Protocol of the Session on September 21, 2005

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen drittens eine qualifizierte Familientagesbetreuung. Wir wollen dieses Angebot so ausbauen, dass normale Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, sodass die Frauen oder Männer, die diese Angebote machen, wirklich qualifiziert werden. Es ist schade, dass Sie im Bildungs- und Erziehungsplan die Möglichkeiten des Andockens an bestehende Einrichtungen nicht berücksichtigt haben. Deshalb wäre es besser, wenn wir hier öfter Fachdiskussionen führen würden und nicht nur Presseerklärungen vorgelesen bekämen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen – auch das sieht unser Gesetzentwurf vor – eine viel größere Vielfalt an Einrichtungen und Angeboten,damit die Eltern eine tatsächliche Wahlfreiheit haben.

Der vierte Schwerpunkt ist eine stärkere Unterstützung der Kommunen als Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Die Kinderbetreuung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Kommunen stehen zwar in der Verantwortung, aber das Land muss endlich Geld in die Hand nehmen und entsprechend eingreifen, wenn es darum geht, die frühkindliche Bildung voranzubringen. Das schlägt unser Gesetzentwurf vor.

Von der FDP-Fraktion ist schon signalisiert worden, dass dieser Gesetzentwurf eine hervorragende Beratungsgrundlage ist. Ich freue mich darauf, den Gesetzentwurf im Ausschuss zu beraten.Wir werden dafür sorgen,dass es eine ausführliche Anhörung gibt. Wir werden die verschiedenen Interessen, sowohl von Kommunen als auch von Eltern, aber natürlich auch derjenigen, die sich mit der Qualität von Erziehung befassen,berücksichtigen und auch mit den kirchlichen und kommunalen Trägern darüber reden, wie das Gesetz letztendlich gestaltet werden soll.

Unser gemeinsamer Anspruch ist, dass wir den Kindern dieser Gesellschaft in einem frühen Stadium Angebote zur Verfügung zu stellen, die sie befähigen, durchs Leben zu gehen, und alle Qualifikationen, die sie dazu brauchen, im Elternhaus und im Zusammenleben mit anderen Kindern, im Zusammenspiel mit anderen Kindern zu bekommen.Wir müssen Anreize setzen, dass sie sich immer weiter bilden – gerade in jungen Jahren, wenn der Wissensdurst, das Wissensbedürfnis am ausgeprägtesten ist. Zu diesem Zeitpunkt müssen entsprechende Angebote zur Verfügung gestellt werden.

Als wir unseren Gesetzentwurf eingebracht haben,hat die Ministerin sofort gesagt, das sei unfinanzierbar und unrealistisch. Ich möchte Sie ganz ernsthaft bitten, Frau Ministerin,auch im Hinblick auf die Diskussion,die wir morgen über die Politik des Innenministers führen, uns heute zu sagen, warum unser Vorschlag unfinanzierbar und unrealistisch sein soll, der vorsieht, dass im Jahre 2010 20 % der unter Dreijährigen tatsächlich ein Betreuungsangebot bekommen.Sagen Sie bitte,was Sie den hessischen Eltern an konkreten Alternativangeboten vorschlagen können, um das Ziel zu erreichen,von dem Sie behaupten,es ebenfalls zu verfolgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Reißer für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein typisches Produkt der GRÜNEN.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann ist er super, dann ist er gut!)

Der Gesetzentwurf dient lediglich dazu, der Hessischen Landesregierung mithilfe allerlei Halb- und Unwahrheiten Tatenlosigkeit in Bezug auf die Kinderbetreuung zu unterstellen. Dies lehnen wir selbstverständlich ab.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Du hast die neue Linie von Stoiber noch nicht vernommen! Wir sind vernünftig!)

Nehmen wir ein Beispiel.Es fängt schon damit an,dass Sie unter Punkt A behaupten, die niedrige Geburtenrate in Hessen sei „ein Indikator für unzureichende kinderfreundliche Strukturen“. Ein gutes Betreuungsangebot ist natürlich wichtig, um Berufstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können.Anders, als Sie behaupten, ist das aber nicht der zentrale Punkt.

