Protocol of the Session on July 13, 2005

Dann komme ich zu Punkt 10 der Tagesordnung:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Hessischen Landtags (Hessisches Abgeordnetenge- setz – HessAbgG) – Drucks. 16/4197 –

Gemeinsam damit rufe ich Tagesordnungspunkt 90 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Änderung der Verhaltensregeln für die Mitglieder des Hessischen Landtags – Veröffentlichung von Einkünften neben dem Mandat – Drucks. 16/4201 –

Ich darf Herrn Kaufmann vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteilen zur Begründung des Gesetzentwurfs und des Antrags.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch bei diesem Gesetzentwurf ist es sicher gut, wenn wir eine ruhige und gelassene Debatte führen; denn das Thema hat uns alle schon mehrfach beschäftigt. Es ist jetzt rund ein halbes Jahr her, dass die Debatte über die Nebeneinkünfte der Abgeordneten des Bundestages und der Landtage recht lautstark begann. Wie so oft war der Anlass eine Reihe skandalöser Fälle. Damals war es breiter Konsens in der Politik, dass bei den Nebentätigkeiten mehr Klarheit geschaffen werden müsse.In der Zwischenzeit ist es in vielen Landtagen, auch hier, eher still geworden. Einer zeigte auf den anderen.Aber eine gemeinsame Aktivität kam nicht zustande.

Meine Damen und Herren, wir, d. h. die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in diesem Hause, haben schon sehr früh, nämlich im Januar dieses Jahres, die ersten Vorschläge gemacht, um in Sachen Nebentätigkeit über eine Veränderung der Verhaltensregeln zu größerer Transparenz zu kommen. Wir haben seitdem mehrfach Vorstöße unternommen, um eine möglichst breite Zustimmung zu erhalten. Wir haben uns dabei immer wieder vertrösten oder hinhalten lassen mit Hinweisen, dass die Konferenz der Landtagspräsidenten erst tagen müsse, dass man auf Ergebnisse von Arbeitsgruppen warte, und zum Schluss, dass man erst einmal sehen wolle, was der Deutsche Bundestag mache.

Meine Damen und Herren, all dies ist geschehen. Der Deutsche Bundestag hat in der vorvergangenen Woche seine Beschlüsse zur Verbesserung der Transparenz gefasst, sodass es aus unserer Sicht jetzt keinen Grund mehr gibt, auf fehlende Entscheidungen zu verweisen. Der Bundestag hat eine Änderung des Abgeordnetengesetzes beschlossen.Er hat dies zwar nicht im Konsens getan,aber bei der Gesetzesänderung hat am Ende nur die FDP dagegen gestimmt.Mit Verlaub,ich halte dies gleichermaßen für nicht verwunderlich, aber auch für nicht beachtlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, schauen wir uns an, was inhaltlich vorgeschlagen wird. Wir wollen die Tätigkeiten, die ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete neben dem Mandat ausübt, zusammen mit dem, was er oder sie dafür an Einnahmen erzielt, nicht länger als Geheimnis betrachtet sehen, sondern aus der Grauzone ins Licht der Öffentlichkeit rücken. Damit machen wir zugleich deutlich, dass eine berufliche Tätigkeit neben dem Mandat überhaupt nichts ist – ich betone das –, was in irgendeiner Form anrüchig wäre, sodass man es etwa verbergen müsste.Aber es soll transparent sein, welche Art von Tätigkeit es ist und in welcher relativen Größenordnung die daraus erzielten Einkünfte, gemessen an der Abgeordnetenentschädigung, stehen.

Ich will es noch einmal klarstellen, weil es uns immer gern unterstellt wird: Niemand will die Tätigkeiten von Abgeordneten – sei es als Freiberufler, als Unternehmer, im

