Protocol of the Session on June 8, 2005

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sind beim falschen Thema!)

Was wollen Sie Ihren Kindern einmal sagen, wenn sie fragen, worauf unsere Kultur und unsere Werte basieren?

(Lebhafte Zurufe von der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Kultur ist Landschaft, Literatur, Musik und auch Dinge, die man anfassen und greifen kann. Die meisten Menschen – insbesondere Jugendliche und Kinder – erleben Kultur durch Anfassen.

(Norbert Schmitt (SPD): Sie kürzen die Mittel für die Hochschulen und halten hier eine solche Rede! Das ist wirklich der Hammer!)

Das wollen Sie ihnen vorenthalten. Sie wollen die Gefahr riskieren, dass diese wertvollen Stücke in die gesamte Welt versteigert werden und aus dem hessischen Kulturgut verschwinden – insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir das UNESCO-Weltkulturerbe Limes haben und wesentliche Teile dieser Sammlung Fundstücke sind, die zu dem Weltkulturerbe Limes gehören. Das sind einzigartige Dinge.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

Meine Damen und Herren, Kultur ist ein weicher Wirtschaftsfaktor, aber sie ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Es ist wichtig, dass dieses Kulturgut in Hessen bleibt, dass es hier eine Zukunft bekommt, dass die Leute sehen, wo wir herkommen, was unsere Vorfahren gemacht haben, was sie zusammengetragen haben, was ihnen wichtig war, worauf unsere Kultur basiert. Nur dann, wenn man weiß, wo man herkommt, weiß man auch, wo man hingehen muss. Das bleibt Ihnen aber verschlossen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abg. Kaufmann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir in der dritten Lesung des Haushaltsplans für dieses Jahr vom Kollegen Caspar lichtvolle Äußerungen über Botswana hörten, konnten wir heute den Finanzexperten Dr. Lennert vernehmen, der weiß, wo er herkommt – nämlich vom Pult –, und wo er hingehen muss, nämlich zurück auf seinen Platz.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ist das ein Niveau!)

Da drängt sich noch stärker als je zuvor die Frage auf, woher das nahezu unausrottbare Vorurteil kommt, dass die

Schwarzen eine Ahnung hätten, wie man mit Geld, insbesondere mit öffentlichem Geld, richtig umgeht.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Gerade eben haben wir wieder einen Beweis dafür erlebt, dass das in der Tat ein Vorurteil ist, das durch nichts begründet ist. Wir haben einen zweiten permanenten Nachweis dafür, der durch den immer noch amtierenden Finanzminister personifiziert wird. Er beweist tagtäglich, dass niemand so nonchalant Schulden machen und gleichzeitig die Verantwortung so dreist auf andere abschieben kann wie der schwarze Kassenwart Karlheinz Weimar. Seit Jahren verantwortet er verfassungswidrige Haushalte,die schon bei der Aufstellung verfassungswidrig sind oder, wenn nicht, allerspätestens durch einen Nachtrag verfassungswidrig werden, der kurz vor Kassenschluss im Dezember deutlich höhere Schulden begründen soll – deutlich höhere, als Investitionen vorgesehen sind.

Wenn man wieder einmal die Hoffnung hatte, dass der Finanzminister irgendwann einmal aus dem von ihm angerichteten Desaster wenigstens irgendeine Kleinigkeit lernen und seinen finanzwirtschaftlichen Schlingerkurs zumindest ein klein bisschen begradigen würde, sieht man sich aufs Neue enttäuscht. Wieder werden vollmundige Begründungen für die vorgelegte Haushaltsplanung gegeben, und mit Selbstlob, das wissen wir alle, wird keineswegs gespart, um kurz darauf die eigene Verantwortung zu verleugnen und gebetsmühlenartig die Schuld auf andere zu schieben. Es ist genauso offenkundig wie peinlich, wie die Argumente wahllos zusammengewürfelt werden. Nur eines steht immer fest: Die eigene Verantwortung wird geflissentlich übersehen.

