Protocol of the Session on June 8, 2005

Nach wie vor habe ich die Hoffnung, dass Sie – die SPDFraktion – sich nach erfolgter innerparteilicher Klärung noch bewegen werden. Weil dies Zeit braucht, sollten wir heute keine unüberlegten Schnellschüsse machen.Wir haben Zeit.Wenn es zu der – verfassungsrechtlich noch umstrittenen – Auflösung des Deutschen Bundestages kommen sollte, ist unser ursprünglich angedachtes Ziel der Verfassungsänderung zur Bundestagswahl 2006 sowieso hinfällig.

Herr Posch, zur Verbindung mit der Kommunalwahl fehlt eine geeignete Verordnung. Das wissen auch Sie. Außerdem wäre es unzumutbar, neben Ortsbeiräten, Stadtverordnetenversammlungen, Kreistagen und möglichen Bürgermeisterurwahlen auch noch über elf einzelne Gesetze abstimmen zu lassen.

(Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): 17! – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Im Jahr 2006 wird es also nichts werden.

Der FDP-Vorstoß ist zwar parteipolitisch verständlich, kommt aber zur Unzeit, und er war – das bedauere ich auch ausdrücklich von dieser Stelle aus – offensichtlich mit keiner anderen Fraktion abgestimmt, obwohl der Konsens immer im Raum stand.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Die Verbitterung,die jetzt die FDP über das durchsichtige Ausscheren der SPD aus dem Konsens über die Reform an den Tag legt, kann ich aus Kenntnis der langen Debatten, die wir in der Enquetekommission geführt haben, sehr wohl verstehen.Allein Teile der SPD haben es zu verantworten, dass der Konsens der Verfassungsreform infrage gestellt wurde.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Die Gründe hierfür haben wir bereits ausführlich anlässlich der letzten Plenardebatte über den Abschlussbericht erörtert. Ich will dies nicht wiederholen. Sie sind jedem bekannt.

Weil dies so ist, erwarten wir von der SPD-Fraktion Bewegung. Wann dies aber sein wird, das können wir als

Christdemokraten nicht beeinflussen. Die SPD hat heute die Chance, von diesem Pult aus zu sagen, wann sie sich bewegen will. Sie sollte sich eindeutig äußern. Die Gelegenheit besteht heute hier dazu.

(Beifall der Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) und Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

Ich sagte bereits: Aus Respekt vor dem politischen Gegner und aus Demut und Achtung gegenüber der Hessischen Verfassung sieht die CDU ihre Verpflichtung darin, weiterhin einen Konsens anzustreben. Daher werden wir heute diesen Gesetzentwürfen nicht zustimmen können.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Es gilt das Mehrheitsprinzip! Wovor haben Sie Demut?)

Das jetzt veranstaltete Politspiel ist weder der Hessischen Verfassung gebührend, noch hilft es den Bemühungen einer Reform der Hessischen Verfassung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Schon der alte Reichskanzler Bismarck sagte: Keine Verfassung kann ohne Kompromiss existieren.

Daher, liebe Kollegen der FDP-Fraktion, zerstören Sie nicht den Kompromiss der Verfassungsenquetekommission

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP):Das ist eine Unverschämtheit!)

mit Ihrem jetzigen Vorstoß. Machen Sie die Verfassungsreform nicht zu einem eindeutigen politischen Spiel. Wir, die CDU-Fraktion, wollen und werden die hessischen Sozialdemokraten nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Wir wollen das Signal eines parteiübergreifenden Kompromisses.

Liebe Kollegen der FDP, deshalb rate ich Ihnen und bitte Sie auch: Ziehen Sie Ihre Gesetzentwürfe zurück.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Frau Wagner, ich verspreche Ihnen:Wir setzen Ihre – richtigerweise muss ich sagen: unsere – Vorschläge wieder auf die Tagesordnung,

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ach nee! – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

zum richtigen Zeitpunkt.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Und den bestimmen Sie mit absoluter Mehrheit?)

