Protocol of the Session on June 8, 2005

gelangt die Internationale Atomenergiebehörde zu der Auffassung, dass nach mittlerer Schätzung die Kapazitäten zur Nutzung der Kernenergie bis zum Jahr 2030 um das Zweieinhalbfache und bis zum Jahr 2050 auf das Vierfache anwachsen werden. Die Schlussfolgerung daraus muss sein: Die Reaktorsicherheit, der Umgang mit den nuklearen Abfällen und die Sicherung des Brennstoffzyklus gegen Missbrauch gehören weltweit auf die Tagesordnung. – Wenn Deutschland aber aus der Nutzung dieser Energieart aussteigt, wird Deutschland da kein Gesprächspartner sein. Ich denke, angesichts der Standards, die wir haben,gehört Deutschland mit an den Tisch,damit diese Standards internationalen Niederschlag finden.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch eine Position, die man in der „Zeit“ vom 22. Juli 2004 nachlesen konnte. Ich zitiere:

„Viele Kritiker der Kernenergie, vor allem aus meiner eigenen Partei, versichern mir im Gespräch unter vier Augen, ich möge doch an meiner pronuklearen Haltung festhalten“, eröffnete z. B. der sozialdemokratische EU-Parlamentarier Rolf Linkohr vor einigen Monaten einem staunenden Fachpublikum, „denn früher oder später müssten wir doch wieder in die Kerntechnik rein“.

(Norbert Schmitt (SPD): Ja, ja, der liebe Rolf!)

Der gleiche SPD-Mann hat in einem Artikel, der im August 2004 in der „Frankfurter Rundschau“ erschienen ist – das ist nicht gerade das Kampfblatt der hessischen CDU –, sechs Gründe für die Nutzung der Nukleartechnik beschrieben, die uns alle bekannt sind. Dies sind unter anderem der wachsende Energiebedarf,die steigenden Öl- und Gaspreise und die Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft vom Import der Energieträger.

(Norbert Schmitt (SPD):Wollen Sie demnächst die Autos mit Atomkraft fahren lassen?)

Der gleiche Mann der SPD führt im Weiteren sehr nachvollziehbar aus, dass es eine technische Entwicklung gegeben hat, die zu den Reaktoren der dritten Generation geführt haben, die gar nichts mehr mit den in der Diskussion angeführten Reaktoren von Tschernobyl oder Philippsburg zu tun haben. Er weist sehr zutreffend darauf hin, dass es kein Zufall ist, dass sich die CO2-Emissionen in Deutschland pro Jahr und Kopf auf 10 t addieren, während sie in Frankreich pro Jahr und Kopf bei rund 6 t liegen. Frankreichs Strom stammt zu 77 % aus Atomkraftwerken.

Jetzt will ich noch eine ganz interessante Variante nennen, die zeigt, wohin grüne Energiepolitik führen kann. Als Beispiel möchte ich das Kernkraftwerk Obrigheim anführen. Ich zitiere aus der Presse:

Das Aus für Obrigheim ist ein Zeichen für einen Neuanfang. In Deutschland hat ein neues Energiezeitalter begonnen. Wir treiben die ökologische Modernisierung der Energieversorgung voran.

So feierte sich Herr Trittin am 10. Mai 2005 in einer Pressemitteilung.Wie sieht denn aber diese Modernisierung à la Trittin aus? Um die Folgen der wegfallenden Stromproduktion auszugleichen,will EnBW zum mittelfristigen Ersatz in erster Linie alte, eigentlich unrentable und bereits abgeschaltete Anlagen wieder in Betrieb nehmen. So ist beispielsweise vorgesehen, einen seit 1988 stillgelegten, mit Heizöl befeuerten Block im Kraftwerk Marbach wieder auszumotten. Der Block wurde 1974 gebaut.

(Norbert Schmitt (SPD): Glauben Sie das?)

Außerdem soll der seit über fünf Jahren stillgelegte Block im Kraftwerk Walheim wieder in Betrieb gehen. Er ist Baujahr 1964.

(Norbert Schmitt (SPD): Glauben Sie das alles?)