Ich will nur ein Beispiel dafür bringen. Wir diskutieren heute nicht zum ersten Mal über die Finanzlage des Landes. Mehrere Jahre hintereinander hat Weimar die Annahmen der Bundesregierung zur wirtschaftlichen Entwicklung,die der Haushaltsplanung zugrunde liegen,nach eigenem Gusto für seine Haushaltsbegründung verändert. Insbesondere als die „Operation düstere Zukunft“ vor zwei Jahren begründet werden sollte, wurde die Wachstumserwartung deutlich reduziert. Im Haushalt für dieses Jahr, vorgestellt im vergangenen Herbst, wurde zur Erläuterung folgende etwas überraschende Aussage getroffen:

Im Gegensatz zum Vorjahr, in dem die Hessische Landesregierung aufgrund der negativen Erfahrungen in der Vergangenheit vorsorglich bei der Haushaltsaufstellung 2004 für die Jahre 2003 und 2004 ein Wirtschaftswachstum unterhalb der gesamtwirtschaftlichen Projektion unterstellte, erscheinen in diesem Jahr die Annahmen der Bundesregierung vertretbar.

So heißt es wörtlich in der Begründung zum Haushalt, verantwortet von Herrn Weimar.Warum das, was kurz zuvor noch pures Teufelszeug war nach dem Motto „Die Bundesregierung hat immer Unrecht“, jetzt plötzlich vertretbar ist, dafür gab es keine Begründung. Für den Haushalt 2005 ging es allerdings entscheidend darum, die Einnahmeberechnung möglichst schön zu gestalten, weil eine neuerliche „Operation düstere Zukunft“ allzu deutlich gemacht hätte, wie sinnlos dieser Ansatz überhaupt ist.

Seitdem ist ein halbes Jahr vergangen, und Weimar verkündet zur Abwechslung wieder einmal eine Haushaltssperre – ein Mittel, das er in den Vorjahren mehrfach verschmähte. Da war von „kollegialen Vereinbarungen im

Kabinett“ die Rede. Man kann nicht umhin, festzustellen, Herr Finanzminister: Im Vergleich zum finanzpolitischen Kurs der Regierung Koch ist ein Panoptikum ein höchst geordnetes System, und jeder Slalom wirkt im Vergleich dazu absolut geradlinig.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Da kann man nur wieder einmal auf die schon klassisch gewordene Definition des weimarschen Unvermögens verweisen. Ich hätte wirklich nie gedacht, dass diese so oft so treffend ist, aber sie stammt eben aus einem Blatt, das tatsächlich für kluge Köpfe ist. Sie kennen sie, Sie hören sie jetzt wieder, ich zitiere:

Solide und transparent, wahr und klar, wie Haushaltswirtschaft zu sein hat, ist das nicht, sondern sprunghaft, windig, wirr, unüberlegt und nicht ganz seriös.

Wer – wie Weimar – nicht einmal als seriös gelten kann, der freut sich natürlich über Zuspruch, insbesondere wenn er vom Kollegen Milde kommt. Herr Kollege Milde, es ist zwar unerträglicher Unsinn, was von Ihnen im Namen der CDU im Zusammenhang mit der Finanzpolitik verbreitet wird, aber es ist wenigsten gut gemeint.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Pressemitteilung des Kollegen Milde zur Haushaltssperre lesen wir – ich zitiere –:

Die beschlossene Haushaltssperre ist ein wichtiger und sinnvoller Weg, um die Zukunftschancen Hessens zu bewahren.