Rahmen eines Autorenvertrages, als Angestellter oder Selbstständiger – in ein schiefes Licht rücken. Aber es ist für Abgeordnete gewiss auch keine Zumutung, sondern sollte eher eine Selbstverständlichkeit sein, die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeiten zu unterrichten, auch über diejenigen außerhalb des Mandats.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, wir wissen doch: Über die politischen Aktivitäten berichten die Politiker von sich aus. Danach haben sie sogar ein relativ starkes Verlangen. Manche sprechen sogar von Sucht.Auch über weitere Aktivitäten wird gerne berichtet, ob über das Vereins- oder das Familienleben. Da kann man auf Homepages gucken oder die Homestories in den bunten Blättern lesen.Wenn man sich all das anschaut, kommt man doch zu einem Ergebnis: Da fehlt doch noch etwas. – Genau dies sollte im Rahmen einer umfassenden Unterrichtung über das, was die Abgeordneten tun, nun wirklich nicht vergessen werden. Deswegen wollen wir, dass eine entsprechende Angabe festgehalten wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, insbesondere von konservativer Seite wird gegen eine Veröffentlichung der Einkommensdaten, die dabei eine Rolle spielen, immer wieder mit allem Möglichen argumentiert, sei es mit dem Datenschutz oder sonstigen Verfassungsrechten. Ich glaube nicht, dass diese Argumente durchgreifen. Ich meine vielmehr, dass sie wohl dazu benutzt werden, sich gegen mehr Transparenz im Grundsatz zu sperren. Denn wenn das, was dort zum Teil vorgetragen wird, wirklich zutreffen würde, dürften wir auch die Diäten nicht veröffentlichen, und auch die Gehälter im öffentlichen Dienst müssten geheim bleiben. Wie wir alle wissen, ist das aber nicht der Fall. Deswegen unterstreiche ich: Wir meinen, wer ein öffentliches Mandat oder ein öffentliches Amt ausüben will, der genießt die Rechte, die damit verbunden sind, er unterliegt aber gleichzeitig auch den Pflichten, die damit verbunden sind oder sein sollten.

In diesem Zusammenhang will ich noch einmal daran erinnern, dass sich „Republik“ von res publica, also der „öffentlichen Sache“, ableitet. Das hat nach unserer Auffassung den deutlichen Aufforderungscharakter, weniger als bisher im Verborgenen zu agieren.

Ich gehe nun noch konkret auf eine Pressemitteilung der FDP vom 7. Juli ein, in der uns vorgehalten worden ist, dass alles unklar und unausgegoren sei.Wenn ich auf diesen Punkt komme, scheint mir das ein typischer Fall von Verweigerungsproblematisierung zu sein. Man sucht mit der Lupe ein Problem und versucht absichtlich, meiner Ansicht nach wider besseres Wissen, etwas herauszupräparieren und damit zu begründen, dass alles Mist sei.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Meine Damen und Herren, die FDP macht sich Gedanken über die Begriffsbildung der Bruttoeinkünfte und zieht sogar das Standardwerk von Norbert Andel zurate. Sie gibt uns kund, uns und der Öffentlichkeit insgesamt, dass man zwischen Brutto-, Minimalentgelten, Bruttonaturalentgelten, hinzugerechneten Einkünften, Lohnersatzleistungen, Wertzuwächsen, Erbschaften und Geschenken, Glücksspielgewinnen und, und, und unterscheiden müsse.Meine Damen und Herren,man stellt fest,dass

das alles Blödsinn ist, wenn man unseren Antrag richtig liest.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da steht nämlich ganz eindeutig, dass sich die Einkommensangaben, genauer gesagt, die Angaben zu Einkünften, auf das beziehen sollen, was zu den Kategorien mitzuteilen ist.

(Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Da geht es weder um Lottospiel noch um Vermögensverwaltung. Da geht es um Tätigkeiten. Die sind schon bisher in unseren Verhaltensregeln klar definiert. Meine Damen und Herren,von daher denke ich,dass das in die Irre führt und nur den Verdacht nahe legt, man wolle es gar nicht. Dann soll man es aber auch klar sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Ich würde das bedauern.Ich stehe auch hier,um bei Ihnen dafür zu werben, dass Sie nicht sagen: „Wir wollen es gar nicht.“ Ich stehe hier, damit wir gemeinsam eine Lösung finden und zu einem Ergebnis kommen. Meine Damen und Herren, wir wollen, dass die Tätigkeiten der Abgeordneten neben dem Mandat dem Grunde und der Höhe nach öffentlich bekannt gegeben werden. Wir wollen die Höhe in analoger Weise zu den Regeln im Bundestag festlegen, nämlich nicht exakt in Euro und Cent, sondern in Form einer Kategorisierung.

