Protocol of the Session on June 8, 2005

Herr Wintermeyer, ich bin über das Niveau Ihrer Einlassungen etwas enttäuscht. Ansonsten erlebe ich bei Ihnen etwas anderes. Ich habe niemanden aufgefordert, ins

letzte Jahrhundert zurückzukehren.Vielmehr habe ich die Kolleginnen und Kollegen aufgefordert, sich zu vergewissern, welche Funktion das hat, was in unserem Sozialstaat gewachsen ist.

Es gibt drei sozialstaatlich orientierte Länder, bei denen das ähnlich wie in Deutschland ist. Dazu gehören Frankreich und Italien. Von diesen Staaten können wir lernen, dass, wenn die Sozialpartnerschaft in der Form beschnitten wird, wie Sie es vorhaben, die Menschen auf die Straße gehen und sich mit ihren Forderungen an den Staat wenden.

(Beifall bei der SPD)

Eines möchte ich Ihnen ausdrücklich sagen. Ich habe an Sie appelliert, weil ich weiß, dass schon mancher als Wirtschaftsliberaler gesprungen und als Etatist gelandet ist. Deshalb steht die SPD mit den Anforderungen der Zukunft besser im Einklang als Sie.Wir haben das begriffen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben begriffen, welche Funktionen die Institutionen des Sozialstaats haben. Darüber sollten Sie nachdenken.

Herr Wintermeyer, ich weiß, dass es Wirtschaftsliberale in allen Parteien gibt.

(Zuruf: Es gibt keine in der SPD!)

Ich weiß, dass es auch in Ihrer Fraktion sehr viele gibt, die begriffen haben, worum es im Moment beim deutschen Sozialstaat geht. Mit diesen Menschen und mit denen der anderen Fraktionen, die das verstanden haben, sind die Sozialdemokraten zur Zusammenarbeit bereit, um die Funktionstüchtigkeit des deutschen Sozialstaats im Interesse der Menschen zu erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Es ist vorgesehen, die Gesetzentwürfe unter den Tagesordnungspunkten 3 a bis q – ich erspare mir, Ihnen das alles vorzulesen – dem Hauptausschuss zu überweisen.

(Frank Gotthardt (CDU): Abstimmen! – Reinhard Kahl (SPD):Abstimmung in erster Lesung!)

Entschuldigung. Es ist beantragt, direkt abzustimmen. Dann stimmen wir ab.Wir fangen dann jetzt damit an.

Zu Punkt 3 a: Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Ergänzung der Verfassung des Landes Hessen (Präambel), Drucks. 16/4048.

(Reinhard Kahl (SPD): Halt!)

Entschuldigung, ich habe gefragt, ob sich dagegen Widerspruch erhebt.

(Jürgen Walter (SPD): Es erhebt sich Widerspruch!)

Ich bitte,das so kenntlich zu machen,dass ich es auch sehen kann. – Bitte, Herr Kahl.

Es war nicht klar, über was Sie abstimmen. Wir beantragen, dass diese Gesetzentwürfe in erster Lesung abgelehnt werden.

Deswegen rufe ich trotzdem die Gesetzentwürfe der Reihe nach auf und frage, wer dem zustimmt und wer das ablehnt.

(Reinhard Kahl (SPD):Das kann man doch in einer Abstimmung machen!)

In einer Abstimmung, kann man das machen? – In Ordnung.

Es ist beantragt, die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 q, die Gesetzentwürfe der Fraktion der FDP zur Änderung der Hessischen Verfassung in erster Lesung abzulehnen. Wer dem zustimmen möchte,also wer die Gesetzentwürfe ablehnen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer möchte den Gesetzentwürfen zustimmen? – Dann stelle ich fest,dass die Antragsteller,die Fraktion der FDP, den Gesetzen zugestimmt haben. Abgelehnt haben die SPD, die GRÜNEN und die CDU-Fraktion. Damit sind die Gesetzentwürfe in der vorliegenden Fassung abgelehnt.

Jetzt haben wir 13 Uhr. Das heißt, wir haben Mittagspause. Ich schließe die Sitzung bis 15 Uhr.

(Unterbrechung von 13.01 bis 15.05 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Nachmittagssitzung und schaue, dass noch ein paar Kollegen kommen. Es wurde mir empfohlen, darüber zu reden, wer die erste Mannschaft ist, die sich für die WM in Deutschland qualifiziert hat.Das sei Japan,sagte mir Herr Metz. – Das aber nur, damit wir ein bisschen Zeit bekommen. Eine Mannschaft ist schon da, die deutsche auch, das Endspiel ist gesichert.

