Regionale Wirtschaftsförderung benötigt Kompetenznetzwerke mit dem Ziel, Arbeitsplätze in der Region zu schaffen und zu erhalten. In diesen Netzwerken müssen alle arbeitsmarktpolitischen Institutionen und Verbände zu einer Koordinierungsstelle zusammengeschlossen werden. Ziel des Wirtschaftsministers muss sein, die gleichwertige Entwicklung aller Regionen zu gewährleisten. Wir vermissen von der Landesregierung – und im Besonderen vom Wirtschaftsminister – ein Konzept, wie sie sich wirtschaftlich in den Regionen für die kommenden Jahre aufstellt.
Wir wollen wieder Nummer eins in Deutschland und in Europa werden. Herr Riebel leuchtet in Berlin nicht als Leuchtturm, sondern als Windlicht. Wo ist er denn heute wieder?
Was tun Sie denn dafür, Hessen die Leuchtkraft wieder zu geben? Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion, wir hören tagtäglich von Ihnen, dass Deutschland im weltweiten Wettbewerb nicht standhalten könne, dass unsere Löhne zu hoch seien, dass wir zu wenig arbeiteten, dass wir zu viele Urlaubstage hätten und dass die Steuerlast zu hoch sei. Schlicht: Wir seien zu faul und zu teuer. Ich finde das unverschämt.
Geschürt werden diese Meldungen von Verbänden, von Parteien mit dem großen C davor, von CDU-nahen Stiftungen, die uns in ihren Studien ständig sagen, wie schlecht wir seien. Sie machen uns demütig, sie nehmen uns unser Selbstwertgefühl, sie machen uns Angst. Nicht nur uns Bürgerinnen und Bürgern nehmen sie den Mut, sondern den kleinen und mittleren Unternehmen ebenfalls. Dies führt auch zu Konsumverzicht und hemmt Investitionen.
Mit Ihrem selbstzerstörerischen Gerede, dass Deutschland am Ende sei, fördern Sie die Missstimmung und schaden dem Standort. Schauen wir es uns doch einmal von außen an. Europäische Studien und sogar das DIW sprechen eine ganz andere Sprache, deren Analysen sind nicht schwarz gefärbt.
Dort lesen wir, dass die Deutschen im Durchschnitt in Vollzeit 42,4 Stunden die Woche arbeiten, dass jede dritte Überstunde nicht bezahlt wird, dass die Deutschen weniger Urlaub nehmen, als im Tarifvertrag steht, und dass der Krankenstand so tief ist wie seit 1970 nicht mehr. Das muss man sich doch einmal vorstellen. Die großen Konzerne verdienen unverschämt gut, aber sie investieren zu wenig, und wenn, im Ausland.
Wir hören vonseiten der CDU und der FDP immer wieder, dass die Lohnnebenkosten zu hoch seien. Ich möchte Ihnen ein praktisches Beispiel nennen, was die Unternehmen vonseiten des Herrn Kohl auszuhalten hatten. Hören Sie zu, Herr Boddenberg, Herr Reif. Zu der Zeit waren auch Sie selbstständig. Die Krankenversicherung lag teilweise über 15 %. Zu Zeiten des guten Mannes aus Oggersheim stiegen die Rentenversicherungsbeiträge auf 20,3 %.
Hinzu kamen die Pflegeversicherung und der Solidaritätszuschlag. Zum guten Schluss hatten wir noch die deutsche Einheit zu verkraften, die ein Handeln der Sozialversicherungsträger fast unmöglich machte.In dieser verfehlten Politik liegt doch das ganze Übel.
Herr Gotthardt, ich glaube, Sie waren noch nicht selbstständig. Sie können da überhaupt nicht mitreden.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Frank Got- thardt (CDU): Jeden Tag könntet ihr es ändern! Da macht ihr Kapitalismuskritik und Diskussionen,der Kanzler trägt Brioni-Anzüge!)
(Clemens Reif (CDU): Als Selbstständige müssen Sie doch für Ihre Altersversorgung selbst sorgen! Das wissen Sie doch!)
Wenn wir über Lohnnebenkosten reden, darf man die Produktivität nicht verschweigen. Unsere Produktivität ist gut, sogar sehr gut. In England beispielsweise liegt die Wochenarbeitszeit bei 43 Stunden. Bei der Produktivität finden wir England am unteren Ende der Skala.Viele Studien belegen, dass in Deutschland die Arbeiterinnen und Arbeiter besser ausgebildet sind und anspruchsvollere Tätigkeiten ausüben können als ihre Kollegen in England oder den USA. Das zeigt, was unsere Unternehmen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leisten. Seit 15 Jahren sind die Lohnnebenkosten nicht gestiegen, aber die Produktivität hat doch zugenommen.
Aber die Beschäftigten in den Konzernen haben nicht davon profitiert. Die Klagen der DAX-Unternehmen und der Arbeitgeberlobby haben doch Früchte getragen. Deutschland ist besser als sein Ruf, sagt ein Schweizer Wissenschaftler. Wir haben 4,9 Millionen Arbeitslose, davon 1,7 Millionen in den neuen Bundesländern.Trotz dieser Hypothek liegt die Beschäftigungsquote bei gut 64 %. Wir sind die drittgrößte Volkswirtschaft auf der Welt.Wir schultern enorme Lasten durch die Wiedervereinigung und die europäische Integration, und wir tun das auch gern. Kein anderes Land der EU hätte diese Herkulesaufgabe gemeistert.