Dabei übernehmen wir vom Bundestag in unserem Vorschlag auch die Regelung, Einkünfte bis 1.000 c im Monat – das sind 12.000 c im Jahr – von der Veröffentlichung freizustellen. Ich sage ganz offen, dass wir diese Grenze aus grüner Sicht für eine eher hohe Grenze halten. Man könnte auch niedriger gehen. Um hier aber eine Brücke zu bauen, und weil bei dieser Grenze sicher ist, dass alle üblichen Einkünfte, die aus politischen und sonstigen Mandaten sowie Tätigkeiten am Rande der Ehrenamtlichkeit und Sonstiges zusammenlaufen, allemal mit abgedeckt sind, sind wir bereit, zu sagen: Okay, da wäre es im Einzelnen vielleicht auch zu aufwendig, Dokumente zu führen.

Meine Damen und Herren, die Kategorisierung der Einkünfte erfolgt deshalb auch nicht in der absoluten Höhe, sondern wie im Bundestag in der Relation. Der Bundestag hat gesagt, es mache Sinn, alles an der Abgeordnetenentschädigung zu messen. Das schlagen wir hier auch vor. Das heißt,wir schlagen vor,drei Kategorien zu bilden.Die erste Kategorie ist jenseits der 1.000 c im Monat, die zweite dann ungefähr bei der Hälfte der Diät – gleich 39.000 c im Jahr –, die dritte bei der vollen Diät – gleich 78.000 c im Jahr – und darüber. Das ist zur Orientierung eine hinreichende Information und ausreichend, um die Information zu gewährleisten. Das sorgt zugleich dafür – das ist mir wichtig –, dass alle Befürchtungen, die insbesondere im Hinblick auf die Freiberufler geäußert wurden, damit vollständig unbegründet sind. Durch eine Angabe der Einkünfte in den genannten Kategorien wird kein Selbstständiger oder Freiberufler in irgendeiner Weise im Hinblick auf seine Konkurrenz benachteiligt.

Ich kann es Ihnen gerne anhand eines Beispiels vorführen. Nehmen Sie an, wir würden das so beschließen. Dann stünde im Handbuch z. B.: Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt, Einkünfte nach Kategorie 2. – Oder ein zweites Beispiel: selbstständiger Unternehmer in der Textilbranche,Einkünfte nach Kategorie 3.– Dann weiß jeder

Leser, wie er die Tätigkeit des Genannten im Vergleich zu dem Mandat einstufen soll. Es ist niemand geschädigt. Ich denke, der Informationswert wird deutlich verbessert.

Meine Damen und Herren, ich will klar darauf hinweisen, was in unserem Vorschlag, der aus einem gesetzlichen Verweis und dem konkreten Ergänzungsvorschlag für die Verhaltensregeln besteht, nicht enthalten ist. Es sind ausdrücklich keine Sanktionen enthalten.Wir schlagen keine Sanktionen vor, nicht weil wir damit Probleme hätten, sondern weil wir denken, dass es für die Zustimmung hilfreich ist, wenn man zunächst einmal auf Sanktionen zusätzlicher Art verzichtet. Wir haben derzeit auch keinen Anlass, über Sanktionen bei uns nachzudenken. Ich finde, das ist ein guter Zustand. Wenn aber die Meinung im Hause ist, dass man dies hinzufügen sollte, signalisiere ich gleich an dieser Stelle, dass dies an uns mit Sicherheit nicht scheitern wird.

(Beifall des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, im Übrigen soll die Tätigkeit der Politikerinnen und Politiker insbesondere von der Öffentlichkeit und von den Medien beobachtet werden. Das wird sie auch. Sie wird damit auch kontrolliert. Die bisherigen Beispiele, die wir kennen, weisen ganz eindeutig darauf hin, dass diese Kontrolle sehr gut funktioniert hat. Uns allen sind einige abrupte Enden von politischen Karrieren bekannt.

