Protocol of the Session on October 12, 2005

Vielen Dank, Frau Kollegin Pfaff. – Als Nächster hat Kollege Dr. Lübcke für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Pfaff, Ihre Rede hat dieselbe Qualität wie Ihr eingebrachter Antrag – viel Schall, viel Rauch, viele Vermutungen, nichts Konkretes.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Günter Ru- dolph (SPD))

Ich kann nur sagen:Auch von der Anhörung habe ich persönlich, wie meine Kollegen, einen anderen Eindruck. Herr Kollege Rudolph, wir behandeln heute in der zweiten Lesung das ÖPNV-Gesetz für das Land Hessen. Frau Pfaff, dieses Gesetz ist im politischen Sinne ein Rahmengesetz, das in erster Linie die Organisation und die Finanzierung regelt. Wenn Sie dabei gleich kritisieren, die Daseinsvorsorge sei aus dem hessischen Gesetz verschwunden, weise ich darauf hin: Das ist Bundesrecht, das das regelt. Dann braucht man hessische Gesetze nicht aufzublähen und Bundesgesetze abzuschreiben, nur damit der Begriff erscheint. Ich glaube, diese Forderung, die Sie aufstellen,ist ein weiterer Beweis für die Lächerlichkeit Ihres Vortrages.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das ÖPNV-Gesetz legt ganz klar fest, welche Finanzierungsinstrumente genommen werden und wie die Rollen der Aufgabenwahrnehmung in Hessen verteilt sind. Wie schon in der ersten Lesung als auch bei der Behandlung im Ausschuss hält die CDUFraktion an dem vorliegenden Gesetzentwurf fest. Frau Pfaff, die Veränderungen gegenüber dem bestehenden Gesetz sind notwendig, da das bisherige Gesetz von 1996 nicht mehr in allen Punkten den heutigen Anforderungen gerecht wird. Die bisherige Beratung im Ausschuss und die dort durchgeführte Anhörung der Verbände bestätigen die Richtigkeit des vorgelegten Entwurfs und den von der Landesregierung eingeschlagenen Weg.

Ein Großteil der Diskussion, wie auch aus dem vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion zu ersehen ist, wird um die Ausschreibung im ÖPNV geführt, obwohl das vorgelegte Gesetz dazu keine Regelung trifft. Die entsprechenden Vorgaben sind bundes- und europarechtliche Bestimmungen, auf die der Landesgesetzgeber keinen Einfluss hat. Frau Manuela Rottmann – ich glaube, sie war einmal im Landtag beschäftigt – erteilt in ihrem Beitrag im Heft „Infrastruktur und Recht“ vom Februar 2005 eine klare Absage an die so genannte marktorientierte Direktvergabe. Ich empfehle der SPD-Fraktion und insbesondere Frau Pfaff, sich diesen Artikel einmal in einer ruhigen Minute zu Gemüte zu führen, was hier unter einer marktorientierten Direktvergabe – wie der Begriff auch immer heißen mag – verstanden wird und warum dieses Verfahren abzulehnen ist.

Unser Ziel bei der Gesetzesnovellierung ist eine übersichtliche Strukturierung, größere Transparenz und die Beseitigung überflüssiger Regelungen. In der Organisation bleibt es bei der Zusammenfassung aller Zuständigkeiten im Nahverkehr bei den Landkreisen, kreisfreien Städten und Sonderstatusstädten. Dabei wird die Eigenverantwortung der kommunalen Aufgabenträger gestärkt,Frau Pfaff.ÖPNV wird zu einem gestaltbaren kommunalen Politikfeld. Frau Pfaff, diejenigen von Ihnen, die

diese größere Transparenz ablehnen, müssen sich fragen lassen, warum sie Angst vor zusätzlicher Eigenverantwortung in den Kommunen haben. Mehr Verantwortung auf die kommunale Ebene entspricht unserem Leitbild vom Subsidiaritätsprinzip. Natürlich gehört auch dazu,

(Zuruf des Abg. Uwe Frankenberger (SPD))

dass eine fehlerhafte Politik vor Ort, Herr Frankenberger, schneller erkannt wird und die Verantwortlichen dafür geradestehen müssen. Wir verstehen darunter bürgernahe Politik, die den Staat zurücknimmt, wo er nicht unbedingt benötigt wird, und den handelnden Akteuren mehr Freiheiten lässt. Auch der Finanzierungsbereich wird in Zukunft klarer und einfacher strukturiert. Frau Pfaff, ich freue mich, dass Sie das Budget über das Verfahren, dem Sie sich angeschlossen haben – –

(Dieter Posch (FDP): Es gibt noch einen zweiten!)

