Protocol of the Session on July 14, 2005

Dazu wird aufgerufen Tagesordnungspunkt 119:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Ja zum europäischen Verfassungsvertrag – Ja zur Fortsetzung des europäischen Integrationsprozesses – Drucks. 16/4245 –

Dazu wird aufgerufen Tagesordnungspunkt 121:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der FDP betreffend Weichen für eine zukunftsfähige Europäische Union jetzt stellen – Drucks. 16/4252 –

Zehn Minuten Redezeit sind vereinbart. Als erster Redner hat Herr Abg. Dr. Lennert für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Europäische Union hat sich als das erfolgreichste Friedensprojekt in der Geschichte Europas erwiesen.

(Beifall bei der CDU)

Sie hat die Aussöhnung der Völker in Westeuropa gebracht. Sie hat den Grundstein für einen einzigartigen wirtschaftlichen Aufschwung gelegt.

(Reinhard Kahl (SPD): Oh!)

Die europäische Einigung bietet die große Chance, die europäische Wertegemeinschaft zu festigen und in der Welt von morgen zu behaupten. Das Europa der heutigen EU wird im Jahr 2010 nur noch 5 % der Gesamtbevölkerung der Welt ausmachen. Schon das zeigt, wie wichtig es ist, als Europäer zusammenzustehen. Dies ist notwendig, um auch in Zukunft im globalen Wettbewerb, insbesondere mit Amerika und dem pazifischen Raum, zu bestehen. Zur europäischen Einigung gibt es daher keine vertretbare politische Alternative.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie ist der Schlüssel zu dauerhaftem Frieden, Freiheit und Wohlstand auf unserem Kontinent. Schlimm ist es daher, dass mit wiederholten nationalen Alleingängen, der mutwilligen Schwächung des europäischen Wachstums- und Stabilitätspakts und einseitiger Parteinahme im Europäi

schen Rat Rot-Grün Europa gespalten und dessen Glaubwürdigkeit beschädigt hat.

(Beifall bei der CDU)

Dies sind mit Gründe dafür, dass sich die Europäische Union in einer tiefen Krise befindet. Sie wurde in der Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrags in Frankreich und den Niederlanden und dem Scheitern des letzten Gipfels sichtbar. Zwar gibt der Ausgang des Referendums in Luxemburg wieder ein wenig Auftrieb für die Ratifizierung des europäischen Verfassungsvertrags, aber der knappe Ausgang in einem Land, das große Vorteile aus der Mitgliedschaft in der Gemeinschaft gezogen hat, kann nicht befriedigen.Wir brauchen daher eine Europapolitik, die verloren gegangenes Vertrauen in die europäische Friedens- und Integrationspolitik zurückgewinnt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir wollen das Europa der Bürger stärken, die deutsche Europapolitik auf den Weg des fairen Miteinanders von größeren und kleineren Staaten zurückführen und den Menschen auf unserem Kontinent wieder Hoffnung für ihre Zukunft geben.

(Große Unruhe)

Darf ich um ein bisschen mehr Ruhe bitten?

Wir wollen, dass die europäische Politik wieder auf Vertrauen stößt und so die Unterstützung der Menschen findet. Die CDU sieht daher in der aktuellen Krise Europas die Chance für einen neuen Weg des politischen Miteinanders zwischen Institutionen und Bürgern. Dies wird allerdings nicht mit einem so genannten europäischen Gesellschaftsmodell gelingen. Der Ruf nach einer einheitlichen europäischen Beschäftigungs-, Steuer- und Sozialpolitik entspringt nicht selten dem Wunsch, die politische Verantwortung auf Europa abzuschieben, um notwendigen Reformen im eigenen Land entgehen zu können.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nein, die Ursachen beispielsweise von Arbeitslosigkeit sind primär in den jeweiligen Mitgliedstaaten zu suchen und können auch nur dort Erfolg versprechend bekämpft werden. Der EU kann hier nur eine unterstützende Aufgabe zukommen. Sie darf nicht zum Alibi für mangelnden Reformwillen in den Mitgliedstaaten werden. Die politische und wirtschaftliche Stabilität der Europäischen Union hängt ausschließlich von der Stabilität seiner Mitgliedstaaten, insbesondere auch von Deutschland ab, dem bevölkerungsreichsten und meines Erachtens chancenreichsten Land der Gemeinschaft.

(Minister Dr.Alois Rhiel: Das ist Selbstvertrauen!)

Wir brauchen in Deutschland wieder eine Politik der Klarheit und der Verlässlichkeit, um diese Chancen zu nutzen.