Dies lässt sich leicht erkennen, wenn wir uns die Situation in den neuen Bundesländern anschauen. Dort gibt es ein funktionierendes und sehr gut ausgebautes Kinderbetreuungssystem.Trotzdem ist gerade in den neuen Bundesländern die Geburtenrate katastrophal niedrig. Das hat etwas damit zu tun, dass gerade Familien auf ein funktionierendes ökonomisches Umfeld angewiesen sind: auf einem funktionierenden Arbeitsmarkt und auf eine funktionierende Wirtschaft. Eine klare Zukunftsperspektive ist also die Grundlage dafür, dass Paare ihren Kinderwunsch verwirklichen wollen und können.

(Beifall bei der CDU)

Eine gute Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik ist zugleich auch ein zentraler Aspekt einer guten Familienpolitik. Doch hierbei hat die abgewählte rot-grüne Bundesregierung völlig versagt. Es ist auch gut so, dass man diese Bundesregierung abgewählt hat.Es war allerhöchste Zeit.

(Beifall bei der CDU – Lachen des Abg. Tarek Al- Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist ein besonderes Beispiel. Die Familien haben in den letzten sieben Jahren unter ihrer Politik gelitten.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine Damen und Herren von Rot-Grün, wer in diesem Bereich so gescheitert ist wie Sie, der hat kein Recht, sich als alleiniger Interessenvertreter von Familien und Kindern aufzuspielen. Das geht nicht.

(Beifall bei der CDU)

Sie tun so, als ob Sie das soziale Gewissen in unserem Land wären. Ich habe es bereits erwähnt: Das, was Sie in den letzten sieben Jahren abgeliefert haben, ist in seiner Konsequenz zutiefst familien- und kinderfeindlich.

Das lässt sich auch in einer Studie des Wohlfahrtsverbands nachlesen. Der Wohlfahrtsverband spricht davon – das sind die neuesten Zahlen –,dass mittlerweile 1,7 Milli

onen Kinder in Armut leben. Das haben Sie mit Ihrer Politik mit zu verantworten.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das gibt es doch gar nicht!)

Ich habe schon eingangs darauf hingewiesen, dass ein gutes Kinderbetreuungsangebot wichtig ist. Gerade für die unter Dreijährigen ist das wichtig; das sehen wir auch so. Nun scheint Ihnen aber bei der Formulierung – möglicherweise auch beim Abschreiben – dieses Gesetzentwurfs entgangen zu sein, dass die Hessische Landesregierung in diesem Bereich sehr viel tut und auch schon sehr weit gekommen ist.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weise auf die Offensive für Kinderbetreuung hin, die für unser Land wegweisend ist. Die dafür zur Verfügung gestellten Mittel wurden von 2,8 Millionen c auf 14 Millionen c erhöht.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Während in Hessen die Finanzmittel für die Kinderbetreuung aufgestockt wurden, hat die jetzt abgewählte rotgrüne Bundesregierung in diesem Bereich faktisch nichts getan. Stattdessen wird in Berlin an geradezu abenteuerlichen Finanzkonstruktionen gearbeitet.

Die Finanzierung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes soll über Einsparungen der Kommunen aufgrund des Hartz-IV-Gesetzes ermöglicht werden. Über dieses Thema haben wir in diesem Hause schon mehrfach gesprochen.Die Kosten,die den Kommunen durch das TAG entstehen, sind gewiss. Die von der Bundesregierung errechneten Einsparungen aufgrund von Hartz IV sind es jedoch beileibe nicht. Das ist das Problem an diesem Punkt. Ein seriöses Konzept sieht völlig anders aus. Das müssen wir an dieser Stelle noch einmal anmerken.

(Beifall bei der CDU)

Dass die GRÜNEN im Hessischen Landtag das genauso sehen, kann man an bestimmten Formulierungen in dem Gesetzentwurf erkennen. Sie sehen dort vor, dass das Land die Kommunen finanziell unterstützt. Wo das geht, ist es auch richtig. Sie schreiben das selbst in Ihrem Entwurf. Die Ziele, die Sie dort anstreben, sind für Land und Kommunen mit einem solch unkalkulierbaren finanziellen Risiko behaftet,dass man das so nicht gutheißen kann.

