Protocol of the Session on October 12, 2005

(Beifall bei der FDP und des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))

Es gibt Menschen, die darauf angewiesen sind, über den so genannten und manchmal verpönten Individualverkehr an ihren Arbeitsplatz zu kommen. Denn wir als Vertreter der öffentlichen Hand können gar nicht die Bedienung aller Strecken sicherstellen.Ich bin deshalb der Meinung: Eigentlich waren wir schon weiter. Die Auseinandersetzung nach dem Motto: „Derjenige, der für den öffentlichen Personennahverkehr ist, ist ein guter Mensch, und derjenige, der für den Individualverkehr ist, ist ein böser Mensch“, ist irrsinnig und falsch. Im Grunde genommen dient das den Menschen auch in keiner Art und Weise.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Deswegen sage ich: Die FDP-Fraktion bekennt sich ausdrücklich zu der hervorragenden Arbeit,die die Verbünde geleistet haben. Die Verbünde haben maßgeblich dazu beigetragen, dass wir den Wettbewerb tatsächlich realisieren konnten. Gerade die Einbeziehung der Kommunen hat dazu geführt.

Verehrte Frau Pfaff, an dieser Stelle möchte ich noch Folgendes sagen: Auch Sie haben doch während der Anhörung wahrgenommen, dass auch der Landkreistag durchaus Positionen bezogen hat, die im Interesse der Verbünde waren. Sie haben in gleicher Art und Weise das gesagt, was auch die Verbünde gesagt haben.

Herr Dr. Lübcke, das Besteller-Ersteller-Prinzip ist vorteilhaft. Das wurde in Hessen erfunden und realisiert. Bei dieser Gelegenheit will ich noch schnell hinzufügen: Das wurde nicht von mir gemacht, sondern das geschah schon während der Amtszeit des verehrten Herrn Kollegen Klemm.

(Beifall der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) und Heinrich Heidel (FDP))

Wir haben im Hessischen Landtag immer versucht, das Thema öffentlicher Personennahverkehr ideologiefrei zu diskutieren.

(Hildegard Pfaff (SPD): Das ist richtig!)

Das Besteller-Ersteller-Prinzip, das damals erstmals diskutiert wurde, ist die Grundlage dafür, dass man wirklich darüber nachgedacht hat, nur das zu bestellen, was man auch wirklich bezahlen kann. Es wird dann nicht nach dem Motto verfahren: Wenn aus politischen Gründen irgendwo entschieden wird, eine Linie aufrechtzuerhalten, muss ich mich überhaupt nicht mehr darum kümmern, was das kostet. – Ich glaube deswegen, dass die Entscheidung, das Besteller-Ersteller-Prinzip einzuführen, eine sehr grundlegende Entscheidung war, die richtig ist.

Ich komme jetzt noch zu den Problemen. Die Probleme will ich gar nicht gering schätzen. Es gibt zwei Probleme.

Die mittelständischen Busunternehmer kritisieren, dass sie gegenüber den kommunalen Betrieben einen Wettbewerbsnachteil hätten. Ich sage Ihnen sehr offen: Uns alle beschleicht immer wieder ein gewisses Unbehagen. Wir fragen uns, ob da nicht sogar etwas dran sein könnte. Denn die Frage, ob es bei öffentlichen kommunalen Unternehmen zu einer Quersubventionierung kommt, ist sehr schwer verifizierbar.Wer sagt denn, dass der Sachbearbeiter, der morgens auf der Erstellerseite sitzt, nachmittags nicht auf der Bestellerseite zu finden ist? Ich habe das jetzt einmal etwas flapsig ausgedrückt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Damit würde im Grunde genommen dieses Prinzip etwas konterkariert.

Auf der Seite der mittelständischen Unternehmen gibt es ein Problem. Sie müssen sich an diesen Wettbewerb gewöhnen. Sie müssen sich darauf einstellen.

In diesem Zusammenhang muss man daran erinnern, wie die Struktur früher aussah. In der Vergangenheit waren viele mittelständische Busunternehmer nicht in dem eigentlichen Sinne unternehmerisch tätig. Denn sie haben sich nicht an Ausschreibungen beteiligt.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ja!)

Vielmehr waren sie als Subunternehmer der öffentlichen Betriebe tätig. Dabei haben sie sich wohl gefühlt. Sie haben mit zwei oder drei Bussen die Leistung als Subunternehmer erbracht. Auf einmal sagen wir jetzt den mittelständischen Unternehmen: Das geht so nicht mehr, ihr habt eine schwierige Aufgabe zu bewältigen.Ihr müsst kooperieren, gemeinsam Angebote unterbreiten und Ähnliches mehr.

Herr Dr. Rhiel hat zu Recht auf die Erfolge hingewiesen, die wir im mittelhessischen Raum dazu haben. Da waren Unternehmen bereit, dies zu tun.

Gleichwohl gibt es diese Probleme. Wir haben diese Probleme mit den Verbänden diskutiert. Es gibt in diesem Zusammenhang einen berühmten Brief. Der wurde wegen eines Gesprächs zwischen Vertretern der Landesregierung und den Vertretern verschiedener Verbände geschrieben. In diesem Brief wurden bestimmte Zusagen gemacht. Deswegen bin ich noch einmal darauf zu sprechen gekommen.

