Diese Regelungstechnik hat zur Konsequenz, dass der parlamentarische Gesetzgeber die Grundsatzentscheidung für die Errichtung des Klinikums treffen und zu der materiellen Privatisierung ermächtigen soll, ohne dass die durch beide Vorgänge aufgeworfenen Rechtsfragen auch nur annähernd beantwortet sind.
Ich zitiere außerdem aus der Stellungnahme von Prof.Ebsen, ebenfalls Rechtsprofessor an der Uni in Frankfurt:
Eine Regelung über die Umwandlung eines Universitätsklinikums in eine Handelsgesellschaft wirft nämlich in noch schärferer Weise als schon die rechtliche Verselbstständigung der Universitätsklinika als rechtsfähige Anstalten das Problem auf,wie die objektiv-rechtliche Pflicht zur Wahrung einer die Forschungsfreiheit sichernden Organisation erfüllt werden kann. Das sind wesentliche Fragen, die nicht dem Verordnungsgeber oder gar dem jeweiligen privatrechtlichen Gründungsinstrument... überlassen bleiben können.
Meine Damen und Herren, das sind klare Worte. Wenn Sie die Fusion jetzt so schnell durchziehen wollen, dann könnten Sie das auch ohne die Ermächtigung zur Privatisierung. Wir haben mit unserem Änderungsantrag beantragt, § 5 zu streichen, wodurch ein Großteil der Risiken, die in der Privatisierung stecken, aus dem Gesetz herausgenommen würde.
Ich wiederhole die Risiken hier noch einmal in der Hoffnung, dass die Argumente heute bei Ihnen ankommen. § 5 birgt enorme verfassungsrechtliche Bedenken,da er zu einer Privatisierung über Rechtsverordnung ermächtigt. Es gibt erhebliche weitere rechtliche Bedenken bei der Überleitung des Personals, die wir mit unserem zweiten Änderungsantrag zum Gesetz heilen wollen. Es gibt erhebliche Bedenken, ob ein Privater die Freiheit von Forschung und Lehre ausreichend gewährleisten kann. Hier wird es eindeutig eine Interessenkollision zwischen dem Privaten und der Wissenschaft geben. Diese Frage muss dringend beantwortet sein, bevor man mit einer Privatisierung experimentiert.
Zudem ist die Sicherung der Freiheit von Forschung und Lehre entscheidend für die Frage, ob ein privat betriebenes Klinikum Hochschulbauförderungsgelder erhalten darf. Hier besteht ein finanzielles Rückzahlungsrisiko – ich habe das am Dienstag schon ausgeführt – von 300 bis 400 Millionen c. Hinzu kommt ein weiteres finanzielles Risiko bei der Ablösung der VBL, der Altersversorgung der Landesbediensteten, die das Land ebenfalls zwischen 300 und 400 Millionen c kosten könnte.
Es gibt noch weitere finanzielle Risiken und die Notwendigkeit von Investitionen von mindestens 200 Millionen c in Gießen. Summiert man die finanziellen Risiken, so kommen wir auf eine Risikosumme von 1 Milliarde c.
Meine Damen und Herren, all diese Risiken sind bisher nicht geprüft, und die zahlreichen offenen Fragen insbesondere in Bezug auf die grundgesetzlich geschützte Freiheit von Forschung und Lehre sind immer noch nicht beantwortet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wir haben mit unserem Änderungsantrag Drucks. 16/4119 einen Antrag gestellt,der die Fusion erlaubt,mit der Streichung des § 5 aber all diese weit reichenden Folgen für das Land, für die Wissenschaft und auch für die Region ausklammern würde. Ich bitte Sie wirklich inständig, diesem Antrag zuzustimmen.
Jeder Einzelne von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, trägt hier Verantwortung. Da es hier um wirklich sehr weit reichende Folgen geht, beantragen wir für den Antrag Drucks. 16/4119 eine namentliche Abstimmung. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Sorge und auch Herr Kollege Spies, zunächst einmal halte ich fest: Ernsthafte Argumente gegen die Fusion haben Sie nicht vorgebracht.
(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Darum geht es auch gar nicht! – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Gegenruf des Abg. Peter Beuth (CDU):Worum geht es denn sonst?)
Moment, Frau Hinz. Lesen Sie einfach noch einmal das Gesetz durch. – Herr Kollege Spies, wir zerstören keine Struktur.Wir stärken die Krankenversorgung, wir stärken die Standorte in Marburg und Gießen, und wir stärken Forschung und Lehre.Auf die verfassungsrechtlichen Aspekte gehe ich später noch ein.
Im Augenblick nicht. Schönen Dank, Herr Präsident. – Nach dem, was Sie am Dienstag, aber auch heute wieder gesagt haben, gibt es noch eine Menge zu sagen. Es gibt auch eine ganze Menge klarzustellen.
Herr Kollege Spies, Sie haben am Dienstag gesagt, alle Beteiligten müssten einbezogen werden,müssten beteiligt werden. – Ich sage es zum wiederholten Mal, und ich sage es auch ganz deutlich: Seit Anfang dieses Jahres gibt es eine Steuerungsgruppe. Es gibt mehrere Projektgruppen. Vertreten sind dort u. a. die Ärztlichen Direktoren, die Kaufmännischen Direktoren, die Dekane, die Personalratsvorsitzenden, die Pflegedienstleitungen. Zu sagen, die Beteiligten seien nicht eingebunden, entbehrt also jeder Grundlage.