Diese Leistung muss doch anerkannt werden. Sicher wurden weltweit 22 Millionen Industriejobs vernichtet, davon allein 11 Millionen in den USA. Die Frage lautet doch nicht: „Wie lässt sich das verhindern?“, weil jeder, der real denken kann, weiß, das lässt sich nicht verhindern, sondern: „Wie lässt sich dieser Verlust ausgleichen?“ – Einmal dadurch, dass wir mehr in Bildung und Forschung investieren, und zum anderen dadurch, dass wir nicht überall sparen und den Menschen wieder Hoffnung und Selbstbewusstsein geben. Die Jobs fallen bei uns im Wesentlichen da weg, wo der heimische Markt zusammengebrochen ist: im Einzelhandel, im Handwerk und in der Bauwirtschaft. Dies zu ändern liegt auch in unserer Macht.
Die Menschen lassen sich verunsichern, und die, die konsumieren könnten, tun es nicht. Meine Damen und Herren von der CDU, erzählen Sie nicht permanent die Unwahrheit, verunsichern Sie nicht die Menschen, sondern machen Sie ihnen Mut für die Zukunft.Wir brauchen keinen Papieraktionismus, sondern konkrete Unterstützung. Hierfür möchte ich Ihnen einige wenige Beispiele nennen.
Wir brauchen ein regionales Management, Unterstützung bei Kreditfinanzierung, weil vielerorts ansässige Banken einfach die Fördermittel nicht weitergeben.Wir brauchen den Einsatz von mezzaninem Kapital – ein neues Förderinstrument zur Stärkung der Eigenkapitaldecke, eine direkte Nachrangfinanzierung –, eine Spezialeinheit für Unternehmen, die in schweres Fahrwasser geraten sind. Andere Bundesländer haben diese Task-Force schon lange. Wir brauchen mehr technologische und kommunale Kompetenzzentren, die Kräfte vor Ort bündeln und Gründungen erleichtern.
Meine Damen und Herren, ich werde jetzt meinen Schlusssatz sagen. Ich erkenne bei den Willensbekundungen der Landesregierung und ihren konkreten Vorschlägen doch einige Schnittmengen. Lassen Sie uns im Ausschuss darum ringen,wie wir unseren Betrieben und somit allen Bürgerinnen und Bürgern das Leben und Arbeiten erleichtern können. Herr Rhiel, packen Sie es an, lassen Sie sich nicht ständig aus der Staatskanzlei dirigieren.
Werden Sie endlich aktiv, und fangen Sie an zu regieren. Sie haben nur noch knapp drei Jahre. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Frau Tesch, ich tue Ihnen gern den Gefallen und will mich der Debatte nicht entziehen. Ich will Ihnen auch die Gelegenheit geben, gleich noch etwas zu sagen.Vielleicht führen Sie dann das zu Ende, was Sie noch sagen wollten.
Frau Tesch, eines wird übersehen. Es wird übersehen, dass das größte Problem in unserem Land,das auch der Mittelstand hat, die Unsicherheit ist. Zu dieser Unsicherheit tragen nicht etwa Oppositionsparteien in Berlin bei, die zu Recht ihre Aufgabe wahrnehmen, sondern zu dieser Unsicherheit und Verunsicherung trägt in allererster Linie
Sie können doch als Bundeskanzler nicht 1998 die neue Mitte propagieren und sagen: „Wir sind jetzt die neue mittelstandsfreundliche Bundesregierung, oder wir wollen dies werden“, um sich dann mit entsprechenden Unternehmern zu schmücken. Ich erinnere mich noch an große doppelseitige Wahlkampfanzeigen mit Initiativen von Unternehmern, die zwischenzeitlich alle weggelaufen sind, weil sie gemerkt haben, dass sie gerade einmal dafür gut waren, für wenige Wochen im Wahlkampf aktiviert zu werden. Danach haben Sie angefangen, systematisch mittelstandsfeindliche Politik zu machen.
(Silke Tesch (SPD): Das stimmt doch überhaupt nicht! Gucken Sie sich doch einmal die Steuersätze an!)
Sie haben die 400-c-Jobs abgeschafft, seinerzeit ein wichtiges Instrument für den Mittelstand,mit mehr Flexibilität auf Arbeitsmarkt- und Umsatzveränderungen zu reagieren, als es danach der Fall war. Sie haben das Betriebsverfassungsgesetz geändert. Das können Sie alles tun. Aber Sie dürfen sich doch dann nicht wundern, dass sich Unternehmen von einem Mehr an Bürokratie eher abschrecken lassen, als dass sie sich befördert fühlen.
Jetzt, nachdem Sie merken, dass das alles nichts hilft, dass Sie es sich im Grunde mit allen verdorben haben, aber auch mit den Sozialisten in Ihren Reihen, rudern Sie zurück und beginnen eine Debatte, mit der Sie glauben, noch kurz vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen punkten zu können. Diesen Schlingerkurs nehmen Ihnen die Menschen übel. Dieser Schlingerkurs führt dazu, dass die Sparquote in Deutschland bei über 10 % liegt, während sie in den USA bei 2,5 % liegt. Ich freue mich, dass die Leute sparen. Aber ich glaube, dass es in dieser Größenordnung unserer Konjunktur nachhaltig schadet. Deswegen braucht dieses Land eine Bundesregierung, auf die Verlass ist. Ich gehe davon aus, dass es im nächsten Jahr eine andere Bundesregierung sein wird.
Eine letzte Bemerkung, Herr Präsident, wenn Sie gestatten, weil der Punkt von Frau Tesch angesprochen war.