(Beifall bei der CDU)

Viele europäische Nachbarn sind nur deshalb erfolgreicher als wir,weil ihre Regierungen die Weichen anders gestellt haben. Wir sind überzeugt, dass in Deutschland die Wende zum Besseren möglich ist. Unser Ziel dabei ist

nicht die bessere Verteilung des Mangels, nein, meine Damen und Herren, unser Ziel ist die Rückkehr zu mehr Beschäftigung, Wachstum und Sicherheit, und auf diesen Weg wird die CDU unser Land wieder zurückbringen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Globalisierung verschärft den Wettbewerb innerhalb und außerhalb der Europäischen Union. Europa als Ganzes, Mitgliedstaaten, Regionen und Kommunen stehen in diesem Wettbewerb. Kapital, meine Damen und Herren, ist mobil. Standorte sind austauschbar. In einem vereinten Europa müssen die Regionen und Städte gezielt ihre Stärken ausgestalten und sich international positionieren. Der Ausbau der Flughäfen und Straßen in Hessen unterstützt dies ebenso wie die Umsetzung des Ballungsraumgesetzes, meine Damen und Herren.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ach du liebe Zeit! Was hat das mit Europa zu tun?)

Marktwirtschaft und Subsidiarität sind Zwillinge. In der Vielfalt der Unternehmen der Regionen und der Städte liegt die Chance für Innovation durch Wettbewerb, die Chance für ein kreatives Milieu,in dem sich immer wieder bessere Lösung entwickeln und am Markt durchsetzen.

Benchmarking, „best practice“ and „learning from the better of the best“,

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

das sind die Begriffe, die Methoden, die uns europäisch und global wettbewerbsfähig machen.

In diesem europäischen Verbund sind Regionen und Städte fit für die globale Liga. Das ist das Anliegen der CDU, und dafür arbeiten wir.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Helau!)

Gerade hier im Rhein-Main-Gebiet möchte ich deutlich machen: Die Zukunftssicherung einer Region und der Menschen in dieser Region erfolgt nicht durch Brüssel und auch nicht in Berlin.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Aber auch nicht durch Sie!)

Die Verantwortung für die Zukunft liegt in der Region selbst.Es ist nicht der Staat,der Bürgerbeteiligung schafft. Es ist nicht der Staat, der Wirtschaftswachstum erzeugt. Es ist nicht der Staat, der Arbeitsplätze zur Verfügung stellt. Es sind ganz wesentlich die lokalen Entscheidungsträger und die lokalen Unternehmer. Für sie schaffen wir Rahmenbedingungen,die Eigenverantwortung und Kreativität belohnen und so wirtschaftlichen Erfolg und Lebensqualität für alle Bürger möglich machen.

Die europäische Führung muss sich auf die Schwerpunkte der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Währungs- und Wirtschaftspolitik konzentrieren. Nicht jedes Problem in Europa ist auch eine Aufgabe für Europa.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Aufgabenfülle der Europäischen Union muss auf das Notwendigste beschränkt werden. Das Subsidiaritätsprinzip muss Maßstab für das Handeln der europäischen Institutionen sein. Dazu gehört eine klare Abgrenzung der

Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, Regionen und Kommunen.

Europäische Rechtsetzungsakte müssen besser auf ihre Notwendigkeit und ihre Folgen für Bürger,Wirtschaft und Verwaltung geprüft werden. Die europäische Chemikalienrichtlinie oder jüngst eine 42 Seiten umfassende Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer vor natürlichen Quellen optischer Strahlung – gemeint ist die Sonne – sind abschreckende Beispiele, wie die Kommission, über die gute Absicht hinausschießend, Arbeitsplätze gefährdet bzw. den Bürgern Mündigkeit und Eigenverantwortung Stück für Stück entzieht.

Meine Damen und Herren, Europa und seine Mitgliedstaaten stehen vor großen Herausforderungen. Sie belegen die Notwendigkeit für eine starke, handlungsfähige Europäische Union.

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Ich wiederhole: Das bedeutet jedoch nicht, dass die Europäische Union für nahezu alle Politikfelder zuständig sein müsste. So geht der europäische Vertrag denn auch vom Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung aus, d. h. von Hoheitsübertragungen der Mitgliedstaaten auf die EU nur in ganz bestimmten Bereichen. Der Verfassungsvertrag bedeutet für die erweiterte Union einen deutlichen Fortschritt. Die Ratifizierung muss daher weitergehen. Das Verharren bei dem Vertrag von Nizza wäre ein folgenschwerer Rückschritt. Die deutsche Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 muss die Voraussetzungen schaffen, die den Ratifizierungsprozess bis spätestens 2007 erfolgreich beenden.Auf alle Fälle müssen die wichtigen Elemente des Verfassungsvertrags zum Tragen kommen.

Meine Damen und Herren, der Verfassungsvertrag bringt uns weiter nach dem europäischen Motto:Einigkeit in der Vielfalt. Es ist besser geeignet als andere Entwürfe. Ein Amerikaner wie Jeremy Rifkin hat in seinem Buch „The European Dream“ Europa als überlegenes Zukunftsmodell beschrieben. Arbeiten wir alle zusammen, dass der europäische Traum Wirklichkeit wird.

(Beifall bei der CDU)

Denken wir alle daran, dass „more power of the regions“, mehr Einfluss der Regionen, die Grundlage dieser europäischen Wirklichkeit ist, weil nur so die Bürgerinnen und Bürger ihre ganz persönliche Heimat und Geborgenheit in Europa wieder finden und sich nur so wohl fühlen und unsere Politik unterstützen.– Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)