Es ist nicht nur so, dass diese Maßnahmen im Verhältnis zu den laufenden Reaktoren viel Geld kosten. Vielmehr rückt auch die Einhaltung des Kyoto-Abkommens in weite Ferne. Die Bundesregierung versprach, es einzuhalten. Denn hier wird die CO2-freie Stromproduktion durch die Produktion von Strom mithilfe fossiler Kraftwerke ersetzt.

Die GRÜNEN meinen nun, dies sei ein Erfolg, den die CDU-Fraktion im Hessischen Landtag begrüßen solle. Das können Sie doch nicht ernsthaft glauben. Das ist

doch, ökologisch gesehen, Unfug. Solchem ökologischen Unfug werden wir niemals zustimmen.

(Beifall der Abg. Reinhard Otto (CDU) und Heinrich Heidel (FDP) – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, das machen Sie doch ständig!)

Wir sind offen für den technologieoffenen Energiemix, der alle Energieformen ideologiefrei einschließt und die Versorgungssicherheit wie auch Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit in sich vereint. Ganz klar ist:Wenn das AKW Biblis in diesen Energiemix einbezogen wird, dann wird es in puncto Sicherheit weiterhin keinen Rabatt geben.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Ach!)

Wenn man jetzt den grünen Antrag liest, ist auffällig, dass das Wort Wirtschaftlichkeit überhaupt nicht vorkommt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist doch nicht auffällig! Das ist typisch für sie!)

Hessen ist einer der leistungsfähigsten Wirtschaftsstandorte, der international in Konkurrenz steht.

(Reinhard Kahl (SPD): Trotz dieser Landesregierung!)

Insofern ist dieser Antrag inakzeptabel. Er unterstreicht aber ganz deutlich, dass Sie nicht an einem pragmatischen Lösungsansatz interessiert sind, sondern dass Sie die hessische Wirtschaft rein ideologisch motiviert an die Wand fahren und Arbeitsplätze gefährden und vernichten wollen.

Ich beschreibe es Ihnen an einem Beispiel, wie wirtschaftlich relevant kostengünstige Energie ist. Herr Schmitt, Ihnen ist sicherlich noch die Standortfrage in Rüsselsheim in Erinnerung. Ich wohne da zufälligerweise. In der Presse ging es im Wesentlichen um hohes Lohnniveau und kostengünstige Produktion. In der lokalen Presse gab es einen Artikel, in dem die Energiekosten ausführlich beleuchtet wurden. Da sah die Geschichte so aus, dass Trollhättan gegenüber Rüsselsheim einen Energiekostenvorteil von 40 % hat.

(Norbert Schmitt (SPD):Wenn wir die Wasserkraftmöglichkeiten hätten wie Schweden, dann wäre das kein Problem!)

Wenn man hier die rein ideologische Diskussion sieht und man diejenigen, die die Diskussion führen, nicht vor den Werkstoren in Rüsselsheim gesehen hat,

(Norbert Schmitt (SPD): Die Schweden sind auch aus der Atomkraft ausgestiegen!)

dann muss man sagen:Sie ignorieren ganz einfach die Sorgen und Nöte der Menschen, die sich um ihren Arbeitsplatz Sorgen gemacht haben, und verlieren sich hier in rein ideologischer Diskussion. Aber da werden wir nicht mitgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD):Was für ein Unsinn!)

40 % Energiekostenvorteil können Sie nicht einfach wegdrücken. Das „Handelsblatt“ unterstreicht das vorgestern noch durch das Argument, dass die Abschaltung der Kernkraftwerke die Vernichtung von 10 Milliarden c Kapital wäre.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Kostenseite ist das eine. Für den Standort Hessen, der im internationalen Wettbewerb steht, ist auch die Versorgungssicherheit von grundsätzlicher Bedeutung. Sie verschweigen: Wenn Biblis abgeschaltet wird, die Blöcke A und B in der Folge, dann fehlen 60 % der Stromversorgung hier im Lande. Wie Sie die ersetzen wollen, das haben Sie noch nicht dargelegt.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): In Deutschland gibt es Überkapazitäten!)