Ebenso bedenklich sind die Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung, die in diesem Gesetzentwurf vorgesehen sind.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Das müssen Sie gut wissen! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu kommen wir morgen.Das wird morgen auf der Tagesordnung stehen, und dann werden wir es noch einmal ganz genau erörtern. Im Moment haben wir uns mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu beschäftigen. In § 2 Abs. 4 ist zu lesen:

In qualifizierter Familientagesbetreuung werden Kleinkinder von einer Tagespflegeperson für einen Teil des Tages oder ganztags entweder im eigenen oder im Haushalt der Eltern betreut.

Sie sind offensichtlich nicht in der Lage, Ihre Regulierungswut auch nur einigermaßen im Zaum zu halten. Das, was in diesem Gesetzentwurf steht, kann man so nicht gutheißen.

Die Kommunen sind durchaus selbst in der Lage, über diese Regelungen zu entscheiden. Sie sind in der Lage, für die Räume, in denen die Kinder betreut werden sollen, zu sorgen. Das kann man den Kommunen durchaus zutrauen. Sie sind auch in der Lage, die nötigen Standards für die Räume zu entwickeln, in denen die Kinder betreut werden können.

Was sieht Ihr Gesetzentwurf eigentlich vor, wenn sich zwei Nachbarfamilien darauf einigen, ihre Kinder von derselben Tagesmutter betreuen zu lassen? Nach Ihrem Gesetzentwurf bleibt für die Betreuung nur noch die Wohnung der Tagesmutter übrig. Das ist völlig absurd. Wahrscheinlich können Kinder einfacher in ihrem gewohnten Umfeld betreut werden. Das ist doch die einhellige Meinung. Eben das ist die Schwäche Ihres Entwurfs; das kommt dort nicht vor.

Das ist wieder ein Beispiel für Ihre Regulierungswut, wie sie unter anderem auch durch das Eingreifen in die kommunale Selbstverwaltung deutlich wird. Sie schießen mit Ihrem Gesetzentwurf einmal wieder über das Ziel hinaus, genauso wie es vor einiger Zeit mit dem Antidiskriminierungsgesetz der Fall war. Damals haben Sie die Regelungen einer EU-Richtlinie bis ins Absurde aufgebläht. Gut gemeint ist eben nicht unbedingt auch gut gemacht.

Mit Ihrem Gesetzentwurf zeigen Sie – obwohl einige durchaus vernünftige Gedanken darin enthalten sind; das will ich gar nicht abstreiten –, dass die Familienpolitik bei der CDU-Fraktion und der Hessischen Landesregierung in den besseren Händen ist.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD – An- drea Ypsilanti (SPD):Ach du lieber Gott!)

Wir sind in Hessen auf dem richtigen Weg. Das haben wir mit mehreren Maßnahmen gezeigt. Ich will sie hier noch einmal nennen; denn durch das mehrmalige Wiederholen wird es auch Ihnen vielleicht klar.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Aber die Eltern haben das noch nicht verstanden!)

Ich nenne folgende Maßnahmen: die Offensive für Kinderbetreuung, der Ausbau individueller Tagesbetreuung und Tagespflege,der Bildungsplan für Kinder von 0 bis 10, die Sprachförderung im Kindergarten und die Integration im Kindergarten. Die Zuschüsse für Kindergärten mit einem hohen Anteil an Migrantenkindern haben einen großen Beitrag zur Integration geleistet.

Zusammenfassend lässt sich sagen:Hessen ist bei der Kinderbetreuung auf einem guten Weg. Unsere Familienpolitik unterscheidet sich wohltuend von den rot-grünen Luftschlössern, die Sie uns hier immer wieder präsentieren. Der Gesetzentwurf, der uns hier vorliegt, entbehrt jeglicher Seriosität.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Wir werden ihn nicht unterstützen. Wir werden aber im Ausschuss darüber diskutieren.– Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.