Protocol of the Session on July 12, 2005

Dazu wird noch Tagesordnungspunkt 115 aufgerufen:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend wirksamer Verbraucherschutz statt Bevormundung und ideologisch motivierter Verbraucherlenkung – Drucks. 16/4232 –

Die Redezeit beträgt 15 Minuten je Fraktion. Das Wort hat Frau Kollegin Hölldobler-Heumüller für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Kollegin HölldoblerHeumüller, bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Bürger haben ein Recht auf Verbraucherschutz und Information. Gleichzeitig sind Information und Aufklärung nach grüner Auffassung eindeutig Faktoren, die die Wirtschaft langfristig stärken. Eines stellt sich nämlich immer mehr heraus: Das Vertrauen der Verbraucher wird auf einem globalen Markt ein immer wichtigeres Kapital für die Unternehmen. – Genau dieses Vertrauen wollen die GRÜNEN mit ihrer vorsorgenden Verbraucherpolitik in Bund und Land stärken.

(Beifall der Abg. Frank-Peter Kaufmann und Ur- sula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

CDU und FDP wollen dem Gedanken, die Bürger zu schützen, nicht Rechnung tragen. Das kennen wir. Man könnte aber davon ausgehen, dass sie zumindest dem Aspekt der Förderung der Wirtschaft aufgeschlossen gegenüberstehen. Sie behaupten doch ansonsten immer gerne, Sie seien die Einzigen im gesamten Land, die etwas von der Wirtschaft verstünden. Aber an der Verbraucherpolitik, die Sie in Bund und Land betreiben, wird etwas ganz klar deutlich: Sie verstehen nicht nur nichts von Wirtschaftspolitik, Sie stehen auch für den Abbau der Verbraucherrechte. Sie betreiben eine einseitige Klientelpolitik zugunsten der Produzenten. Wenn es darum geht, den Verbraucherschutz zu verbessern, halten Sie nur Sonntagsreden.

(Beifall der Abg. Frank-Peter Kaufmann und Ur- sula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

CDU und FDP haben bei den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss, die zum Thema Lebensmittel- und Futtermittelrecht im Juni dieses Jahres stattfanden, wieder dafür gesorgt, dass Rechte für eine bessere Information der Verbraucher schon zum zweiten Mal innerhalb

von drei Jahren gekippt wurden. Dieses Mal ging es um das Recht der Verbraucher, bei Behörden vorliegende Informationen einsehen zu können, die Aufschluss über die Arbeit der Behörden, über Untersuchungen, die auf der Grundlage des Lebensmittel- und Futtermittelrechts erfolgten, und deren Ergebnisse geben könnten. Dabei geht es um bestimmte Bedarfsgegenstände, wie z. B. Kosmetik.

Nach meiner Rundreise, die dem Verbraucherschutz galt, kann ich mir allerdings vorstellen, dass es den Mitgliedern der CDU bei dem Gedanken gruselt, dass die Bürger Einsicht in ihre Arbeit nehmen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU)

Aber vielleicht könnten sich die Mitglieder der CDU doch endlich einmal zu der Erkenntnis durchringen, dass die Verwaltung den Bürgern dienen soll und nicht dem Verschleiern. Das gilt insbesondere, wenn Bürger buchstäblich mit gesundheitsschädlichem Mist gefüttert werden sollen, mit dem sich andere eine goldene Nase verdienen wollen.

Den zweiten Versuch unternahm die CDU am letzten Freitag im Bundesrat. Da wollte man nämlich das Verbraucherinformationsgesetz zu Fall bringen. Da hatte sie aber die Rechnung ohne die Mitglieder der FDP gemacht. Wir haben Wahlkampfzeiten. Die Mitglieder der FDP hatten sich wohl gedacht, sie müssten endlich einmal etwas für ihre Glaubwürdigkeit tun. Die FDP möchte sich so gerne als Bürgerrechtspartei profilieren. Dann haben sie gedacht, sie müssten irgendetwas einmal dafür tun. Sie haben sich dann bei der Abstimmung der Stimme enthalten. Sie haben sich immerhin der Stimme enthalten. Dadurch konnte dieser Gesetzentwurf den Bundesrat passieren.

Meine Damen und Herren der hessischen FDP – sehr viele sind jetzt nicht da –, vielleicht kann uns Herr Heidel heute erklären,warum die FDP auf Bundesebene die Passage zur Information der Verbraucher,die im Rahmen des Lebensmittel- und Futtermittelrechts vorgesehen war, abgelehnt hat. Den Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes hingegen ließ sie passieren.

Hier im Hessischen Landtag haben Sie heute die Chance, die dritte Variante vorzuführen. Sie könnten nämlich einen Schritt weitergehen und dem Abschnitt unseres Antrags zustimmen, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, einen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz auf Landesebene vorzulegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Gesetz würde den Bürgern ermöglichen, Informationen von Behörden auf Landesebene einzufordern. Die Bürger würden damit die Gelegenheit erhalten, sich auf allen Ebenen umfassend zu informieren. Sie könnten dann unabhängig und kompetent Entscheidungen für sich und ihre Familien für alle Bereiche des Alltags treffen. In anderen Bundesländern, wie z. B. in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, funktioniert das ziemlich gut.

