Damals wurde vom Justizminister beschönigt, vom Landesvorsitzenden Koch wurde beschönigt, und heute wird gemauert. So könnte man das Verhalten der CDU zum Kanther-Urteil beschreiben. Koch, der große Redner, der Mann, der täglich Interviews gibt, der zu jedem und allem Stellung nimmt – es gibt kein Thema in der Bundesrepublik, zu dem Herr Koch nicht irgendetwas sagt –,
versteckt sich hinter seinem kleinen Pressesprecher und verkriecht sich – es ist unglaublich –,wenn er um eine Stellungnahme als CDU-Landesvorsitzender gefragt wird.
Er verkriecht sich feige, wenn er gefragt wird, ob er gegen Herrn Kanther und Herrn von Wittgenstein zivilrechtlich vorgehen wolle.
Meine Damen und Herren, die „Fuldaer Zeitung“ kommentiert es am 19.April – Herr Loskant – wie folgt:
Konsequent wäre es, wenn die Union Kanther für den materiellen Schaden in Regress nähme.Ob sich die Partei dazu durchringen kann, ist allerdings fraglich. Ein Zivilprozess würde den Fall Kanther mit all seinen brisanten Details noch lange in den Schlagzeilen halten. Im Sinne des Unrechtsbewusstseins Kanthers,das dringend geschärft werden müsste, und des Selbstreinigungsprozesses der Partei
Vom selbst ernannten brutalstmöglichen Aufklärer zum softweichsten Schweiger. Es ist doch die Frage, die sich Herr Koch stellen muss: Warum ist der große Kommunikator so schweigsam? Will er nicht, dass seine HessenCDU, die doch angeblich unschuldig an der ganzen Sache ist – es war doch angeblich nur das Werk von einigen wenigen; so wird es immer dargestellt, das ist doch die Lesart von Herrn Koch –, den Schaden ersetzt bekommt, den einige wenige angerichtet haben? Oder wird die Schadenersatzanklage deswegen nicht eingereicht, weil dann möglicherweise die Sprachregelung zusammenbrechen würde, dass es wirklich nur eine Tat von wenigen war und dass es keine Ressourcenahnung bei ganz wichtigen Leuten in der Hessen-CDU gab? Oder hat Herr Koch Angst, dass im Zivilrechtsprozess am Ende auch wiederum die Augen
der Öffentlichkeit auf den Schwarzgeldskandal in Hessen gerichtet werden und vor allem auf seine Rolle, die Rolle von Lug und Trug, in diesem ganzen Prozess?
Wir wollen herausbekommen – deswegen glauben wir, dass der Zivilprozess eine ganz wichtige Rolle spielen wird,so wie es auch der Strafprozess getan hat –,was denn sozusagen dahinter steckt.Wir wollen weiter die Wahrheit erschließen. Da kann, glaube ich, ein Zivilprozess auch ganz gut weiterhelfen, meine Damen und Herren. Die Frage ist doch mehr als berechtigt, ob in einem solchen Prozess möglicherweise auch der Frage weiter nachgegangen werden kann, wo denn die Mittel herkommen. Auch dies würde in einem Schadenersatzprozess intensiver untersucht werden. Der Verteidiger von Herrn Weyrauch, Herr Kempf, hat ja ganz gut dargestellt und gesagt, dass es sich bei diesem Vermögen wahrscheinlich um Geld handelt, das im Rahmen einer Straftat erlangt worden sei. Das war die Strategie der Verteidigung von Herrn Kempf. Ich glaube, das macht auch sehr viel deutlich.
Eines ist aber auf jeden Fall klar: Ihre Behauptung, Herr Koch, die Sie im Januar in die Welt gesetzt haben, dass das Schwarzgeld nach dem Eichhörnchenprinzip aus Mitgliedsbeiträgen, legalen Spenden und Wahlkampfmitteln gesammelt worden sei, ist zusammengebrochen. Diese Mär können Sie nach dem Prozess nicht mehr aufrechterhalten.
Übrigens wäre das der entscheidende Punkt. Ich glaube, das ist die eigentliche Befürchtung von Herrn Koch neben der Frage der Herkunft der Mittel und der Frage,wie viele Leute davon gewusst haben: Es würde über seine eigene Rolle an der Entstehung des Schadens nachgedacht werden. Herr Koch hatte es nämlich in der Hand, den Schaden zu minimieren. Am 21. Dezember 1999 wurde Koch von seinem ehemaligen Landesgeschäftsführer Seitz darüber informiert, dass 1,1 Millionen DM seines Wahlkampfetats nicht aus dem ordentlichen CDU-Landeshaushalt stammen. Und an diesem Tag fingierte er das Darlehen zwischen Herrn von Wittgenstein und der Hessen-CDU. In dieser Zeit wurde dann auch ein, sage ich einmal, gefälschter Brief – da war zumindest das Datum gefälscht – in die Akten gegeben – wer das veranlasst hat, wissen wir, Herr Koch war auch dabei –, um damit auch die Wirtschaftsprüfer zu täuschen. Die Wirtschaftsprüfer haben ja im Untersuchungsausschuss gesagt, sie fühlten sich über dieses Vorgehen getäuscht.
Meine Damen und Herren, das richtige Vorgehen wäre gewesen, dass Herr Koch zum Bundestagspräsidenten marschiert wäre und gesagt hätte, dass hier etwas nicht in Ordnung ist.
Das wäre sozusagen die Möglichkeit gewesen, und das hätte auch den Schaden in ganz erheblichem Maße minimiert, glaube ich.