Es besteht die gesetzliche Verpflichtung, Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Mit den Mühlen – das ist nichts anderes als eine hoch subventionierte Landschaftszerstörung – wird sich diese Versorgungssicherheit nicht herstellen lassen. Sie verschweigen, dass durch die Volatilität bei der Einspeisung 80 % oder 85 % – andere sagen 90 % – des konventionellen Energiebedarfs vorgehalten werden müssen. Denn die theoretische Kapazität, die installiert wird, steht mit der Realität überhaupt nicht in Einklang. Daher muss selbst Biblis, um dies zu gewährleisten, von seiner Leistungskapazität 15 % vorhalten. Insoweit entstehen durch diese Schattenkraftwerke zusätzliche Kosten von 100 Milliarden c im Jahr, die wiederum auf die Kunden abgewälzt werden müssen. Auch das verschweigen Sie.

(Beifall der Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU) und Heinrich Heidel (FDP) – Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Dann kommt noch der Punkt, dass rentable Windplätze immer weniger werden und man in den Offshore-Bereich gehen will.

(Heinrich Heidel (FDP): Offshore am Edersee!)

Jetzt lassen wir das mit der technischen Machbarkeit dahingestellt. Die hat sich seit dem letzten Jahr, wo wir das diskutiert haben, noch nicht geklärt. Sehr bemerkenswert finde ich aber, dass genau diejenigen, die für den Naturpark Wattenmeer gekämpft haben, die dann auch noch ein Befahrverbot für Sportschiffe erlassen wollen, weil durch das Ankern ein ökologischer Schaden im Meer entstehen könnte,jetzt überhaupt keine Skrupel haben,Hunderte, wenn nicht gar Tausende Stahlrohre bei 30 m Tiefe in das Meer zu hauen und 70 km Kabel zu verlegen, wo vorher überhaupt kein Mensch mehr hinein sollte. Das ist eine abstruse ökonomische Politik, der wir nicht folgen können. Ich denke, am 18. September wird diese Politik abgeschafft werden.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben es nicht verstanden, Herr Kollege! Schweigen Sie lieber!)

Herr Kaufmann, vielleicht etwas für Feinschmecker wie Sie. Es geht hier doch um nichts anderes als Wahlkampf.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Aber Sie machen ihn schlecht! Sie sollten etwas dazulernen, dann macht es mehr Spaß!)

Wenn man Ihren Antrag anschaut – jetzt nicht Ihren persönlichen –,dann stellt man fest,dass in Abs.4 Satz 1 steht, dass im Jahr 2008 Block A des AKW Biblis abgeschaltet wird. – Das Jahr 2008 kommt im Atomgesetz aber nicht vor.

(Norbert Schmitt (SPD): Sehr gut! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir können aber rechnen, im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege!)

In Anlage 3 des Atomgesetzes steht etwas von Reststrommengen ab dem 01.01.2000. Ich denke, wenn man einen Antrag stellt, dann sollte er gesetzeskonform formuliert werden und sich nicht in Widerspruch zum Gesetz stellen. Das zeigt einmal deutlich, wie Sie Gesetze umdrehen und dass es Ihnen hier nur um Wahlkampf geht und nicht um den Standort Hessen und Deutschland.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie können nicht rechnen, Herr Kollege! Das ist das Problem!)

Deswegen ist es gut,dass die Bundesregierung am 18.September wechselt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Heinrich Heidel (FDP) – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Protokoll steht: schwacher Beifall bei der CDU!)

Vielen Dank, Herr Lenhart. – Das Wort hat Herr Kollege Schmitt, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Deutschland steht nicht nur sozialpolitisch vor einer Richtungsentscheidung, sondern Deutschland steht auch energiepolitisch vor einer Richtungsentscheidung, nämlich ob wir zurück wollen in die Siebzigerjahre oder ob wir weitere Schritte in die Zukunft machen, in eine Zukunft, die auf erneuerbare Energien setzt, die das Risiko der Atomnutzung beendet und die den kommenden Generationen – davon hat Herr Kollege Lenhart mit keinem Wort gesprochen – keine strahlenden Erblasten hinterlässt. Das wird die Richtungsentscheidung sein, die jetzt bei der Bundestagswahl getroffen werden wird.

(Beifall bei der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Und deshalb tritt Schröder zurück? Deshalb wollt ihr vorgezogene Neuwahlen?)