Das eine ist die Infrastruktur. Frau Pfaff hat beide angesprochen. Sie haben ein Zweites gefordert – mehr Verlässlichkeit. Aber ich glaube, dass hier der richtige Weg eingeschlagen worden ist.

Die Förderung soll flexibler gestaltet und zielorientiert ausgerichtet werden. Das Land wird die öffentlichen Fördermittel bündeln und sie vorrangig den Aufgabenträgerorganisationen zur Verfügung stellen, um so die Aufgabenträger – d. h. vorrangig die Kommunen – zu entlasten. Durch eine mehrjährige Budgetierung der Fördermittel wird eine Planungssicherheit für die Träger garantiert. Das Besteller-Ersteller-Prinzip im neuen ÖPNV-Gesetz schafft deutlich mehr Transparenz zwischen öffentlichem Gemeinwohlauftrag und unternehmerischem Handeln bei der Leistungserstellung.

Dazu gehört natürlich auch, dass die europa- und bundesrechtlichen Vorgaben bei den Ausschreibungen bewirken sollen, dass mehr Wettbewerb zu einem effizienteren Einsatz staatlicher Fördermittel führen kann. Dabei wird es niemandem helfen, wenn er künstlich vom Wettbewerb ausgeschlossen wird. Es macht keinen Sinn, marktwirtschaftsfreie Inseln zu schaffen. Jedes kommunale Unternehmen – für die Privatwirtschaft gilt das ohnehin schon, und es gibt dazu keine Alternativen –, das jetzt noch versucht, sich vor dem Wettbewerb zu drücken, verpasst eine große Chance, sich rechtzeitig auf die Veränderungen einzustellen und sich damit zukunftsfähig aufzustellen. Dies wird spätestens dann nötig sein, wenn in diesem Bereich unmittelbar geltendes Europarecht zum Tragen kommt.

Die Hessische Landesregierung und die Mehrheitsfraktion dieses Hauses wollen mit diesem neuen Gesetz allen Beteiligten des ÖPNV in Hessen dabei helfen, bestmögliche Ausgangspositionen für den Wettbewerb zu erbringen. Die schon bei der Einbringung des Gesetzes von der SPD-Fraktion geforderte marktorientierte Direktvergabe ist weder nach nationalem noch nach EU-Recht möglich. Die Anhörung hat mir gezeigt, dass keiner der Angehörten gegen Ausschreibung im Wettbewerb ist. Es gab lediglich einige kleine Korrekturwünsche. Die wurden aufgenommen, und es wurde zugesagt – Herr Posch, Sie und Herr Denzin waren bei der Veranstaltung –, dass ihre Wünsche aufgenommen werden. Die öffentliche Ausschreibung wird sogar vom neuen Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission, der übrigens für Deutschland mit Günter Verheugen ein Sozialdemokrat angehört, als Regelfall vorgeschrieben.

Die CDU-Fraktion fühlte sich dabei von der EU-Kommission bestätigt, dass wir mit dem vorliegenden Gesetz

entwurf auf dem richtigen Weg verfahren. Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion, dieses von fast allen Seiten als richtig und zukunftsweisend bezeichnete Gesetz erneut zu überarbeiten, zeigt, dass Sie in allen Debatten, die wir geführt haben, und in der Anhörung nichts dazugelernt haben. Immer noch offenbaren die sozialdemokratischen Kollegen ihre ausgeprägte Wettbewerbsfeindlichkeit,ihr Beharren auf staatlichem Einfluss und den damit verbundenen Hang zur Überregulierung.

