Protocol of the Session on November 22, 2005

(Reinhard Kahl (SPD): Das können wir nicht verhindern!)

Das haben Sie auch gesagt. Der Anspruch auf Verlässlichkeit muss gewahrt werden. Gerade bei der Gewerbesteuer – deren Schwankungen durch die Kommunen nicht zu steuern sind – sollten wir versuchen, einen Pflock einzuschlagen und über eine erneute Reform der Gewerbesteuer – es hat bereits einen Anlauf dazu gegeben –

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer für eine Verbreiterung der Einnahmebasis zu sorgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Kein Streit!)

Das könnte ein Weg sein, um die Einnahmebasis zu verbreitern und auch diejenigen einzubeziehen, die bisher keine Gewerbesteuer zahlen. Vielleicht wären wir dann auch ein Stück weiter bei der Verlässlichkeit in der Ausstattung. – Danke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Das war jetzt der Weimar-Vorschlag!)

Danke, Frau Erfurth. – Herr von Hunnius, ich darf Ihnen das Wort für die FDP-Fraktion erteilen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist schon ein Stück aus dem Tollhaus.

(Frank Lortz (CDU): Na, na, na!)

Monatelang haben die Sozialdemokraten gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer gekämpft. Noch in der letzten Plenarsitzung haben Sie gesagt:Abwarten, abwarten.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Der „Kompromiss“ zwischen den beiden Koalitionspartnern – der eine wollte 0, der andere wollte 2 % – liegt jetzt bei 3 %. Gratulation, da haben Sie sich toll durchgesetzt.

(Heiterkeit des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Die Sozialdemokraten sind nicht nur umgefallen, sie haben sich nicht nur verbogen, sondern sie haben sich bei dieser Angelegenheit verknotet.

(Frank Lortz (CDU): Na, na, na, Roland!)

Daraufhin kommt jetzt die tolle Idee: Um das wettzumachen, geben wir einen Teil dieser 3 % gleich den Kommunen, dann merkt man es nicht so sehr, und wir tun etwas Gutes. – Nein, meine Damen und Herren, es kann nicht darum gehen, die Merkel-Steuer

(Frank Lortz (CDU): Na, na, na!)

oder die Merkel-Münte-Steuer neu zu verteilen, neue Fonds aufzulegen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir brauchen vielmehr eine grundsätzliche Reform der Finanzpolitik für die Gemeinden. Dafür haben wir als FDP ein Konzept vorgelegt.

(Reinhard Kahl (SPD): Das ist ganz fürchterlich für die FDP, eine Katastrophe für die Gemeinden!)

Herr Kollege, das ist nicht fürchterlich. Offensichtlich kennen Sie es nicht. Dieser Gesetzentwurf wurde im Deutschen Bundestag eingebracht. Das würde die Verstetigung der Finanzen – die mit Recht angemahnt wurde – zugleich in Verbindung mit einem kommunalen Hebesatzrecht bringen und damit die kommunale Entscheidungsfreiheit wahren, statt sie zu beseitigen.

Was die SPD hier in Wirklichkeit bringt, ist erstens mehr Bürokratie und zweitens Bevormundung.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir zu höheren Einnahmen kommen, werden diese Einnahmen zunächst weggenommen, im Sinne des größeren allgemeinen Wohls, und irgendeine Fondsverwaltung wird entscheiden, wie es weitergeht. Im Grunde genommen werden die Zuwächse zwischen 1 und 3 % nivelliert. Das würde den Kommunen künftig zugeteilt. Ich meine,

das ist nicht mit der kommunalen Selbstverwaltung verträglich.

(Andrea Ypsilanti (SPD):Aber verlässlich!)

Wenn wir uns das Ganze ansehen, dann muss ich sagen: Zunächst einmal ist der Grundstock ausgesprochen fragwürdig. Denn Sie gehen davon aus – anders als noch vor ein paar Monaten –, dass eine Mehrwertsteuererhöhung von 3 % zu einem unheimlichen Mehraufkommen führt. Inzwischen wird es gedrittelt: Ein Drittel bleibt bei den Ländern, ein Teil davon kommt den Kommunen zugute. Das ist schon sehr fragwürdig, denn Sie unterstellen, es gebe überhaupt keine Reaktion bei der Nachfrage. Ob das so sein wird, kann man mit Fug und Recht bezweifeln.

Aber zum Zweiten – und das ist mit Recht bereits gesagt worden – eröffnen Sie einen kreditfinanzierten Nebenhaushalt. Damit leisten Sie einen Beitrag zur Intransparenz des Haushaltsgebarens.

(Beifall bei der FDP)

Ich meine, wir haben gerade genug von Nebenhaushalten. Die haben wir bei dem Kollegen Eichel – ich nenne den Namen, sonst nennt ihn ja keiner mehr – dauernd erlebt.

(Nicola Beer (FDP):Wer war das?)

Ein Nebenhaushalt neben dem anderen. Hier soll ein weiterer Nebenhaushalt eichelscher Prägung entstehen. Kassel – das war der Mann aus Kassel – lässt grüßen.

(Beifall bei der FDP)

Nein,das ist nicht der richtige Weg.Es wird nicht gelingen, ein dauerhaft ausbleibendes Wirtschaftswachstum und damit dauerhaft ausbleibendes Einnahmewachstum der öffentlichen Finanzen durch irgendeinen Mechanismus wettzumachen. Was wir brauchen, ist eine Politik, die für Wirtschaftswachstum sorgt, damit Steuerwachstum generiert und auf diese Weise kontinuierlich wieder mehr Geld in die Kassen der Kommunen lenkt.