Meine Damen und Herren, Spaß beiseite, wir kommen zum Ernst der Tagesordnung zurück. Ich rufe vereinbarungsgemäß Tagesordnungspunkt 41 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend seriöse Finanzund Steuerpolitik: Nachtragshaushalt jetzt! Keine neuen Schulden für alte Herrenhäuser; Schluss mit der Blockade im Bundesrat! – Drucks. 16/4068 –

Wir rufen diesen Antrag gemeinsam mit Tagesordnungspunkt 12 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Umsteuern in der Finanzpolitik jetzt! – Drucks. 16/3632 –

Tagesordnungspunkt 14:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend Strukturveränderungen im Haushalt jetzt – Drucks. 16/3747 –

Tagesordnungspunkt 29:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend Hessische Landesregierung gibt rot-grüner Bundesregierung Nachhilfe in Finanzpolitik – Drucks. 16/3937 –

Tagesordnungspunkt 45:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend Lage der Finanzen des Landes Hessen und Vorlage eines Nachtragshaushaltes 2005 – Drucks. 16/4072 –

sowie Tagesordnungspunkt 47:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend steuerpolitischen Tumult in der Union beenden – Drucks. 16/4074 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt 20 Minuten je Fraktion. – Ich erteile zunächst dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Walter, das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen haben wir auch über Finanzpolitik diskutiert.Der Antrag war ausgesprochen spannend. Diejenigen, die nicht in der Regierung in Berlin sind, haben darin zum Ausdruck gebracht, dass es besser wäre, wenn sie in der Regierung wären. Das ist nicht überraschend. Jetzt reden wir allerdings über einen Antrag der Oppositionsfraktion SPD, mit dem wir von der Landesregierung, ganz konkret in unserem Bundesland Hessen, einfordern – Herr Finanzminister, das richtet sich in allererster Linie an Sie –, zu sagen, wie wir mit der Situation nach der neuen Steuerschätzung in unserem Bundesland Hessen umgehen. Unsere Bitte ist, an dieser Stelle nicht so wolkig zu reden, wie es der Herr Ministerpräsident heute Morgen gemacht hat.Vielmehr erwarten wir konkrete Antworten auf diese konkrete Herausforderung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was wir hier tun, ist nichts anderes, als dass wir die Rechte des Parlaments wahrnehmen.Angesichts der katastrophalen Haushaltslage hier im Lande Hessen und, damit wir uns nicht darüber streiten,auch im Bund,verlangen wir von dem Finanzminister Auskunft darüber, wie es weitergehen soll. Ich glaube, dass es nicht nur Aufgabe, Recht und möglicherweise Pflicht der Opposition,sondern eigentlich jedes Abgeordneten ist, und zwar unabhängig davon, ob er der Regierungsfraktion oder den Oppositionsfraktionen angehört, von der Landesregierung, die wir zu kontrollieren haben, in einer solchen Situation Auskunft zu verlangen, wie denn die Landesregierung mit dieser neuen Situation nach den Steuerschätzungen umgeht.

Herr Finanzminister, für die SPD-Fraktion kann ich jedenfalls sagen, dass wir uns nicht als verlängerter Arm der Regierung verstehen. Die CDU-Fraktion sieht das gelegentlich anders.Wir haben das bei Schloss Erbach wieder festgestellt. Nein, wir nehmen die eigenen Rechte wahr, und wir erwarten von Ihnen, dass Sie sich heute in dieser Debatte vor den Landtag stellen, und zwar nicht in Ihrer üblichen schnoddrigen Art, und uns berichten, wie es in diesem Land finanzpolitisch weitergehen soll.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Finanzminister, ganz konkret: Wir erwarten von Ihnen, dass Sie uns hier berichten, wo wir heute nach den prognostizierten Steuermindereinnahmen in Höhe von 330 Millionen c stehen, was uns im laufenden Jahr erwartet, wobei wir fordern, einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Wir erwarten von Ihnen auch eine Aussage darüber, wie es denn mit dem Haushalt für das Jahr 2006 aussieht; denn wir sind jetzt schon in der Phase, in der der Haus

haltsentwurf vorbereitet wird und in den einzelnen Häusern diskutiert wird.

Herr Finanzminister, wir haben in unserem Antrag auch sehr deutlich gesagt: Wir erwarten von dieser Landesregierung, dass sie sich an die Verfassung hält, wir erwarten von Ihnen, dass Sie einen verfassungsgemäßen Haushalt für das Jahr 2006 vorbereiten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, schließlich erwarten wir, von Ihnen zu hören – damit schließt sich der Bogen zur Debatte von heute Morgen –, welche finanzpolitischen Konzepte Ihre Landesregierung vertritt, insbesondere wie die Landesregierung in Zukunft im Bundesrat zu diesen das Land Hessen, die Finanzsituation des Landes Hessen betreffenden Fragen Stellung zu nehmen gedenkt.