Wie schon bei der Einbringung des Gesetzentwurfs wird dabei von zügellosem oder ruinösem Wettbewerb gesprochen, sodass eigentlich nur noch der Hinweis auf die Heuschrecken fehlt, Frau Pfaff. Hier kommt ein ziemlich gestörtes Verhältnis zur sozialen Marktwirtschaft zum Ausdruck. Dagegen zeigen die Erfahrungen der letzten Zeit, dass überall dort, wo wir Wettbewerb unnötig einschränken oder gar verhindern, die betroffenen Akteure im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr wettbewerbsfähig sind und damit sowohl Wachstumschancen als auch zusätzlichen Wohlstand für unsere Gesellschaft verspielen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die CDUFraktion steht aus voller Überzeugung hinter dem Konzept des Wettbewerbs im ÖPNV, wie es in dem vom Wirtschaftsminister eingebrachten Gesetzentwurf verankert ist. Dieses Gesetz ist ein neuer Meilenstein in der hessischen Verkehrspolitik. Es führt zu einer neuen und zeitgerechten Organisation der Durchführung des ÖPNV einerseits und seiner Finanzierung andererseits.

Herr Wagner, der Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist von der äußeren Form her sehr sauber ausgearbeitet. Sicherlich sind Sie mittlerweile aus den Turnschuhen herausgewachsen. Inhaltlich enthält dieser Antrag lediglich die immer wiederkehrenden alten Forderungen, die der grünen Ideologie entspringen, so z. B. Vorrang für den ÖPNV gegenüber dem motorisierten Individualverkehr oder Stärkung des Umweltverbundes.

(Demonstrativer Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Margaretha Hölldobler-Heu- müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist auch richtig!)

Der Änderungsantrag enthält auch weite Passagen, mit denen das geregelt werden soll,was bereits durch Bundesrecht geregelt ist. Das wäre also eine künstliche Aufblähung des Gesetzestextes durch ständige Wiederholung. Das wurde ähnlich von der SPD hier vorgetragen. Das betrifft z. B. die Daseinsvorsorge.

Herr Wagner, wenn wir die von Ihnen geforderte Schlichtungsstelle für den Nahverkehr einrichten würden, würde sicherlich das Konnexitätsprinzip greifen. Das heißt, das Land müsste dann die Finanzierung allein sicherstellen. Das ist weder angebracht noch mit den heute vorhandenen Instrumentarien zur Finanzierung durchführbar.

Der vorliegende Änderungsantrag wurde bereits im Ausschuss mit Mehrheit abgelehnt. Herr Wagner und Frau Pfaff, ich würde mich deshalb sehr freuen, wenn Sie nach dieser Debatte auch die bisher in Ihren Reihen vorhandenen Skeptiker davon überzeugen könnten, dass die Neuordnung des öffentlichen Personennahverkehrs wichtig ist. Es wäre schön, wenn Sie unserem Vorschlag folgen könnten. Denn wir werden damit in Hessen einen zukunftsweisenden öffentlichen Personennahverkehr für die Bürgerinnen und Bürger auch weiterhin aufrechterhalten können. Wir werden damit ein Angebot vorhalten können, das Masse, Qualität und Struktur hat. – Ich danke

für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche mir, dass wir vielleicht doch noch einen Konsens finden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Dr. Lübcke, vielen Dank. – Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abg.Posch für die FDP-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der FDP – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Er hat noch gar nicht gesprochen, da fangen die schon mit Klatschen an!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung. Liebe Frau Pfaff, ich schätze Sie sehr als eine sachkundige Abgeordnete, die sich mit unglaublich viel Engagement mit diesem Thema befasst. Sie haben sich hier aber hingestellt und behauptet, bei der Anhörung sei vernichtende Kritik zutage getreten.

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Das war falsch!)

Dazu muss ich schon sagen:Wir waren wohl auf zwei völlig unterschiedlichen Veranstaltungen.

(Dorothea Henzler (FDP): Das ist öfter so!)

Ich sage dies insbesondere deswegen, weil während der Anhörung Gegenstand der dort geübten Kritik nicht der Gesetzentwurf selbst war,sondern genau jener Erlass,von dem die Anzuhörenden nachher gesprochen haben.

(Hildegard Pfaff (SPD): Herr Kollege, es betraf beides!)

Denn in der Tat ist Folgendes richtig: Die Ausschreibungsbedingungen und die Frage, wie der Wettbewerb beim öffentlichen Personennahverkehr realisiert werden soll, ist nicht Regelungsgegenstand dieses Gesetzentwurfs.

