaten Betreiber. Im jetzigen Gesetzentwurf ist der Erhalt von Abteilungen durch das zukünftige Klinikum allerdings beeinflussbar. Das jedoch darf nicht sein, denn das hätte unmittelbare Auswirkungen auf die Gestaltung von Forschung und Lehre zur Folge. Würde hier allein das Klinikum bestimmen, wäre dies ein direkter Eingriff in die Belange der Universitäten und hätte Auswirkungen auf das Fächerspektrum der Hochschulen. Allein eine Information des Fachbereichs reicht hier definitiv nicht aus.
Eine ähnliche Argumentation verfolgt der Wissenschaftsrat auch bei der Stellung der Dekane. Zur Wahrung der Wissenschaftsfreiheit müssten diese ein Abstimmungsrecht in der Geschäftsführung erhalten, und zwar ohne persönlich zu haften. Dies sieht der Wissenschaftsrat als einen wirklich entscheidenden Punkt an.
Auch die in diesem Gesetzentwurf verankerte Rechtsaufsicht des Wissenschaftsministeriums reicht bei weitem nicht aus. Denn der Minister kann als Rechtsaufsicht zur Wahrung der Freiheit von Forschung und Lehre nur dann eingreifen, wenn es um rechtswidrige Entscheidungen geht; wenn es aber beispielsweise nur um Alternativen geht oder um abzuwehrende Gefahren, dann läuft dieses Instrument der Rechtsaufsicht ins Leere.
Wenn man allerdings – wie in der Anhörung vorgeschlagen – das Anhörungsrecht bei unterschiedlicher Auffassung der Hochschulen und des privaten Betreibers bei der Schlichtungskommission will, dann stünden hier die Entscheidungen des Privaten quasi unter dem Vorbehalt,dass dem Minister die Entscheidung gefallen muss. Auch das würde natürlich kein Privater mitmachen.
Allein dieser Widerspruch beweist doch: So einfach, wie Sie sich das hier vorstellen, ist eine Privatisierung einer Universitätsklinik nicht zu machen.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie laufen hier Gefahr, sehenden Auges einen unausgegorenen Gesetzentwurf zu verabschieden. Bei anderen Gesetzen wäre dieses Drama vielleicht nicht ganz so groß, denn Gesetze kann man im Nachhinein ändern. Wir müssen uns aber vor Augen halten: Hier handelt es sich um ein Gesetz, bei dem kurz nach der Verabschiedung Fakten geschaffen werden sollen, die dann gar nicht oder jedenfalls nicht besonders leicht rückgängig gemacht werden können. Sehenden Auges spielen Sie hier mit der Freiheit der Wissenschaft, einem grundgesetzlich verankerten Gut. Doch Ihnen kommt es nicht einmal darauf an, auch nur den Anschein zu erwecken, als ob Sie das in irgendeiner Weise kümmern würde.
Meine Damen und Herren, Sie setzen aber nicht nur die Wissenschaftsfreiheit aufs Spiel, sondern Sie spielen insbesondere auch mit den Ängsten der Menschen in der Region. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in der Anhörung doch erneut erfahren, was die Menschen in der Region bewegt.Auch hierzu sind nach wie vor alle Fragen offen. Was passiert beispielsweise, wenn das privatisierte Klinikum scheitert und dann pleite ist? Eine Bestimmung zum Heimfall- bzw. Rückfallrecht
Frau Oppermann, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Im Wesentlichen haben Sie nur aus den Stellungnahmen vorgelesen.
Vielleicht – Frau Oppermann, es wäre gut, wenn Sie jetzt einmal zuhörten – hat Herr Prof. Ebsen ja eine Prognose angesprochen,mit der Sie auch selbst schon rechnen.Prof. Ebsen sagt nämlich, es sei für die Landesregierung nicht verfassungsmäßig geboten, mehrere Universitätskliniken zu unterhalten. Daraus leitet er die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzentwurfs ab. Bei einem Scheitern könnten die Universitätskliniken z. B. in ganz normale Krankenhäuser umgewandelt werden. Die beiden Fachbereiche könnten dann einfach nach Frankfurt verlegt werden. Meine Damen und Herren, so sieht meiner Meinung nach keine Garantie für die Region aus. Hierfür müssen Sie sich schon mehr einfallen lassen.