Koch selbst hat in ganz erheblichem Maße dazu beigetragen, dass dieser Schaden am Ende auf 21 Millionen c aufgelaufen ist.
ist rührend, aber auch fadenscheinig. Jetzt haben Sie den großen Vorteil, dass Sie kein Jurist sind. Herr Koch ist aber Jurist, und jeder, der sich einigermaßen mit der Problematik auseinander gesetzt hat, weiß, dass ein Strafrechtsurteil etwas ganz anderes ist als ein Zivilrechtsurteil.
Es hindert Sie überhaupt niemand daran. Sie hätten ohne Strafrechtsurteil, ohne dass ein Strafrechtsverfahren eingeleitet wird,längst die Zivilrechtsklage auf den Weg bringen können. Dass Sie das nicht machen, hat doch ganz andere Gründe. Sie suchen jetzt nach einem Grund. Sie wollen nicht,dass diese Frage weiterhin erörtert wird.Sie wollen die Rolle von Koch verniedlichen, und Sie wollen sozusagen den Beitrag, den andere, nicht nur Herr Kanther, in dieser Frage geleistet haben, nicht weiterhin offenkundig werden lassen. Das ist Ihr eigentliches Interesse.
Ich sage Ihnen: Auch ein Vorsitzender – ich weiß, wovon ich rede – und auch ein Generalsekretär, Herr Boddenberg, haben Treuepflichten. Das müssen Sie selbst einmal überlegen. Ich warte, bis einmal ein Mitglied der CDU auf diese Frage kommt. Sie haben Treuepflichten,Ansprüche, die es gibt, anzumelden. Hier bin ich gespannt. Ich hoffe, dass es der eine oder andere von der CDU endlich kapiert.
Jawohl, ich mache mir da in der Tat Gedanken. Ich habe Ihnen gesagt, dass es mir nicht um Ihr Geld geht
und auch nicht um Ihre Kriegskasse,die Sie gegen uns einsetzen wollen, sondern es geht darum, dass die selbst ernannte Attitüde des brutalstmöglichen Aufklärers endlich auch einmal durchgesetzt wird. Darum geht es doch am Ende.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Günter Ru- dolph (SPD): So ist es!)
Der Herr Ministerpräsident hat in der Forschungsdebatte vorhin gesagt, er müsste nur genug auf die Mütze kriegen, dann würde er in die Debatte gehen. Jetzt hat er ja eigentlich von Herrn Al-Wazir und von mir genug auf die Mütze bekommen. Ich finde, nach dem, was er vorhin hier glaubwürdig gesagt hat, müsste er dem auch nachkommen. Deswegen fordere ich den CDU-Landesvorsitzenden in der Tat auf, hier zu den aufgeworfenen Fragen und Punkten endlich Stellung zu nehmen, sich nicht weiter feige zu verkriechen und hinter dem Pressesprecher oder dem Generalsekretär zu verstecken.
Letzter Satz. Das passt genau. – Wir fordern die HessenCDU auf:Klären Sie endlich die Herkunft der Mittel.Klären Sie, ob ein Mann wie Kanther in Ihrer Partei gut aufgehoben ist, und hören Sie endlich auf, Herrn Kanther zu schonen, um damit Koch sozusagen aus der Affäre zu ziehen. – Danke schön.
Danke sehr, Herr Schmitt. – Als Nächste hat sich Frau Wagner zu Wort gemeldet. Frau Wagner, Sie haben das Wort für die FDP-Fraktion.
Verehrter Namensvetter, Sie werden mich nicht provozieren, hier erneut ein Goethe-Zitat zu bringen. Schwarze Koffer sind nicht mit Geld gefüllt zu mir auf die Regierungsbank getragen worden, sondern Aktenkoffer. Ich meine, darauf haben Sie eben wieder einmal angespielt.
Meine Damen und Herren! Für die FDP-Landtagsfraktion darf ich feststellen, dass Manfred Kanther bereits im Januar des Jahres 2000 bekannt hat, dass er gemeinsam mit Herrn Wittgenstein und Herrn Weyrauch Gelder der CDU Hessen, deren Herkunft bis heute unklar ist, entgegen den Bestimmungen des Parteienfinanzierungsgesetzes nach Liechtenstein verbracht hat und dass diese Gelder nach Bedarf wieder in Hessen in die Partei eingeschleust worden sind.
Herr Kanther hatte nicht nur im Laufe dieses Prozesses – Herr Al-Wazir,dies will ich nur als Nebensatz sagen – eine andere Anklage als die, die Sie eingereicht hatten. Diese Klage war gegen das Parteienfinanzierungsgesetz gerichtet, sie wurde dann nicht zugelassen. Die Anklage lautete dann „Untreue“.
Er hat nie direkt, aber doch indirekt, zugegeben, dass es sich um einen Gesetzesbruch,nämlich um eine Verletzung des Parteienfinanzierungsgesetzes gehandelt hat. Dass aber dieser Bruch politisch motiviert gewesen sei, um wenigstens die Kriegskasse zu füllen – ich sage jetzt,wie er es auch gemeint hat, nämlich im Kampf gegen den Sozialismus –, ist auch in den letzten Tagen noch einmal seine Bewertung gewesen.
Für uns Liberale möchte ich sagen, dass wir nicht nur damals, sondern auch heute im Laufe des Verfahrens von dem Verhalten und den Äußerungen Manfred Kanthers, den wir als Landesminister und als Bundesminister sehr geschätzt haben, außerordentlich irritiert waren. Einem, der Gesetze macht, einem, der amtlich Gesetzeshüter ist und nach eigenem Selbstverständnis ein besonders strenger Gesetzeshüter mit Maßstäben an diejenigen, die den Gesetzen unterworfen sind,ist,der auf die Verfassung und auf die Einhaltung von Gesetzen als der überragenden Handlungsweise und Norm seines Handelns vereidigt ist, dem hätten wir einen solchen Gesetzesbruch nicht zugetraut.