(Beifall der Abg.Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Das ist auch Gegenstand unseres Antrags. Wir wollen, dass parallel mit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes die Vergaberichtlinien zugunsten der mittelständischen Unternehmen so geändert werden, dass die Lösung ihrer Probleme Berücksichtigung findet.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Frau Pfaff, Sie haben angekündigt, dass eine dritte Lesung stattfinden wird. Ich hoffe, dass bis dahin auch tatsächlich dieser „Vergabeerlass“ vorgelegt werden wird. Dann kann man deutlich sagen: Bei den Losen kann man dieses oder jenes machen. – Das ist eine Problematik, die man beispielsweise auch bei jedem Generalunternehmer hat. Dabei geht es um die Frage, ob man da etwas zugunsten der mittelständischen Unternehmen mindern kann. Ich wollte das nur als ein Beispiel nennen.

Wie gesagt, wir haben ein Interesse daran, dass das geregelt wird. Denn natürlich besteht da eine Gefahr. Deswegen wird immer auch zu Recht auf die Situation in anderen Ländern hingewiesen. Die Einführung des Wettbewerbs darf nicht dazu führen, dass wir am Schluss drei große Unternehmen haben, während die kleinen und mittleren Unternehmen überhaupt keine Chance mehr haben.

(Beifall bei der FDP)

Dass das entsprechend geregelt wird, ist ein ganz entscheidender Punkt. Das war der Grund, weshalb wir diesen Antrag eingebracht haben. Wir wollen dies sichergestellt wissen.

Herr Dr. Rhiel hat das während der Ausschusssitzung schon angekündigt. Ich gehe deshalb davon aus, dass eine solche Korrektur des Erlasses stattfinden wird.

Da spielen auch andere Fragen noch eine Rolle, die im Zusammenhang mit dem kommunalen Wirtschaftsrecht stehen. Ich hoffe, dass das noch ausreichend geklärt wird.

Ich fasse für die FDP-Fraktion zusammen. Wenn man Marktwirtschaft in diesem Bereich will, dann kann man das nicht nach dem Motto machen: „Wir sind nur ein bisschen schwanger“, sondern dann muss man Wettbewerb einführen, und man muss dafür sorgen, dass diejenigen, die sich am Wettbewerb beteiligen, faire Bedingungen vorfinden.

An dieser Stelle sehe ich ein großes Problem. Ich glaube, dass es dringend notwendig ist, diejenigen Busunternehmen, die sich am Wettbewerb beteiligen, besser zu informieren über Möglichkeiten, sich an Ausschreibungen zu beteiligen. Herr Dr. Lübcke, ich sage einmal, das ist keine Frage der Verbände. Ich impliziere damit keine Kritik an den Verbänden. Denn in den Verbänden sind diejenigen vertreten, die gleichzeitig bei Ausschreibungen als Wettbewerber auftreten. Dann können Sie von einem Verband nicht verlangen,dass er selbst diese Schulung unternimmt.

Ich habe schon einmal mit dem einen oder anderen Kollegen gesprochen und will es an dieser Stelle anregen: Hier sind meines Erachtens beispielsweise die Kammern gefordert, das Überführen in den Wettbewerb so zu organisieren, dass Unternehmen informiert und geschult werden, um so etwas besser tun zu können.

(Beifall bei der FDP)

Ich glaube, dass das jenen Betrieben eine vernünftige Hilfe sein könnte.

Die FDP begrüßt dieses Gesetz, weil damit ein Weg fortgesetzt wird, der in der Vergangenheit begründet und erfolgreich eingeführt worden ist. Wir sehen die Probleme, die im Vollzug bestehen.Wir wollen sie nicht gering schätzen. Wir haben das gegenüber den Verbänden zum Ausdruck gebracht und hoffen, dass bis zur dritten Lesung im Ausschuss dementsprechend erfolgreich berichtet werden kann, dass den Problemen Rechnung getragen werden kann.

Wir sind alles in allem in der Tendenz und in der Zielsetzung mit diesem Gesetz einverstanden. Nicht zuletzt ist es eine kontinuierliche Fortsetzung dessen, was wir in der vergangenen Legislaturperiode begonnen haben. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Begonnen wurde es schon etwas früher, nicht in der letzten Legislaturperiode!)