Meine Damen und Herren, in der Anhörung wurde eine zweite Wahrheit ausgesprochen.Was – so fragte einer der Experten – nutzt eigentlich ein Heimfallrecht, wenn derjenige, der dieses Recht ausüben müsste, gar kein Interesse daran hat? Wir haben das Problem, dass das Land unbedingt privatisieren will, weil es nicht mehr in der Lage oder nicht mehr willens ist, die notwendigen Investitionen zu tätigen.Auch zu diesem Problem haben Sie bislang überhaupt nicht Stellung bezogen.
Meine Damen und Herren, es ist klar, dass die Existenz der Universitätskliniken mit Rechtsvorschriften nicht gesichert werden kann; denn ein Land ist nicht dazu verpflichtet, mehrere Universitätskliniken zu betreiben, auch wenn dies das Aus für die Fachbereiche bedeuten würde. Daher nutzt keine Bestandsgarantie im Gesetz, sondern die Region benötigt eine deutliche politische Garantie der
Deshalb fordere ich Sie auf, deutlich zu sagen, ob Sie den Erhalt der Universitätskliniken als Universitätskliniken garantieren, auch wenn das Privatisierungsprojekt scheitert.
Herr Koch, Sie wissen doch, dass es sich hierbei um ein Experimentierfeld mit bundesweiter Beachtung handelt. Deshalb können Sie nicht so einfach spielen und das einfach an sich vorüberziehen lassen. Die Landesregierung meint vielleicht, sich ein Scheitern erlauben zu können. Aber für die Region Mittelhessen und insbesondere für Gießen und Marburg wäre das eine Katastrophe.
Meine Damen und Herren, wir haben die Privatisierung der Universitätskliniken in diesem Hause schon öfter diskutiert. Die Risiken sind also bekannt. Neben der Freiheit der Forschung und der Lehre geht es um den künftigen Umgang mit dem Personal. Es geht um eine deutliche Garantie des Ausschlusses betriebsbedingter Kündigungen. Es geht auch um die zukünftigen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, um Frauenförderpläne und um Integrationsrichtlinien für Schwerbehinderte.
Meine Damen und Herren, außerdem geht es um ein immenses Kostenrisiko. Ich habe das schon öfter vorgerechnet. In der Summe geht es um ein Kostenrisiko für das Land von ca. 1 Milliarde c. Dass Sie all diese Risiken wiederholt ignorieren und nach dem Motto „Augen zu und durch“ verfahren, das hat mich im Laufe der Diskussion am meisten erschrocken. Das dilettantische Vorgehen der Landesregierung und die Ignoranz gegenüber den zahlreichen offenen Fragen sind Gründe dafür, weshalb wir uns inzwischen deutlich gegen eine materielle Privatisierung positioniert haben.
Noch aber ist Zeit, das Schlimmste abzuwenden und das Gesetz wenigstens verfassungskonform zu machen. Dazu gehört, das Wesentliche im Gesetz zu regeln und die Anmerkungen des Wissenschaftsrats aufzunehmen.
Herr Leonhard hat in der Anhörung immer brav genickt und bestätigt, dass die Anmerkungen der Experten noch in den Gesetzentwurf aufgenommen werden sollen. Wir sind auf einen zur nächsten Lesung geänderten Gesetzentwurf sehr gespannt. Derzeit ist aber noch nicht klar, welche Änderungen von der Landesregierung überhaupt übernommen werden.Teilweise gibt es mehrere Möglichkeiten. Die Landesregierung hat nur allgemeines Wohlwollen signalisiert. Konkret ist sie aber noch nicht geworden. Das bedeutet, nachdem ein geänderter Gesetzentwurf vorliegt,müssen wir zunächst einmal überprüfen und von den Experten beurteilen lassen, ob die Änderungen deren Meinung nach ausreichend und zufrieden stellend sind.Im Januar soll dann schon die formale und materielle Privatisierung erfolgt sein.