Dass die hessische CDU Transparenz wie der Teufel das Weihwasser fürchtet, wissen wir ziemlich gut. Dass Sie mit dem Schutz der Verbraucher nichts am Hut haben, wissen wir auch. Auch der Hessische Ministerpräsident stellt das gerne immer wieder einmal unter Beweis. Dies tat er z. B., als es um die REACH-Richtlinie ging. Dabei ging es um die Transparenz hinsichtlich chemischer Stoffe und um den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer.

Dazu gibt es eine Presseerklärung der Staatskanzlei, die eineinhalb Seiten lang ist. In dieser Presseerklärung kommen weder das Wort „Verbraucher“ noch das Wort „Gesundheit“ oder das Wort „Arbeitschutz“ vor. In dieser Presseerklärung wird aber beklagt, es gebe unverhältnismäßig hohe Wettbewerbsnachteile. Außerdem wird darin – ich zitiere – „eine unternehmensfreundlichere Linie“ gefordert.

So kennen wir die hessische CDU. Sie will den Schutz der Unternehmer. Ob die Rechte der Verbraucher auf der Strecke bleiben, ist egal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jürgen May (SPD))

Die Chancen, die die neuen Umwelttechnologien und der Verbraucherschutz bieten,könnte man nutzen und daraus weltweit geltende deutsche Qualitätsmerkmale machen. Man könnte das also zu einem Verkaufsargument machen, wenn man nicht so rückwärts gewandt denken würde, wie es die Mitglieder der CDU in Hessen tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Motivation der Landesregierung, mit der Brechstange gegen die Gesetzentwürfe des Bundes zum Verbraucherschutz vorzugehen,mag in beidem begründet liegen. Zum einen mag dies in der kurzsichtigen Sichtweise begründet sein, derzufolge wirtschaftliche Interessen und Verbraucherschutz natürliche Gegenpole seien. Zum anderen hofft man dabei vielleicht, die Erfolge unseres von GRÜNEN geführten Verbraucherministeriums in Berlin torpedieren zu können. Dort wurde nämlich dem Verbraucherschutz zu einer neuen Dimension verholfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit einer entschiedenen Haltung wurde dort erreicht, dass der Verbraucherschutz auch auf Finanzdienstleistungen, Verträge und andere Dienstleistungen ausgedehnt wurde. Das hofft Schwarz-Gelb im Falle eines Wahlsiegs wieder zunichte machen zu können. Das ist unverantwortlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung hat angekündigt, man werde im Falle eines Wahlsiegs erreichen wollen, dass der Entwurf des von Rot und Grün eingebrachten Entwurfs für ein Änderungsgesetz zum Telefonrecht in den Reißwolf geworfen wird. Auf Initiative der GRÜNEN sollen damit weitere umfassende Vorschriften, die den Verbraucher schützen und Transparenz schaffen sollen und die sich auf Telefon- und Handykunden beziehen, in das Telekommunikationsgesetz integriert werden. Dies soll z. B. durch eine so einfache Sache wie die erreicht werden, dass Preise vor einem Telefongespräch angesagt werden müssen. Das ist gerade für den Schutz jungendlicher Verbraucher von entscheidender Bedeutung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer weiß, welche horrenden Summen Kids für Klingeltöne ausgeben, der weiß, wie nötig dort Transparenz ist. Das zu erreichen, will die Hessische Landesregierung in Berlin aber verhindern.

Wenn man sich die Lage der Verbraucherschutzpolitik in Hessen anschaut, merkt man, dass sich Hessen zum Vorreiter der Operation „düstere Zeiten für den Verbraucher“ gemacht hat. Minister Dietzel ist hinsichtlich eines wirtschaftlichen Verbraucherschutzes ahnungslos. Unter seiner Verantwortung musste die Verbraucherzentrale ihr

Personal von 55 auf 38 Mitarbeiter reduzieren. Der Großteil des Angebots kann nur noch aufgrund von Mitteln aufrechterhalten werden, die das Verbraucherministerium des Bundes zur Verfügung stellt. Über so wichtige Themen wie Alterssicherung, Finanzierung eines Hauses, Vertragsabschlüsse oder Bankgeschäfte sollen zukünftig ehrenamtliche Laien informieren. Eine Internetseite soll als Alibi für den flächendeckenden Verbraucherschutz fungieren. Die Debatte dazu ist Ihnen bekannt.

Die Marketinggesellschaft GUTES AUS HESSEN GmbH hat sich den Vertrieb gentechnikfreier Produkte auf die Fahnen geschrieben. Während des Hessentags wurde an deren Stand eine Broschüre verteilt, in der für Produkte aus Gentechnik geworben wurde. Sie wissen überhaupt nicht, wohin Sie wollen – überhaupt nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe, wie Frau Kollegin Apel schon wieder Luft holt, um ihren Kanon herunterbeten zu können: „Wir haben doch...“ – Wir wissen, Sie haben für die Lebensmittelkontrolle zusätzliches Personal angestellt. Das feiern Sie als großen Erfolg.Wir finden es gut,dass Sie das getan haben. Immerhin hat die Politik, die Sie in den letzten sieben Jahren betrieben haben, einen guten Aspekt. Es ist also kein Wunder, dass Sie das immer ansprechen müssen.