Verehrter Herr Dr. Lübcke, Sie wissen aber auch, dass wir in der Vergangenheit bereits den Wettbewerb eingeführt haben. Es geht deshalb etwas zu weit, zu sagen, es handele sich dabei um eine Sternstunde des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Einführung des Wettbewerbs haben wir während der vergangenen Legislaturperiode bereits gemeinsam mit den Verbünden realisiert.Wenn es nur um die Frage der Umsetzung des Wettbewerbs ginge, bräuchten wir ein solches Gesetz überhaupt nicht. Denn das haben wir schon in der Vergangenheit realisiert.

Sie selbst haben dargestellt, dass wir – ich füge hinzu: leider – seit geraumer Zeit auf die entsprechende Rechtsverordnung der Europäischen Union warten. Ich sage es einmal so: Hier liegt ein Vollzugsdefizit vor, das letzten Endes zulasten aller Beteiligten geht. Herr Dr. Rhiel, wir sind uns sicherlich einig,dass es dazu eine berechtigte Diskussion gibt. Auf der einen Seite führen die kommunalen Verkehrsbetriebe diese Diskussion.Auf der anderen Seite wird diese Diskussion auch von den mittelständischen Unternehmen betrieben. Das rührt genau daher, dass wir im Grunde genommen seit Jahren darauf warten, zu erfahren, zu was sich die Europäische Union bei dieser Frage durchringt.

(Beifall bei der FDP)

Ich halte es deswegen für falsch,diesen Zusammenhang in der Art und Weise zu problematisieren, wie das hier getan wurde.

Das Gleiche gilt hinsichtlich des Stichworts „Daseinsvorsorge“.Ich halte es für richtig,dass aus dem Gesetzeswerk das herausgenommen werden soll, was zum Vollzug und zur Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs nicht notwendig ist. Dass der öffentliche Personennahverkehr auch in Zukunft eine Aufgabe der Daseinsvorsorge bleiben wird, ergibt sich allein daraus, dass wir beispielsweise beim Wettbewerb auf das Vergaberecht Rücksicht nehmen müssen. Denn auf absehbare Zeit wird der öffentliche Personennahverkehr ohne öffentliche Bezuschussung nicht möglich sein.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal auf etwas zu sprechen kommen, was ich in diesem Zusammenhang auch nicht verstehe.Verehrte Frau Pfaff, Sie haben gesagt, wir seien in Hessen einen Weg gegangen, der nicht mittelstandsfreundlich sei und der die Belange der kommunalen Betriebe nicht ausreichend berücksichtige.

Ich sage einmal in Richtung der Landesregierung sehr bewusst: Ich freue mich darüber, dass der Kurs des Wettbewerbs fortgesetzt wird, den wir in der vergangenen Legislaturperiode eingeschlagen haben.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Walter Lüb- cke (CDU))

Denn es gibt zur Einführung des Wettbewerbs im öffentlichen Personennahverkehr überhaupt keine Alternative.

Bei der Frage, wie der Wettbewerb organisiert werden soll, bin ich wieder bei Ihnen. Es muss sichergestellt werden, dass mittelständische Unternehmen auch tatsächlich eine Chance haben. Darauf werde ich noch zu sprechen kommen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass es ohne diesen Wettbewerb nicht geht und dass das die einzig mögliche und denkbare Form ist, das zu realisieren.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wenn Sie sagen würden, damit würden die Verbünde in unzulässiger Weise gestärkt – verehrte Frau Pfaff, das waren jetzt meine Worte –, dann sage ich Ihnen dazu Folgendes: Hätten wir die Verbünde mit dem Einbezug der Kommunen nicht, wären wir heute beim Wettbewerb nicht so weit, wie wir sind. – Es ist geradezu das Verdienst des Nordhessischen Verkehrsverbundes und des Rhein-Main-Verkehrsverbundes, dass sie die Kommunen davon überzeugt haben, dass es dazu keine Alternative gibt. Das ist der entscheidende Punkt, auf den es in diesem Zusammenhang ankommt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich sage deswegen für die FDP-Fraktion: Die Art und Weise, wie der öffentliche Personennahverkehr hier organisiert wird, stellt eine Säule des integrierten Verkehrssystems dar, wobei ich immer davon ausgehe – Herr Dr. Lübcke, da teile ich Ihre Auffassung –, dass jeder Verkehrsträger entsprechend seiner Stärke im Verkehrssystem eingesetzt werden muss. Die einseitige Bevorzugung eines Verkehrsträgers würde der Sache schlicht und ergreifend nicht dienen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))