Protocol of the Session on September 22, 2005

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun ist es ja so,dass Sie uns nicht glauben.Aber es gibt ein paar Verbände, von denen Sie meinen, dass sie Ihnen wirklich nahe stehen.Wir wenden uns gleich einem zu,der zu seinem Jahresempfang geladen hat.

Der Verband der Chemischen Industrie schreibt in der schriftlichen Stellungnahme zu der Anhörung: „Widerspruchsverfahren haben in der Regel den gewünschten Befriedungseffekt.“ Oder: „Widersprüche richten sich regelmäßig nicht gegen den Tenor oder die Bedingungen des Bescheids, sondern gegen untergeordnete Auflagen, deren endgültige Klärung aus Zeitgründen die Bescheidserteilung nicht verzögern soll.“ Sie schreiben Ihnen also, dass Sie so, was Sie es gerade regeln, die Genehmigungsverfahren verzögern. Das müsste Ihnen doch wenigstens zu denken geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Infraserv Höchst KG schreibt Ihnen: „Die mit der Streichung der Widerspruchsmöglichkeit einhergehende Verzögerung der Genehmigungszeiten würden sich zu einem massiven Standortnachteil in Hessen entwickeln“. Wieder ist es ein Unternehmerverband, der Ihnen das ans Herz legt.

Herr Dr. Jung, last, but not least: Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände schreibt Ihnen: „Der Abschaffung von Widersprüchen bei Verwaltungsakten, die das Regierungspräsidium erlassen hat,ist bezogen auf den Bereich der umweltrechtlichen Genehmigungen, Bewilligungen und Erlaubnisse zu widersprechen, da so unter

nehmerische Tätigkeit behindert und Investitionsentscheidungen unnötig verzögert würden, was dem Wirtschaftsstandort Hessen schadet.“ Das sagt Ihnen die VhU.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann nur an Sie appellieren, sich diese Argumente einzuprägen und einmal auf sich einwirken zu lassen. Ich will gar nicht weiter darauf eingehen, dass Sie den Naturschutz, der Sie überhaupt nicht interessiert, in diesem Gesetzentwurf völlig rasieren. Sie rasieren die Mitwirkungsrechte der Beiräte, z. B. der Fischereibeiräte, der Forstbeiräte und der Naturschutzbeiräte.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Entbürokratisierung!)

Herr Dr. Jung, ich weiß, dass Sie das nicht interessiert. Aber dann unterlassen Sie es doch bitte, sich hier immer für die Unterstützung des Ehrenamts feiern zu lassen; denn das,was die Menschen in den Beiräten leisten,ist ehrenamtliche Tätigkeit. Aber gerade diese Tätigkeiten rasieren Sie hier.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte Ihnen hier die Gelegenheit geben, noch einmal über das Ganze nachzudenken. Deswegen beantragen wir eine dritte Lesung des Gesetzentwurfs.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abg. Haselbach, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit will ich es sehr kurz machen. Die umfassende Aufgabenkritik, die von der Opposition immer eingefordert worden ist, hat bei dem so genannten RP-Gesetz im wahrsten Sinne des Wortes „umfassend“ stattgefunden. Vieles von dem, was die Regierungspräsidien der Regierung vorgelegt haben, können sie in eigener Zuständigkeit umsetzen. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen, dass die RPs 8 Abteilungen und 76 Dezernate einsparen, insgesamt mittelfristig 908 Stellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

In der gestrigen Debatte wurde gefordert, etwas zu tun im Lande Hessen, um die Ausgabenseite zu bereinigen. Das war der Tenor der Redebeiträge von SPD und GRÜNEN. Es ist eine solche Chance, durch die Verschlankung der Mittelinstanz 908 Stellen effizient einzusparen. Dass Sie sich dem nicht anschließen können, kann ich einfach nicht nachvollziehen. Das muss ich hier sehr deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU – Reinhard Kahl (SPD): Sie sollten das Thema ein bisschen differenzierter sehen!)

Natürlich ist auch eine ganze Reihe von Änderungen am Landesrecht erforderlich, z. B. bei den Widerspruchsverfahren. Sie tun ja so, als würden die Widerspruchsverfahren ganz abgeschafft. Das ist nicht der Fall. Die Widerspruchsverfahren werden bei den RPs zur Effizienzsteigerung ihrer Arbeit nur in dem Umfang abgeschafft, wie die RPs gleichzeitig Ausgangsbehörde für den Bescheid und Widerspruchsbehörde sind. Von den hoch qualifizierten Mitarbeitern in einem RP kann man doch erwarten, dass sie das ordentlich und gerichtsfest in einem machen. Dazu bedarf es keines Widerspruchsverfahrens.Da lachen ja die Hühner.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Du hast überhaupt keine Ahnung!)

