Protocol of the Session on November 22, 2005

(Zurufe der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) und Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Ich glaube, es täte uns allen gut, gleich welcher Fraktion, wenn wir nicht so tun, als könnten wir mit alten Debatten, beispielsweise aus den Sechziger- oder Siebzigerjahren, das lösen, was uns die PISA-Studie aufgegeben hat. Es geht in unserem Land nicht um die Wiederherstellung von Chancengleichheit, sondern es geht darum, dass wir uns erstmals auf den Weg machen, damit es Chancengleichheit in unserem Bildungssystem gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über diese Wege streiten wir hier. Wir streiten über den richtigen Weg. Ich habe dargelegt, warum wir den Weg, wie die Landesregierung und die CDU ihn eingeschlagen haben, für falsch halten. Aber, Herr Kollege Beuth, wenn man über diesen Weg streitet, wenn man Vorschläge für diesen Weg macht, belästigt man dieses Parlament nicht, sondern man bereichert es im Sinne der Schülerinnen und Schüler in diesem Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Danke, Herr Wagner. – Frau Staatsministerin Wolff, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will direkt bei der Rede von Herrn Kollegen Wagner anschließen; denn er hat mit einem Punkt Recht.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er hat mit vielem Recht!)

Er hat sogar mit drei Punkten Recht. – Der Gesetzentwurf ist in seiner Einfalt so minimal,dass er die wirklichen Probleme beiseite lässt. Das ist richtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gibt auch so etwas wie verstehendes Hören!)

Zweitens. Wir wollen die Bildungsreserven herausholen. Das ist auch richtig.

Drittens. Sie haben gesagt, die Bildungsgerechtigkeit, die angeblich wieder hergestellt werden soll, gab es vorher nicht. Das ist zutreffend.

Frau Habermann,deshalb sage ich Ihnen:Das,was Sie mit der Wiederherstellung der Gerechtigkeit meinen, wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU)

Sie wissen ganz genau – das habe ich Ihnen vorgetragen –, dass Hessen bei der ersten PISA-Untersuchung, was die Bildungsgerechtigkeit anging, auf dem drittletzten Platz war. Sie wissen ganz genau, und das tut Ihnen weh, dass das jetzige Ergebnis bei PISA sagt, dass wir auf einem Mittelplatz angekommen sind.Das heißt,die Anstrengungen dieser Landesregierung und der Vorgängerregierung ab 1999 waren bitter notwendig, um Gerechtigkeit herzustellen, und auf diesem Weg sind wir weit vorangekommen.

(Beifall bei der CDU)

Dazu gehört insbesondere, dass man bei der frühkindlichen Erziehung etwas tut. Genau deswegen machen wir den Bildungs- und Erziehungsplan. Deswegen sind die Tandems mit großem Feuereifer am Erproben. Sie sind dabei, dies zu entfalten. Natürlich gehört dazu, dass wir das, was wir vor einigen Jahren mit dem Schulversuch zur Neukonzeption der Schuleingangsstufen angefangen haben, analysieren, dass wir schauen, wie die große Breite der Erfahrungen ist, die dort gewonnen worden sind.

Jetzt tun bitte alle, die diesen Bericht gelesen haben, nicht so, als sei das eine einheitliche Entwicklung, in der von vornherein klare Prinzipien, klare Kriterien aufgestellt worden wären, in der von vornherein die wissenschaftliche Untersuchung und Begleitung organisiert gewesen wäre und bei der nicht erst ab 1999 hätte angefangen werden müssen, diese Kriterien einzusetzen, um überhaupt eine klare und transparente Berichterstattung zu ermöglichen.

Dieser Bericht liegt jetzt vor, zeigt aber auch, wie unterschiedlich die Erfahrungen an jeder einzelnen Schule waren. Sie haben aus dem Bericht erkannt, dass kaum eine Schule das Gleiche erprobt hat wie die Nachbarschule. Die einen haben die unterschiedlichen Altersstufen, die anderen die Verbindung von Schuleingangsstufen mit der Vorklasse, weitere haben die gesamte Breite der Grundschule in anderen Kooperationen erprobt. Das war doch hochgradig unterschiedlich.

Jetzt kommen Sie und sagen: Das, was dort hochgradig unterschiedlich von 1998 bis 2004 wahrgenommen werden musste, soll jetzt – in welcher Form bitte? – generell für alle Schulen gelten, und zwar von heute auf morgen übergestülpt. Nein, meine Damen und Herren, das ist nicht der Weg einer vernünftigen Gesetzgebung, etwas den Grundschulen in dem Prozess der Erprobung des Bildungs- und Erziehungsplans überzustülpen, in einem Prozess der Überlegungen, wie es zwischen Grundschule und Kindergarten sinnvolle Übergangswege geben kann.Dort müssen wir Wege erproben, und wir müssen Wege öffnen. Dabei sind wir. Dazu ist das Gesetz verändert worden, und natürlich ist die Verordnung verändert worden, Frau

Habermann. Die rechtlichen Voraussetzungen sind geschaffen.

Jetzt sind wir genau an dem Punkt, dass dann alle, nämlich auch Sie,Rechenschaft nicht nur darüber ablegen müssen, wo die personellen und sächlichen Ressourcen sind, die wir hierfür sinnvollerweise zur Verfügung stellen müssen. Auch die Schulträger müssen aus ihrer Position heraus eine Auskunft geben, wo sie im Zweifelsfall diese Schuleingangsstufe der neuen Art wollen und dafür die räumlichen Voraussetzungen entweder haben oder schaffen. Deswegen können wir nicht einfach durch Landesgesetz über die Schulträger hinweg so etwas einführen, sondern wir müssen Schritt für Schritt schauen, wie wir es einführen können, dies allerdings auch konsequent hintereinander weg.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will jetzt nicht auf vieles andere eingehen, von Ganztagsschule bis zu so genannten Selektionsmechanismen.Das ist eine Debatte, die wir gerne jedes Mal bei all den zehn oder fünfzehn Gesetzentwürfen, die noch kommen, diskutieren können. Aber ducken Sie sich nicht weg vor den Leistungen, die zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Schulen erarbeitet worden sind, die von sehr unterschiedlichen Richtungen jetzt versuchen, das sehr Differente zusammenzubinden, die Erfahrungen daraus zu aggregieren und neue Modelle zu entwerfen. Lassen Sie uns diesen Weg für die Schulen gemeinsam gehen; denn dann kann dabei wirklich das herauskommen, was erfreulicherweise auch Ihr Wunsch ist, Herr Wagner: dass Hessen zum Bildungsland Nummer eins wird. Wir sind schon nicht mehr auf Platz 14, sondern wir sind schon hochgerückt auf die Position, die Sie beschrieben haben. Lassen Sie uns auf diesem Wege weitergehen.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir sind damit am Ende der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Drittes Gesetz zur Wiederherstellung der Chancengleichheit an Hessens Schulen.

Es ist vorgesehen, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung dem Kulturpolitischen Ausschuss zu überweisen. – Dem wird nicht widersprochen. Dann können wir so verfahren.

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung.Ich darf Ihnen wünschen,dass Sie heil den besonderen Gefahren entgehen, die zwischen Rathaus und Landtag lauern. Es sind vermehrt Sternschnuppen angesagt. Verlockungen der Glühweinstände bedrohen den Weg hinüber. Ich wünsche Ihnen einen spannenden und informationsreichen Abend beim VdK und bei den Freunden des Sports. Wir sehen uns morgen um 9 Uhr wieder.

(Schluss: 18.21 Uhr)