Protocol of the Session on November 22, 2005

Herr Kahl,Entschuldigung,aber weshalb um alles in der Welt wollen Sie Geld ansammeln, wenn gleichzeitig die Kommunen Schulden haben und mit dem Geld z. B. Schuldentilgung machen könnten?

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Diese Verstetigung von 1 bis 3 % – jeder hat damit auszukommen. Beim Land macht auch keiner einen Stützungsfonds, beim Bund macht auch keiner einen Stützungsfonds.Weshalb bei den Kommunen?

(Reinhard Kahl (SPD):Stabilitäts- und Wachstumsgesetz!)

Dafür gibt es die mittelfristige Finanzplanung, damit sie sich entsprechend darauf einstellen können. Es ist doch gut und schön,wenn Sie sagen:Wir machen etwas Schönes für die Kommunen. – Aber es ist doch so, wie Frau Erfurth, Herr von Hunnius und Gottfried Milde gesagt haben:Sie geben denen Steine statt Brot – einmal abgesehen davon, dass Sie in sehr kurzen Fristen nach der mittelfristigen Finanzplanung 260, 270 Millionen c entziehen.Wofür bitte wollen Sie denen das Geld entziehen?

(Abg. Reinhard Kahl (SPD) schüttelt den Kopf.)

Schütteln Sie nicht den Kopf. Natürlich entziehen Sie es denen. Sie legen es in einen Fonds und zahlen es nicht aus. Was ist das anderes als Entziehen?

(Reinhard Kahl (SPD): Da müssten Sie mir erst einmal zeigen, dass Ihre Zahlen stimmen!)

Sie könnten damit Schulden tilgen. Übrigens gibt es an der Stelle ein erhebliches Problem:dass es kein Wachstum gibt. Es ist ziemlich widersinnig, dass Sie dazu einen Zwischenruf machen.Ich denke,in Berlin sieht gerade die Koalitionsvereinbarung nach dem Finanztableau, das von Herrn Steinbrück vorgelegt worden ist, eine deutliche Steigerung für die Länder vor. Herr Kahl, es würde mich ein bisschen wundern, wenn Sie andere Zahlen als die haben, die dort veröffentlicht worden sind. Schon von daher ist zu erwarten,dass die Steuereinnahmen in den nächsten Jahren signifikant steigen werden. Wir können wirklich einmal in das Reich der Fabeln verweisen, dass dabei weniger Steuern und kein Wachstum herauskommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es würde bei den Kommunen mehr Wachstum herauskommen. Herr Kahl, ich will Sie übrigens noch einmal auf einen technischen Punkt hinweisen. Die Frage der Finanzkraftverschiebung in der Zeit des Ansparens und des späteren Auszahlens wird natürlich auch eine Rolle spielen, weil sich gegenüber dem Jahre eins, in dem das Geld nicht ganz ausgezahlt worden ist und eine finanzschwache Gemeinde relativ viel und andersherum eine finanzstarke Gemeinde relativ wenig bekommen hätte, im Jahre fünf, sechs, sieben, wenn Sie wieder auszahlen, die Finanzkraftrelationen mit Sicherheit heftig verschoben haben. Dann werden Sie vor der Frage stehen, wie Sie es verteilen. Dann sind wir genau bei dem Punkt, den Frau Erfurth genannt hat. Dann garantiere ich Ihnen, dass ein extrem komplizierter Mechanismus aufgerufen wird, um diese angeblichen Ungerechtigkeiten in irgendeiner Weise – –

(Reinhard Kahl (SPD): Und was ist jetzt bei der Spitzabrechnung?)

Das hat mit Spitzabrechnungen nichts zu tun.Es hat hier etwas mit Finanzkraftfragen zu tun.

(Reinhard Kahl (SPD):Aber selbstverständlich!)

Im nächsten Jahr wird abgerechnet, und im übernächsten Jahr wird ausgezahlt. Das ist etwas völlig anderes, als wenn Sie – –

(Reinhard Kahl (SPD): Lassen Sie sich das einmal von Ihrem Haus erklären!)

Nein, die Berechnung ist ein Jahr danach. Entschuldigung, die Berechnung ist auf den Stichtag des abgeschlossenen Jahres bezogen. Sie wird nur im Folgejahr abgerechnet und im übernächsten Jahr ausgezahlt. Insofern ist es falsch, was Sie sagen. Es wird nach dem Ergebnis dieses Jahres und nach der Finanzkraft an der Stelle spitz abgerechnet.