Frau Kollegin Sorge, Sie sprachen am Dienstag die Verantwortung für die ungefähr 10.000 Beschäftigten an. Genau um diese Verantwortung für diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht es uns.
(Gerhard Bökel (SPD): Lassen Sie eine Frage zu! Sonst müssen wir intervenieren, und es dauert länger!)
Die Universitätskliniken Marburg und Gießen sind mit die größten Arbeitgeber dieser Region. Ich habe es am Dienstag schon einmal gesagt:Wenn der Wissenschaftsrat uns sagt, von den 35 Universitätskliniken in Deutschland sind 15 in ihrer Existenz bedroht, dann sage ich ganz deutlich:Wir wollen nicht, dass Gießen und Marburg zu diesen 15 gehören.
Dann reden Sie immer von einem rechtswidrigen Zustand – das haben Sie am Dienstag auch gesagt, Frau Sorge –, wenn das Vorschaltgesetz schon zum 01.07. in Kraft tritt und das Uniklinikgesetz erst später eingebracht wird. Das haben Sie am Dienstag gesagt, das können wir alles nachlesen. Dieser Vorwurf ist absolut absurd.
Jetzt komme ich zu Ihrem Änderungsantrag. Dazu frage ich ganz einfach: Warum haben Sie Ihren Änderungsantrag nicht schon am Dienstag in der Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst eingebracht? Das hätten Sie gut machen können.
Liebe Frau Sorge, Sie können nicht sagen, dass in der Zeit von Dienstag bis Mittwoch – einen Tag später lag er auf dem Tisch – die Erkenntnis über Sie gekommen wäre.
(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben am Dienstagabend doch selbst noch eine Änderung eingebracht!)
Frau Sorge, entschuldigen Sie, wenn ich das so hart formuliere, aber Sie haben genau wie der Kollege Spies den Unterschied zwischen einer formalen Privatisierung und einer materiellen Privatisierung nicht verstanden.
(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein! – Dr.Thomas Spies (SPD): Frau Oppermann, ich habe es gerade erklärt!)
Bei diesem Gesetzentwurf, über den wir heute abschließend in dritter Lesung beraten, geht es um die formale Privatisierung. Ich darf Sie herzlich bitten: Lesen Sie sich den § 5 durch, bevor Sie ihn streichen wollen.
Herr Staatsminister Corts hat am Dienstag klipp und klar gesagt, dass die Fragen zu Forschung und Lehre im Uniklinikgesetz geregelt werden.
(Michael Siebel (SPD): Jetzt zitieren Sie doch nicht Herrn Corts! Da gibt es doch Bessere! – Zuruf der Abg.Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Noch einmal langsam zum Mitschreiben, Frau Kollegin Sorge: Die Absicherung von Forschung und Lehre wird gesetzlich geregelt.
Jetzt komme ich auf das zurück, was Sie eben zitiert haben. Die Verfassungsrechtler Prof. Wieland und Prof. Ebsen haben in der Anhörung gesagt, dass die Fragen der Wissenschaft, von Forschung und Lehre in einem Gesetz zu regeln sind und nicht durch eine Rechtsverordnung. Die Fragen von Forschung und Lehre werden in einem Gesetz geregelt, nämlich im Uniklinikgesetz. Insofern sind die Fragen von Forschung und Lehre überhaupt nicht Gegenstand dieses Gesetzentwurfes. Ich wiederhole es zum x-ten Male: Sie werden im Uniklinikgesetz geregelt.
Noch ein Wort zu Ihnen, Herr Spies, aber auch zu Ihnen, Frau Sorge, weil Sie das gerade gesagt haben. Herr Spies, Sie haben am Dienstag gesagt, das Land riskiere 1 Milliarde c,um eine Bürgschaft für 200 Millionen c bei einem PPP-Modell nicht zu übernehmen.
Lieber Herr Spies, vor vier Wochen haben Sie noch gesagt, das Risiko liege bei 400 Millionen c. Nach zwei Wochen waren es 700 Millionen c, und seit Dienstag sind wir bei 1 Milliarde c. Sie nehmen die Zahlen aber auch gerade so, wie es Ihnen passt.
(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt überhaupt nicht! – Dr.Thomas Spies (SPD): Da sehen Sie einmal, was Sie im Vorfeld alles nicht erkannt haben! Wie wir die Brocken herbeisuchen müssen!)
Herr Kollege Spies, was Sie nicht erkannt haben: Der Investitionsstau in Gießen ist ein Bereich, der von einem privaten Betreiber zu beheben ist.
Der andere ist aber auch in Marburg. Sie kennen die Lage in Marburg mindestens genauso gut wie ich. Sie wissen, dass der erste Bauabschnitt mehr als 20 Jahre alt ist. Sie wissen auch, dass es neben dem zweiten Bauabschnitt auch noch Kliniken im Lahntal gibt, die in Zukunft investitionsmäßig nicht zu vernachlässigen sind.