Sie wissen aber auch, dass Sie nicht im Geringsten für die Anforderungen gerüstet sind, die der Verbraucherschutz in den nächsten Jahren stellen wird. Deswegen haben Sie sich mit einem Federstrich der Verantwortung entzogen. Sie haben die Ämter für Verbraucherschutz und Veterinärwesen kommunalisiert. Das erfolgte natürlich auf der Grundlage der mangelhaften finanziellen Ausstattung der letzten Jahre. Im letzten Sommer versiegte sogar der Sprit für die Kontrolleure. Natürlich erfolgt das alles auf einem finanziell und technisch völlig unzureichendem Stand.

Die Kommunalisierung war nach unserer Auffassung eine Maßnahme ohne Sinn und Verstand. Die jetzt verantwortlichen Landräte verfügen nicht über ausreichende Mittel. In diesem Jahr wurden ihnen die Mittel noch nicht einmal zugewiesen. Es wird bei der Lebensmittelsicherheit und dem Tierschutz in Hessen keinen einheitlichen Vollzug mehr geben. Das eröffnet Möglichkeiten, die zu Sodom und Gomorrha führen können. Das ist ein Skandal. Das werden die Bürger aber erst bemerken, wenn die Kontrollen wieder einmal versagt haben werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jürgen Walter (SPD))

Wenn man dann fragt, wer die landrätlichen Behörden kontrolliert, kommt die Antwort unseres Ministers für rückwärts gewandten Verbraucherschutz genauso schlicht wie ergreifend: Die Landesregierung ist nicht mehr zuständig. – Das schreibt er als Antwort auf eine Kleine Anfrage der GRÜNEN.Das ist die Politik für Verbraucher in Hessen à la CDU.

(Unruhe)

Einen Moment, Frau Abgeordnete. – Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Sie sind noch nicht viel aufmerksamer.

Das ist die Politik für Verbraucher in Hessen à la CDU: eine dicke Lippe für den angeblichen Schutz der Verbraucher riskieren, aber gleichzeitig, aus der Verantwortung flüchtend – das scheint momentan angesagt zu sein –, auf Bundesebene alle Anstrengungen, eine Stärkung der Verbraucherrechte zu erreichen, blockieren. In diesem Sinne können wir auch nur Ihren Antrag interpretieren, dass Sie in letzter Minute noch händeringend etwas gesucht haben, was Sie über wirtschaftlichen Verbraucherschutz zusammenschreiben können. Das ist ein Schaufensterantrag und sonst nichts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da sind dann doch die Bundes-CDU und -FDP ehrlicher, die einfach sagen: Hau weg mit dem Verbraucherministerium. – Da frage ich Sie dann doch, meine Damen und Herren von CDU und FDP: Haben Sie eigentlich komplett vergessen, warum wir auf Bundesebene ein Verbraucherministerium eingerichtet haben? Haben Sie den BSE-Skandal vergessen, den Dioxin-Skandal, Altöl in Futtermitteln und vieles andere komplett vergessen? Haben Sie vergessen, wie die Rindfleischmärkte in BSE-Zeiten zum Schaden der Landwirtschaft zusammengebrochen sind, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher mit den Füßen abgestimmt haben? Haben Sie vergessen, dass sich Renate Künast für bessere Bahntarife, für mehr Fahrgastrechte, faire Handytarife für Kinder, Schutz vor Abzocke beim Telefonieren, Schutz vor Abzocke im Internet,Kennzeichnung von Genprodukten,gesunde Ernährung, Transparenz bei Tabakinhaltsstoffen, Konkursschutz bei Versicherungen und vieles, vieles mehr eingesetzt hat? Soll das alles wieder den Interessen der Produzenten preisgegeben werden?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Ankündigung von CDU und FDP für den Fall eines Wahlsiegs heißt nichts anderes als eine Komplettrasur des Verbraucherschutzes in Deutschland. Union und FDP haben aus der Vergangenheit nichts gelernt und wollen in diesem Bereich nach dem Motto handeln: vorwärts in die Vergangenheit. Das ist eine Kampfansage an die Bürgerinnen und Bürger und ihre mühsam erstrittenen Verbraucherrechte in diesem Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jürgen Walter (SPD))

Nur mit den GRÜNEN wird es auch weiterhin eine umfassende und vorsorgende Verbraucherpolitik und eine Stärkung der Selbstbestimmung und Eigenverantwortung des Verbrauchers geben.

(Lachen bei der CDU)

Renate Künast hat das gezeigt. Sie hat sich als Verbraucherministerin für ein breites Feld von Themen eingesetzt. Aufblühen wird der Verbraucherschutz in Zukunft nur mit den GRÜNEN. Im Fall eines Regierungswechsels kann man für den Verbraucherschutz nur eines ganz sicher sehen,nämlich rabenschwarz.Die Hessische Landesregierung hat vorgemacht, wie das geht.