Meine Damen und Herren, das zeigt – Frau Beer ist auch schon einmal darauf eingegangen –,dass die Zeit rennt.Es ist klar, dass das in dieser Zeit nicht zu schaffen sein wird. Deshalb muss der Zeitdruck aus der Gesetzesberatung herausgenommen werden. Darum bitte ich an dieser Stelle ausdrücklich.
Meine Damen und Herren, es gibt aber noch einen weiteren Punkt, der das krude Vorgehen der Landesregierung verdeutlicht. Herr Koch lässt sich mit der Äußerung zitieren, Verträge seien wesentlich schwieriger zu ändern als Gesetze. Ähnliches äußerte auch der Staatssekretär: Abgeordnete können Gesetze, aber nicht Verträge ändern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Abgeordneten stellen nun wirklich keine Gefahr dar. Die Gefahr ergibt sich aus etwas ganz anderem, nämlich aus einem Gewinnstreben eines Privaten, das auf Kosten der Forschung und Lehre zu gehen droht. Davor müssen wir schützen, aber nicht vor Entscheidungen der Legislative. Die Argumentation der Landesregierung an diesem Punkt kann man wirklich nur als irreführend bezeichnen.
Genauso in die Irre führen die wiederholten Äußerungen Kochs, die Landesregierung arbeite mit Netz und doppeltem Boden. Meine Damen und Herren, ich denke, die Ausführungen, die ich gemacht habe, aber auch die Ausführungen der Vertreter der beiden anderen Oppositionsfraktionen haben gezeigt, dass bisher das Gegenteil der Fall war. Sie haben noch eine Menge schwieriger Hausaufgaben zu erledigen, wenn Sie Ihrem eigenen Anspruch, dass dieser Gesetzentwurf Netz und doppelten Boden haben soll, noch gerecht werden wollen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Nachdem Frau Sorge eine Frage gestellt hat und das Wort „Garantie“ mehrfach vorkam, sage ich es ganz ausdrücklich:Wir garantieren für die Zukunft eines Universitätsklinikums in Mittelhessen. Das sage ich ganz ausdrücklich. Deshalb müssen Sie diese Frage nicht mehr stellen.
Vielleicht ist folgender Punkt der wichtigste: Wir versuchen, uns den Problemen und Herausforderungen der Zukunft zu stellen, aber nicht in einer abgesicherten Wohlfühlgesellschaft zu leben, in der es nur Garantien gibt. Diese Garantien gibt es in der Form heute nicht mehr.Deswegen haben wir vor einem Jahr diesen Weg beschritten.
Meine Damen und Herren, ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen deutlich hervorheben, dass der Weg, den wir bisher zurückgelegt haben, funktionsfähig war. Wir sind auf einem guten Weg. Man mag über die Privatisierung an sich unterschiedlicher Meinung sein. Das haben wir heute gehört. Das sei jedem unbenommen. Nachdem sich aber die Landesregierung zu dieser Entwicklung entschlossen hat, ist das Projekt außerordentlich sachkundig, umsichtig und zielführend vorangetrieben worden. Das erkennen Sie daran, wo wir nach einem Jahr stehen.
Wir waren von Anfang an optimistisch, die bei einem solchen Projekt zwangsläufig auftretenden, durchaus komplexen und schwierigen Probleme lösen zu können. Das hat sich bisher auch bestätigt. Hätte sich die Landesregierung den allseits bekundeten Bedenken vor einem Jahr
angeschlossen, stünden wir heute nicht sehr viel besser da als vor einem Jahr. Ich bin mir fast sicher, dass dann ein anderes Land die Chance einer ersten Privatisierung eines Universitätsklinikums genutzt hätte. Ich finde es wunderbar, dass der Ministerpräsident der Erste ist, der ein solches Universitätsklinikum hinbekommt. Wir werden unter Beweis stellen, dass uns das gelungen ist.