Einen Atemzug später erklärt Milde in derselben Erklärung, dass diese Haushaltssperre einzig und allein von der rot-grünen Bundesregierung verursacht sei. Meine Damen und Herren, wenn man das richtig zusammensetzt und versteht, veranlasst also nach Auffassung des Kollegen Milde einzig und allein die Bundesregierung die Hessen, einen richtigen und sinnvollen Weg zur Bewahrung der Zukunftschancen einzuschlagen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Das haben Sie in dieser Presseerklärung ausgeführt. Verehrter Herr Kollege Milde, so dick wie Sie hätte ich es gar nicht aufgetragen, aber wenn Sie das so formulieren und der Bundesregierung eine solche Bedeutung geben: Wir GRÜNEN wollen dem nicht widersprechen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Berliner Finanzpolitik ist jedenfalls immer noch um Klassen besser als das, was hier in Wiesbaden verzapft wird. Genau dies hat dankenswerterweise auch der Kollege Milde festgestellt und per Presseerklärung verbreitet. Meine Damen und Herren von der CDU, um diesen sinnvollen Weg der Bewahrung der Zukunftschancen jetzt auch zu sichern, warten wir alle auf einen Nachtragshaushalt – vor der Sommerpause, nicht erst im Advent, Herr Kollege Lennert. Die gesamte Opposition will damit der Regierung die Gelegenheit geben, die Chancen Hessens zu nutzen. Diese Gelegenheit, Herr Finanzminister, sollten Sie nicht ausschlagen.

(Zuruf des Abg. Dr. Peter Lennert (CDU))

Heute Morgen haben die Protagonisten des so genannten Neuanfangs für Deutschland – das sind die, die eine durch und durch schwarze Republik als Evangelium verkünden – in ihrem realsatirischen Entschließungsantrag von 3,9 Millionen Informatikstudenten und von 22.333 neu zu bauenden Schulen geschwärmt. Ich frage mich: Wer braucht so etwas eigentlich? So einen Unsinn schreibt doch nur jemand, der von seiner absoluten Mehrheit besoffen ist und der die Realitäten in diesem Land nicht sehen will.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wem sollen denn 3,9 Millionen Informatikstudenten oder 22.333 neue Schulen tatsächlich nützen? Meine Damen und Herren von der CDU, beantworten Sie diese Frage doch einmal.Sie haben diese strahlende Perspektive in Ihren Antrag hineingeschrieben.

Die Frage werden Sie nicht beantworten können. Überhaupt sind Fragen offensichtlich nicht Ihr Ding. Es geht hier ja in der Hauptsache um einen Propagandaantrag.Sie sollten an diesen oder an anderen Punkten mehr kritische Fragen stellen, auch an Ihre Landesregierung. Dann würden keine Schlösser gekauft,die das Land überhaupt nicht braucht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie brauchen das Schloss Erbach nicht zu kaufen. Es steht bereits in Hessen, und niemand wird es wegtragen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich will hier aber nicht ablenken. Über den Schlosskauf sprechen wir morgen in einer gesonderten Debatte. Das Thema ist jetzt die Finanzpolitik der Union in Hessen und im Bund.

Wenn man sich die Anträge anschaut, die wir zu diesem Tagesordnungspunkt zusammengefasst haben, stellt man erneut fest, es ist ziemlich anödend, dass die Landesregierung und mit ihr die CDU-Mehrheitsfraktion auf alle Anläufe der Opposition, endlich eine vernünftige Finanzpolitik zu betreiben, regelmäßig mit völliger Verständnislosigkeit reagiert. Der vorgeschobene Redner hat das überdeutlich gemacht.

Meine Damen und Herren,schauen Sie sich Folgendes an: Am 15. Februar stellt die SPD einen Antrag, der begründet ein Umsteuern in der Finanzpolitik fordert. Vom 8. März stammt die Forderung der FDP: „Strukturveränderungen im Haushalt jetzt“.

Was ist seitdem geschehen? Finanzminister Weimar erlässt am letzten Maitag eine Haushaltssperre, weil er sich weder an strukturelle Änderungen noch an eine Kursänderung im Haushalt getraut hat. Man muss es immer wiederholen: Sie haben 1999 einen Konsolidierungskurs in der Haushaltswirtschaft von Rot-Grün geerbt.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Das Ausgabevolumen wurde jährlich um ca. 0,5 % gesenkt.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist richtig!)

Das klingt nicht nach viel. Aber, meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie – zunächst gemeinsam mit der FDP, später allein – diesen Kurs nicht verlassen hätten, gäbe es heute weder verfassungswidrige Haushalte noch solche Lücken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)