Herr Minister, zur Information: Die Redezeit der Fraktionen ist abgelaufen.

Ich bin auch fertig. – Ich wollte auf diesen Punkt hinweisen. Es ist nachrangig, aber immerhin ein Punkt, den Frau Erfurth dankenswerterweise angesprochen hat.

Eine Schlussbemerkung zu den 23 %. Bisher heißt es:

Die Steuerverbundmasse... besteht aus 23 vom Hundert der... Einnahmen...

Sie wollen jetzt haben:

Die Steuerverbundmasse... wird für die Laufzeit des Gesetzes auf 23 vom Hundert der...Einnahmen... festgesetzt.

Meine Damen und Herren, das Gesetz ist jederzeit an der Stelle zu ändern. Gaukeln Sie doch niemandem vor, dass Sie irgendetwas damit fachlich-sachlich erreichen. Sie wollen eine politische Äußerung machen. Sie möchten es langfristig so haben. Ich möchte es eigentlich auch langfristig so haben. Wir müssen uns einmal anschauen, was aus der ganzen Sache wird. Deswegen bringt es nichts, außer dass Sie bekunden: 23 %. Das ist in Ordnung, braucht aber im Gesetz nicht geändert zu werden, weil es im Gesetz steht. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Weimar. – Herr Schmitt, Sie haben sich für die SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Fünf Minuten Redezeit.

(Frank Lortz (CDU): Kurzes Schlusswort! – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Milde,Sie sind gerade so munter.Sie haben vorhin mit falschen Angaben operiert, als Sie gesagt haben,

(Widerspruch des Abg. Gottfried Milde (Gries- heim) (CDU) – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Schwankungen seien die letzten Jahre nicht erfolgt. Schauen wir es uns einmal an. Im Jahre 2000 gab es ein Plus von 7,1 %, im Jahre 2002 ein Minus von 0,6 %, im

Jahre 2003 ein Minus von 3,1 % und im Jahre 2004 ein Minus von 9,2 %. Und dann sagt Herr Milde, es gebe keine Schwankungen.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU):Was habt ihr denn da gerechnet? – Gegenruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD): Das sind Ihre Zahlen!)

An der Steuerverbundmasse einschließlich der Spitzabrechnung der Vorjahre sehen Sie, dass es erhebliche Schwankungen gegeben hat. Herr Milde, deswegen sollten Sie, wenn Sie so in die Debatte einsteigen, zumindest einmal die Zahlen heranziehen.

(Reinhard Kahl (SPD): Das sind deren Zahlen, das sind die falschen!)

Frau Erfurth, wir sind in einem Punkt völlig einer Meinung. Bei der Gewerbesteuer gibt es keinen Streit, da wir sehen müssen, sie ist ein wichtiges Element, ein wichtiger Teil der Einnahmen. Das große Problem ist, dass diese Gewerbesteuereinnahmen ganz erheblichen Schwankungen unterworfen sind. Diesen Teil können wir mit der Landesgesetzgebung nicht beeinflussen. Deswegen wollen wir mit dem Teil, den wir beeinflussen können, eine Verstetigung erreichen.

Ihre Aussage ist richtig – ich hoffe, dass wir irgendwann einmal eine Mehrheit bekommen –, dass wir z. B. die Freiberufler bei der Gewerbesteuer einbeziehen,um dort eine Verstetigung zu erreichen. Über die Erweiterung der Bemessungsgrundlage gibt es einen Streit mit der FDP.Aber das sind wir gewohnt. Den Streit muss man ertragen. Ich hoffe, dass es dafür irgendwann einmal Mehrheiten gibt.