Vielen Dank,Herr Kollege Posch.– Als Nächster hat Herr Kollege Mathias Wagner von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass mit diesem ÖPNV-Gesetz eine Chance vergeben worden ist. Ich glaube, es hätte die Chance bestanden,

dass das, was in den Neunzigerjahren unter rot-grüner Verantwortung mit dem zu damaliger Zeit richtungweisenden ÖPNV-Gesetz auf den Weg gebracht wurde, mit einer sehr viel breiteren Mehrheit hier im Landtag hätte fortgeführt werden können als der absoluten CDU-Mehrheit. Wir hätten uns durchaus vorstellen können, dass wir dem ÖPNV-Gesetz zustimmen. Aber dafür wäre es notwendig gewesen, dass die absolute Mehrheit den Themen in unserem Änderungsantrag ein bisschen mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte, als sie einfach mit Nichtbeachtung zu strafen. Eines kann nicht sein: Wir machen eine Anhörung zu dem Gesetz, und selbst mit absoluter Mehrheit kann es nicht sein, dass in der Anhörung überhaupt nichts geäußert wird, das lohnend gewesen wäre aufzunehmen. Insofern wurde hier wirklich eine Chance vertan, das auf eine sehr breite Basis zu stellen. Ich bedauere das sehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Fraktion hat im Gegensatz zur SPD sehr detaillierte Vorschläge vorgelegt, wie wir uns Änderungen an dem Entwurf des Gesetzes vorgestellt hätten. Leider hat das keine Mehrheit gefunden. So kann man über das Gesetz jetzt in drei Bereichen urteilen. Im Bereich der Ziele, für einen modernen, für einen ambitionierten ÖPNV, ist dieses Gesetz ein Rückschritt gegenüber der geltenden Rechtslage. Im Bereich des Wettbewerbs und der Regelungen zum Wettbewerb sind das Gesetz und der damit verbundene Erlass – wir haben vorgeschlagen, auch eine Rechtsverordnung zu machen, um den Wettbewerb näher zu regeln – auf jeden Fall unzureichend. Im Bereich der Fahrgastrechte, dem dritten Bereich, der meiner Fraktion sehr wichtig war, ist dieses Gesetz schlicht nicht auf der Höhe der Zeit. Deswegen können wir dem Gesetzentwurf, wie er jetzt vorliegt, nicht zustimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte auf die drei Bereiche eingehen. Zum Ausschreibungswettbewerb ist schon einiges gesagt worden. Auch wir halten das im Prinzip für das richtige Instrument, um Vergaben im ÖPNV durchzuführen. Allerdings darf man nicht die Augen davor verschließen, welche Probleme es dabei gibt. Man muss die Einwände, die von Gewerkschaften geäußert werden, ernst nehmen. Man muss sich damit beschäftigen, dass darüber geklagt wird, dass der Wettbewerb und die Kosteneinsparungen im ÖPNV zulasten der Beschäftigten, zulasten der Busfahrer gehen, somit zulasten von Personen, die ohnehin nicht in besonders guten Lohngruppen eingestuft sind und die ohnehin knapsen müssen, damit sie ihre Familien ernähren können. Dieses Problem gibt es, und man muss es deshalb bearbeiten und darf es nicht einfach mit Nichtbeachtung bestrafen, wie es die absolute Mehrheit hier tut.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Wir müssen auch sehr ernst nehmen, dass von den mittelständischen Omnibusunternehmern gesagt wird, dass sie Sorge haben, ob sie faire Wettbewerbsbedingungen haben. Auch das muss man ernst nehmen und bearbeiten. Man muss auf der anderen Seite zur Kenntnis nehmen, dass die kommunalen Betriebe sagen: Es ist schon recht mit dem Wettbewerb. Aber was machen wir in unserer Stadt dann, wenn ein anderes Unternehmen die Ausschreibung gewinnt und wir auf dem Personal unserer Stadtwerke sitzen bleiben? – Dieses Problem muss man zur Kenntnis nehmen. Man muss es bearbeiten.

Deswegen hat meine Fraktion vorgeschlagen:Wir machen eine Rechtsverordnung zu diesem Gesetz, in der man alle diese Fragen näher hätte bearbeiten können. Ich glaube, es wäre für eine absolute Mehrheit nicht unzumutbar gewesen, sich auf diesen Vorschlag zuzubewegen. Vor allem hätten wir in der Sache sehr viel mehr regeln können und wären zu einer sehr viel besseren Lösung gekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es auch sehr interessant: Was hat die CDU eigentlich dagegen, wie von uns vorgeschlagen, einen jährlichen Wettbewerbsbericht vorzulegen? Damit hätten wir eine völlige Transparenz über das Marktgeschehen. Damit könnten wir den Teil der Ängste, die unbegründet sind, wegnehmen, indem wir Fakten gegenüberstellen. Wir hätten ein Instrument und einen Bericht in der Hand, auf dessen Grundlage wir dann sagen könnten, wenn es Fehlentwicklungen gibt:Wir wollen sie korrigieren. – Was hätte dagegen gesprochen? Natürlich ist es ein Ex-postInstrument. Das ist mir schon klar. Aber ein Ex-post-Instrument ist immer noch besser als gar kein Instrument, um auf Marktverzerrungen reagieren zu können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die FDP schlägt vor, den Wettbewerb näher auszugestalten. Der Kollege Posch hat darauf hingewiesen, der Antrag der FDP fordert, den Erlass zur Ausschreibung neu zu fassen. Dieser Idee können wir nahe treten. Wir schlagen eine Rechtsverordnung vor, Sie schlagen eine Neufassung des Erlasses vor. Darüber wollen wir nicht lange streiten. Deshalb können wir Ihrer Idee zustimmen, Herr Kollege Posch.