Zum Abschluss sage ich: Wir glauben, dass der Schritt zu mehr Transparenz der entscheidende Schritt ist und dass wir ihn jetzt gehen sollten. Ich lade Sie alle ein, mit uns eine Lösung zu finden. Ich sagte schon:Wir sind auf jeden Fall gesprächsbereit.Wir glauben allerdings, dass ein noch längeres Zuwarten in dieser Frage nicht vertretbar ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke sehr, Herr Kaufmann. – Wir fahren in der Aussprache fort. Ich darf Frau Beer für die Fraktion der FDP das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Kaufmann, ich bleibe für die FDPFraktion dabei,dass ich den Vorschlag,den die GRÜNEN heute zur Offenlegung der Nebeneinkünfte unterbreiten, für unausgegoren und populistisch halte.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, er geht auch an dem eigentlichen Problem vorbei, das zu Mandatsaufgaben, wie Sie sie erwähnt haben, geführt hat. Das Problem im Kern ist Folgendes: Erstens. Die Nebentätigkeiten von Abgeordneten sollen bekannt sein, damit eventuelle Interessenkollisionen aufgedeckt werden können und verhindert werden kann, dass diese z. B. bei Abstimmungen und in anderen Fällen zum Tragen kommen. Sehr geehrter Herr Kollege,dies ist in Hessen schon seit langem geregelt:Vergleiche Ziffer I der Verhaltensregeln für Abgeordnete in diesem Hause.

(Beifall bei der FDP)

Zweitens. Die Bezahlung für tatsächlich nicht geleistete Arbeit soll verboten sein. Das heißt, so genannter bezahlter Lobbyismus ist nicht erlaubt. Das ist in Hessen ebenfalls seit langem geregelt:Vergleiche Ziffer V unserer Verhaltensregeln.

(Beifall bei der FDP – Reinhard Kahl (SPD):Aber keine Kontrolle!)

Man könnte allenfalls darüber nachdenken – Herr Kollege Kaufmann, und ich wundere mich, dass Sie dies wiederum nicht erwähnen –, ob es notwendig ist, Rückforderungsregeln oder sonstige Arten von Sanktionen für den Fall vorzusehen, dass ein Verstoß gegen die Angaben, vor allem im Hinblick auf das Verbot der bezahlten „Nicht-Tätigkeit“, wie ich es einmal nennen möchte, erfolgt.

Der GRÜNEN-Vorschlag hingegen stößt auf massive verfassungsrechtliche Bedenken

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

im Hinblick auf Grundrechtseingriffe bei den Abgeordneten. Ich bin schon etwas erstaunt, Herr Kollege Kaufmann, dass gerade Sie als eine Fraktion, die immer so die Fahne der Grundrechte vor sich herträgt, diese verfassungsrechtlichen Bedenken, die sehr massiv gerade auch bei den entsprechenden Anhörungen im Deutschen Bundestag vorgetragen wurden, so lapidar beiseite wischen.

Ich kann für die FDP-Fraktion nur betonen, dass ein Abgeordneter seinen Grundrechtsschutz in seiner Eigenschaft als Bürger mit der Annahme seines Mandats nicht verliert.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Er bleibt weiterhin Grundrechtsträger, Herr Kollege Kaufmann. Dies geht nicht im Status des Landtagsabgeordneten auf. Die Berufung auf seine Grundrechte ist dem Abgeordneten nur in Bezug auf seinen Status als Abgeordneter versagt, aber nicht in dem Bereich, der über das Abgeordnetendasein hinausgeht.

Von daher ist es eben so, dass die Veröffentlichung von Einkommensklassen aus dem nebenberuflichen Bereich, also gerade nicht dem Abgeordnetenbereich, einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt.Wenn Sie sich einmal die juristische Fachliteratur dazu ansehen,stellen Sie fest,das gilt auch für die von Ihnen vorgesehene gestufte Veröffentlichung. Das erkennen Sie, wenn Sie es an den Grundsätzen messen, die das Bundesverfassungsgericht für dieses Grundrecht festgehalten hat, dass nämlich Eingriffe nur aus überwiegendem Allgemeininteresse erlaubt sein können, dass der Verwendungszweck bereichsspezifisch geregelt sein muss und dass vor allem ein Schutz gegen Zweckentfremdung gewährleistet sein muss. Gerade am letzteren Punkt, nämlich dem Schutz gegen Zweckentfremdung, aber auch schon bei der Frage des bereichsspezifischen Verwendungszwecks kommen Sie über die Hürde der Verfassungswidrigkeit nicht hinweg, Herr Kollege.