Meine Damen und Herren, so viel zu Ihrem Ansatz. Ich finde ihn ausgesprochen fragwürdig. Noch fragwürdiger aber ist der Zeitpunkt dieses Vorschlags. Wir alle wissen, dass im Laufe des Jahres 2006 der KFA komplett neu diskutiert werden soll. Das ist wiederholt angekündigt worden. Der Herr Minister hat es angekündigt, ebenso die Spitzenverbände. Über einige Fragen – wie die Schulumlage und deren Mechanik – haben wir uns bereits unterhalten. In dieser Situation ein komplett neues System einzuführen, halte ich für kontraproduktiv, denn es nimmt uns die Chance, andere Defizite des jetzigen Verfahrens zu beseitigen – als da z. B. sind: die zu starke Komplizierung, die mangelnde Anreizwirkung, die viel zu große Zahl von kleinen Töpfen, die goldenen Zügel, an denen die Kommunen geführt werden. Das alles muss im Zuge der Generalbereinigung des KFA beseitigt werden. Das ist durch Ihren Vorschlag überhaupt nicht gelöst. Sie führen ein einziges neues Element ein und lassen alles andere, wie es ist. Herr Kollege Kahl, das kann es nicht sein.

(Beifall bei der FDP – Reinhard Kahl (SPD): Erkundigen Sie sich bei Ihren Parteikollegen in Rheinland-Pfalz!)

Deshalb muss ich Ihnen sagen: Nach dem, was wir bisher gehört und gelesen haben, fasse ich mein Urteil in drei Feststellungen zusammen: falsche Prämissen, falsches Vorgehen, falscher Zeitpunkt – ein falscher Gesetzentwurf. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der FDP)

Danke, Herr von Hunnius. – Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Weimar das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man könnte diese Aufgabenstellung weiterspinnen und sagen,auch die Länder hätten Anspruch darauf, einen solchen Fonds einzurichten, aus dem sie jedes Jahr zwischen 1 und 3 % erhalten. Wenn es schlechter läuft, nehmen wir Darlehen auf, die niemandem gehören. Auf diese Weise könnten Verfassungsgrenzen schlichtweg beiseite geschoben werden. Das wäre ein verlockender Gedanke, aber der ist nicht so ganz gut.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Der Hintergrund der Sache ist vordergründig attraktiv. Rheinland-Pfalz hat es zu einem Zeitpunkt gemacht, als die Einnahmen sehr nach unten gingen. Da hat man den Trick gemacht und gesagt: Das ist kommunales Geld, und wenn man Geld aufnimmt, sind das keine Landesschulden, sondern irgendjemands Schulden – und damit stabilisieren wir.

Derzeit ist die Situation völlig anders. Auch aufgrund der Beschlüsse in Berlin – aber auch schon vor diesen Beschlüssen – war schon klar, dass die KFA-Mittel im nächsten Jahr deutlich steigen werden.Nach der mittelfristigen Finanzplanung sind es ein Plus von 3,3 % im Jahr 2006, 4,3 % im Jahr 2007, 7,3 % im Jahre 2008. Das ist durchaus realistisch.

(Reinhard Kahl (SPD): Soll ich Ihnen die Zahlen von vor vier Jahren vortragen?)

Herr Kahl, hören Sie einfach zu. – Durch die beabsichtigte Mehrwertsteuererhöhung und sonstige Maßnahmen ist, von niemandem widersprochen, sehr stark davon auszugehen, dass die Zahlen mindestens erreicht werden. Ich bin jetzt einmal sehr vorsichtig. Das heißt, in drei Jahren wäre davon auszugehen, dass ein Betrag von roundabout 260 bis 270 Millionen c den Kommunen bei wachsender KFA-Last entzogen würde. Jetzt muss ich sagen: Was soll das bringen, das Geld den Kommunen z. B. für deren Schuldentilgung wegzunehmen und dafür selbst anzulegen? Wir kriegen, weil wir keine riskanten Geschäfte machen, immer weniger als das, was für Schulden bezahlt werden muss. Es ist sogar im Saldo ein schlechtes Geschäft. Es hat mit der kommunalen Selbstverwaltung gar nichts zu tun, wenn wir sagen: Wir entziehen euch einmal 270 Millionen c für einen Fonds, den wir für euch verwalten; ansonsten versucht ihr, über die Runden zu kommen. – Die Kommunen wären heilfroh, wenn sie ein bisschen mehr Geld zur Verfügung hätten, um ihre kommunalen Aufgaben zu erledigen und ihre Schulden zu tilgen.Daran wird das Ganze scheitern.

(Reinhard Kahl (SPD): In der Vergangenheit war das so!)

Weshalb um alles in der Welt soll das Land Hessen für die Kommunen einen Fonds ansparen, wenn die mit dem Geld selbst Schulden zu tilgen hätten? Dann geben wir ihnen doch das Geld und sagen: Bitte schön, das ist jetzt ein Zuwachs, der tatsächlich erfolgt.

(Reinhard Kahl (SPD): Das macht die Landesregierung, die denen das Geld entzogen hat!)

Herr Kahl,Entschuldigung,aber weshalb um alles in der Welt wollen Sie Geld ansammeln, wenn gleichzeitig die Kommunen Schulden haben und mit dem Geld z. B. Schuldentilgung machen könnten?