Durch tatkräftiges Handeln und ein professionelles Projektmanagement stehen wir jetzt kurz vor dem Abschluss. Dabei nutzen wir die strategischen Vorteile, die diese Privatisierung als Pilotprojekt für die Bundesrepublik Deutschland hat.
Meine Damen und Herren, die Anhörung des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst zum Universitätsklinikengesetz am 18. November hat den Weg, den wir mit diesem Privatisierungsprojekt beschreiten, voll bestätigt.Als Wissenschaftsminister dieses Landes fühle ich mich besonders der Zielsetzung verpflichtet, dass auch ein privatisiertes Universitätsklinikum Forschung und Lehre in der Hochschulmedizin gewährleistet und dabei insbesondere die Freiheit der Wissenschaft strikt beachtet.Dabei bedarf es natürlich einer sehr präzisen Terminologie.
Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes verpflichtet den Staat, in den aus öffentlichen Mitteln errichteten und unterhaltenen Einrichtungen des Wissenschaftssystems die Freiheit von Forschung und Lehre durch geeignete Maßnahmen auch organisatorischer Art sicherzustellen. Bei einem privatisierten Universitätsklinikum müssen deshalb institutionelle Voraussetzungen und Vorkehrungen getroffen werden, um die freie Ausübung der – zumal aus öffentlichen Mitteln finanzierten – Forschung und Lehre zu gewährleisten und ihre Entwicklung mit dem Ziel der Exzellenz sowie der nationalen und internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu fördern.
Um diese Aufgabe erfüllen zu können und institutionell abzusichern,müssen in allen Belangen von Forschung und Lehre Mitwirkungs- und Entscheidungsrechte von Land, Universität und Fachbereich bestehen.
Meine Damen und Herren, ich bin dem Vorsitzenden des Wissenschaftsrats, Herrn Prof. Dr. Einhäupl, nicht weniger dem Generalsekretär, Herrn von Heyden, sehr dankbar, dass sie in der Anhörung deutlich gemacht haben, dass der Wissenschaftsrat dem Privatisierungsprojekt des Landes Hessen auf der Grundlage der Empfehlungen des 11.Novembers 2005 grundsätzlich positiv gegenübersteht, einen erfolgreichen Abschluss will und hierin eine Chance für die Hochschulmedizin in Deutschland sieht.Selbstverständlich sieht es der Wissenschaftsrat als seine ureigene Aufgabe an, die von mir im Einzelnen dargelegten Konsequenzen aus Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes gewahrt zu sehen. Dies ist seine Aufgabe. Dass er diese Aufgabe mit Stringenz, aber auch mit Augenmaß wahrnimmt, hat die Anhörung deutlich gezeigt.
Die Landesregierung hat von Anfang an den Kontakt zum Wissenschaftsrat gesucht und ihn über den Ablauf des Projekts jeweils informiert. Daraus resultierte ein sehr produktiver Meinungsaustausch. Ich möchte an dieser Stelle insbesondere Herrn Staatssekretär Prof. Dr. Leonhard dafür danken,
dass er, vor allem unterstützt von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium, diesen Kontakt intensiv gepflegt und damit die Voraussetzungen dafür ge
schaffen hat, dass wir mit Zuversicht eine positive Stellungnahme des Wissenschaftsrats zu Beginn des nächsten Jahres erwarten dürfen.
Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates vom 11. November 2005 wird das Land berücksichtigen. Sie als Kritik – wie es gesagt worden ist – am hessischen Vorgehen zu deuten, ist aus einem schlichten Grund unsinnig. Der Wissenschaftsrat ist der Auffassung, dass mehr im Gesetz selbst geregelt werden sollte, während das Land die Auffassung vertreten hat, dass durch die jetzigen Bestimmungen der notwendige Rahmen zu gestalten ist, während die jeweilige Konkretisierung in den Vertragswerken niedergelegt werden soll.Nach dem alten Grundsatz „Pacta sunt servanda“ sieht die Landesregierung in den Vertragswerken keine weniger verlässlichen Absicherungen der Belange von Forschung und Lehre, insbesondere auch der Sicherung ihrer Freiheit, als durch gesetzliche Bestimmung.