Ich appelliere an Sie: Zwingen Sie uns nicht, Gesetzentwürfe, die wir voll inhaltlich tragen, aus demokratischer Verantwortung heraus abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Zu einer Kurzintervention hat Herr Abg. Posch, FDPFraktion, das Wort.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Herr Kollege Wintermeyer, ich habe gedacht, Sie hätten zugehört.Denn dann hätten Sie angesichts der Motive,die ich genannt habe und die dazu geführt haben, dass wir diese Gesetzentwürfe eingebracht haben, diese Worte – nämlich dass wir ein politisches Spiel machen – nicht gebraucht.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Als zweiten Punkt will ich feststellen: Für mich gilt in der Demokratie immer noch das Mehrheitsprinzip. Mit Interesse stelle ich fest, dass sich die mit absoluter Mehrheit regierende Union in die Abhängigkeit der Sozialdemokraten begibt,

(Beifall bei der FDP – Petra Fuhrmann (SPD):Ach du lieber Himmel!)

die nicht willens sind, beispielsweise bei der Wirtschaftsverfassung einen anderen Weg einzuschlagen.

Es gibt in diesem Hessischen Landtag nahezu eine Vierfünftelmehrheit,

(Dr.Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU):Zweidrittel!)

die bereit ist, in der Sache diese Vorschläge dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. Ich bedauere außerordentlich, dass Sie – nicht ich – diese Schärfe in die Diskussion gebracht haben. Das war nicht nötig.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben immer gesagt – und das ist auch jetzt noch möglich –, dass diese Gesetzentwürfe selbstverständlich einer öffentlichen Anhörung zugänglich gemacht werden können. Selbstverständlich können wir uns auch auf Voranhörungen verständigen, wie wir das ursprünglich im Antrag hatten. Das können wir noch realisieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Zur Erwiderung, Herr Abg.Wintermeyer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Posch, ich habe Ihrem Vortrag sehr genau zugehört. Herr Posch, Sie müssen doch eines verstehen – und dann sage ich, es ist ein politisches Spiel –: Sie wissen alle, dass wir im Hessischen Landtag miteinander gerungen und diskutiert haben.Wir haben mitbekommen, dass die SPD diesem Konsens, der zwischen CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gefunden worden ist, so noch nicht – ich betone: noch nicht – zustimmen kann. Der Fraktionsvorsitzende Walter hat hier im Plenum angekündigt oder angedeutet – ich weiß natürlich nicht, wie das mit seiner Parteiführung abgestimmt ist –, dass dort noch Bewegungsmöglichkeiten bestehen.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Ich meine, dann ist es doch gut, dass wir versuchen – wenn wir über die Verfassung reden –, diesen Konsens noch zu finden. Denn ich betone es nochmals: Die Verfassung eignet sich nicht dazu,dass wir ein parteipolitisches Spiel machen.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das hat er doch vorgetragen!)

Wir sollten versuchen, diesen Konsens anzustreben. Wir sollten auch versuchen, die Sozialdemokraten im Hessischen Landtag nicht aus der Verantwortung zu entlassen, zu erklären, wie sie in Zukunft zu einer modernen Wirtschaftsordnung stehen. Eine Partei, die heute in der Opposition ist

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

und die wahrscheinlich auch noch viele Jahre lang in der Opposition sein wird, irgendwann aber vielleicht auch wieder einmal in Hessen Regierungsverantwortung mittragen muss, muss diese Frage beantworten.

Ich meine, da ist es richtig, dass wir diese Antwort der Sozialdemokraten erzwingen. Deswegen sagen wir hier zu diesen Anträgen, die Sie gestellt haben, Nein.

Wie gesagt, inhaltlich sind wir absolut nicht auseinander – nur im Verfahren, wie man miteinander umgeht. Wenn es um die Hessische Verfassung geht, können wir diese Vorschläge von Ihnen nicht mittragen.