Herr von Hunnius hat davon gesprochen, dass bei dem Gesetzentwurf Bevormundung und Bürokratie vorherrschten. Dann müssen die Liberalen in RheinlandPfalz wirklich die Partei der Bevormunder und Bürokratie sein,

(Beifall bei der SPD)

denn der Gesetzentwurf ist an Rheinland-Pfalz angelehnt. Nur ist er weniger kompliziert. Er bedeutet weniger Bürokratie und bedeutet, um in Ihrer Behauptung zu bleiben, dann weniger Bevormundung.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Mehrwertsteuer hat das gar nichts zu tun. Wir kommen jetzt zu einem ganz entscheidenden Punkt.Wollen wir tatsächlich – auch wenn es so scheint, das weiß ja keiner, Sie bestreiten ja, dass die große Koalition mehr Wachstum auslöst – in einer Zeit Vorsorge treffen und für eine Verstetigung sorgen? Konjunkturelle Schwankungen können Sie nicht ausschließen. Die hat es immer gegeben, als Sie regiert haben. Die hat es gegeben, als wir regiert haben. Konjunkturelle Schwankungen haben etwas mit unserer Wirtschaft und mit dem Wirtschaftsgeschehen zu tun.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Ich würde einmal bei den Kommunen einsteigen!)

Herr Kollege von Hunnius, darin sind wir uns vielleicht sogar einig. Sie werden das durch eine noch so gute Wirtschaftspolitik nicht ausschließen können. Jetzt besteht die Frage: Wie geht man heran, wie schafft man es? Das mit dem Wachstum war eine ganz wichtige Frage, die in der großen Koalition angelegt war – die hat übrigens damals zum Bruch der Koalition zwischen CDU und FDP geführt, 1965/1966 –:Wie führt man zu dieser Zeit eine Verstetigung und eine Vorsorge für andere Zeiten herbei?

Dann haben Sie natürlich Recht, wenn Sie sagen: Ja, wenn der Fonds überstiegen wird, gibt es möglicherweise vier Jahre Wartezeit. – Das trägt genau dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz Rechnung, dass man möglicherweise in der Zeit nicht auszahlt, wo die Konjunktur besonders hoch ist, und versuchen muss, in eine Zeit hineinzukommen, wo Täler sind. Ich glaube, das hat etwas mit Wirtschaftspolitik zu tun. Es ist schade, dass die Partei, die sich immer als Wirtschaftspartei schimpft, diesen Sachverhalt anscheinend überhaupt nicht registriert hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das ist doch Unsinn!)

Ich komme zu Minister Weimar. Herr Weimar, Ihre Aussage „eigentlich 23 %“ steht etwas im Widerspruch zu dem, was Sie im Haushaltsausschuss gesagt haben. Da haben Sie angedeutet, dass man über diesen Prozentsatz auch einmal nachdenken muss. Deswegen sehe ich in der Anlage der Debatte, dass Herr Milde nichts dazu gesagt hat – Herr von Hunnius leider an dem Punkt auch nichts –: Das ist ein wichtiger Teil der Frage, ob sich die Kommunen darauf verlassen können, dass es bei den 23 % bleibt. Um diese Aussage werden wir weiter kämpfen und ringen. Jetzt wollen wir festgestellt wissen: Ihre Bemerkung war eigentlich nicht geeignet, das Vertrauen in die Aussage, dass es bei den 23 % bleibt, zu stärken.

Herr Minister, der zweite Punkt ist noch einmal:Wir wollen in der Tat – da unterscheidet sich möglicherweise die Philosophie, was ich schade finde, aber damit müssen sich alle Fraktionen im Hause vergegenwärtigend auseinander setzen – in Zeiten, die möglicherweise für die Finanzen gut laufen, was wir nicht wissen, aber worauf wir hoffen, Vorsorge treffen. Wir entziehen den Kommunen nichts. Dieser Fonds wird mit einem Zinsertrag auch gestärkt, der natürlich der kommunalen Seite zufließt – ein ganz wichtiger Punkt. Nicht dass man glaubt, die Zinsen bleiben beim Land. Die bleiben natürlich im Fonds und stehen den Kommunen zur Verfügung.

Herr Schmitt, die Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich komme damit zum Schlusssatz.

Dieser Gesetzentwurf ist ein ganz wesentlicher Punkt – wir haben von der kommunalen Seite positive Signale gehört –, um zu einer Verstetigung der kommunalen Finanzen zu kommen. Ich glaube, Sie werden auch in den eigenen Reihen große Schwierigkeiten mit Ihren Kommunalpolitikern haben, ihn einfach abzulehnen. Er ist die richtige Antwort auf schwierige Zeiten, die möglicherweise irgendwann wieder kommen werden. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)