Im Übrigen ist im Land Baden-Württemberg sehr eindrucksvoll bestätigt worden, dass das sehr wohl machbar ist. Ich darf daran erinnern, dass das so genannte Anhörungsverfahren bestehen bleibt. Die Befriedungsfunktion für die Bürger unseres Landes wird also in keiner Weise geschmälert. Das muss man sehr deutlich sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Zu der Abschaffung des Devolutiveffekts: Es geht um die Landräte und um Oberbürgermeister von so genannten Sonderstatusstädten.All das sind Behörden,die selbstverständlich über ein eigenes Rechtsamt und eigenen – auch juristischen – Sachverstand verfügen. Sie werden wohl in der Lage sein, ihre eigenen Verwaltungsakte ordentlich und gerichtsfest vorzubereiten. Dass man die Arbeit bisher durch die übergeordnete Behörde gewissermaßen noch einmal kontrollieren ließ und die Mitarbeiter des RP gezwungen hat, sich in die Materie neu einzuarbeiten, um dann einen Bescheid zu erlassen, ist direkt lächerlich.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Alle juristischen Sachverständigen haben das aber so gesehen! Das ist die Rede aus der ersten Lesung!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich halte also fest: Die Selbstkontrolle der Verwaltung wird weiterhin voll – –

(Wortmeldung des Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Herr Kollege Haselbach, hallo, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, bei dieser Kürze der Zeit nicht.

(Zurufe der Abg. Dr. Andreas Jürgens, Tarek Al- Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, es ist nur konsequent, wenn wir mit dem CDU-Änderungsantrag die Ausschüsse bei Forst, Fischerei und Naturschutz weitgehend einheitlich regeln, dass wir dabei die Ebene der Regierungspräsidenten ausnehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Mit einer Verkürzung des Ehrenamtes – von der Sie, Herr Frömmrich, hier faseln – hat das überhaupt nichts zu tun, absolut nichts.

(Widerspruch der Abg.Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) und Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, dass man bei Anhörungen, bei Reformen – das müssten Sie doch wissen – auch immer Widerspruch erfährt, das ist so selbstverständlich, das muss ich hier doch nicht besonders erläutern.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es gab auf ganzer Linie Widerspruch!)

Aber man muss den Mut haben, das, was man für richtig erkannt hat, auch umzusetzen.Wir haben diesen Mut. Die Hessische Landesregierung hat diesen Mut. Deshalb werden wir zum Wohl Hessens auch dieses Gesetz umsetzen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist bei Ihnen vertane Liebesmühe!)

Kollege Frömmrich, ich bedauere außerordentlich, dass wir uns zum dritten Mal mit der gleichen Sache beschäftigen müssen. – Danke.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Dann können Sie zum dritten Mal die gleiche Rede halten!)

Herr Kollege Haselbach, vielen Dank. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Sie unterbrochen habe, aber ich musste das tun – es war keine freiwillige Leistung.

Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Dr. Reuter, Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stimme dem Kollegen Frömmrich ausdrücklich zu. Nach dieser vernichtenden Kritik sowohl in der schriftlichen als auch in der mündlichen Anhörung hat eigentlich jeder, der sich mit dieser Materie beschäftigt, damit gerechnet, dass dieser Gesetzentwurf in der Versenkung verschwindet.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen uns heute und – nachdem die dritte Lesung beantragt wurde – auch in der dritten Lesung nochmals mit diesem Gesetzentwurf beschäftigen. Da stelle ich die Frage an die Mehrheitsfraktion:Was muss eigentlich noch passieren, damit Sie Ihre Beratungsresistenz aufgeben?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genügt Ihnen das abschreckende Beispiel Bayerns immer noch nicht? Bayern hatte – mehr oder weniger in einer Echternacher Springprozession – zunächst das Widerspruchverfahren gänzlich abgeschafft, es dann partiell wieder eingeführt,

(Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

um jetzt in einem Regierungsbezirk nochmals die generelle Abschaffung auszuprobieren.

(Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))