Protocol of the Session on April 27, 2005

Spitzenleistungen zusätzlich gefördert und sichtbar herausgestellt.

Zweiter Punkt. Der Wettbewerb muss auf der Ebene der Fachbereiche und Fakultäten bzw. der Wissenschaftsbereiche stattfinden, und das aus dem Grund heraus, dass sich Exzellenz in den konkreten Arbeitszusammenhängen manifestiert und nicht in der Hochschule als Gesamtheit messbar ist. Deshalb geht es eben auch um diesen Netzwerkgedanken.

Dritter Punkt. Hochschulen müssen spezifische Profile bilden.Herr Ministerpräsident,ich werde noch einmal darauf zurückkommen. Sie haben gesagt: Wir wollen keine Hochschulen erster und zweiter Klasse schaffen.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): So ist es!)

Das ist der Unterschied. Es geht um Profilbildung, und wenn Sie dieses mit erster und zweiter Klasse bezeichnen, sitzen Sie offensichtlich einer Fehleinschätzung auf.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus dem gesamten Fächerspektrum heraus sollen Bereiche definiert werden – das ist für uns besonders wichtig –, die dem internationalen Niveau entsprechen und dem internationalen Wettbewerb auch gerecht werden.

Dieser Kompromiss geht sehr weit. Es ist ein weit reichender Kompromiss zwischen den Ländern und dem Bund. Ich sage das durchaus auch selbstkritisch. Es ist auch ein Kompromiss, der innerhalb der SPD-Länder gefunden worden ist. Ich sage „selbstkritisch“ deshalb, weil wir ja eine etwas längere Diskussion über die Frage haben, wie der Bund ernsthafterweise auch in seiner Aufgabenzuweisung den Ländern in der Forschungspolitik unterstützend zur Seite stehen kann. Mit dem Kompromiss, dessen Findung eine lange Phase in Anspruch genommen hat, ist genau dies geschaffen worden. Dennoch blockiert Roland Koch weiter die Programmmittel in Höhe von 1,9 Millionen c an zusätzlicher Forschungsförderung in Deutschland. Diese 1,9 Millionen c können nicht fließen.

(Zurufe: Milliarden!)

Milliarden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Weiteres. Dies ist in Anbetracht einer chronischen Unterfinanzierung unserer Hochschulen ein unverantwortlicher Vorgang, der jetzt und auch in der Zukunft durch nichts zu rechtfertigen ist.

(Beifall bei der SPD)

Trotzdem, meine sehr verehrten Damen und Herren, will ich mich mit den Rechtfertigungsversuchen des Ministerpräsidenten auseinander setzen. Unter anderem – ich habe es schon zitiert – führt Koch in seinem Interview in der „FAZ“ vom 10.April wörtlich aus: „Es soll aber keine Universitäten erster und zweiter Klasse in Deutschland geben.“

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Sehr gut! Das ist der Standpunkt!)

Herr Ministerpräsident Koch, ich frage mich, wer Ihnen denn bei diesem Interview etwas in den Tee getan hat.

(Beifall bei der SPD)

So viel sozialrevolutionäre Energie war von Ihnen gerade wirklich nicht zu erwarten. Ich sage Ihnen: in diesem Zusammenhang wirklich total am Thema vorbei.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, dass wir – so sagt die SPD – 40 % eines Altersjahrgangs an die Hochschulen bekommen wollen. Wir haben da etwas im Kontext des Vergleichs mit den OECD-Ländern zu besorgen. Deutschland und insbesondere Hessen ist ein an Rohstoffen armes Land, aber reich an Wissen, reich, um es einmal mit der technischen Terminologie zu bezeichnen, an Humankapital. Dies zu fördern ist notwendig, wenn wir die gesellschaftliche Teilhabe möglichst vieler Menschen erreichen wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme auf den Punkt „Hochschulen erster und zweiter Klasse“ zurück. Wenn wir wollen, dass die Hochschulen weiterentwickelt werden, müssen wir das Hochschulsystem sowohl vertikal als auch horizontal differenzieren. Wenn Sie sich hier dagegen aussprechen, machen Sie in Bezug auf die Entwicklung des Hochschulsystems einen zentralen Fehler.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Dafür wollen und müssen wir vorhandene Stärken der Hochschulen ausbauen,Exzellenzen fördern und Spitzenleistungen honorieren. Wir Sozialdemokraten sind für Vielfalt und in diesem Fall nicht für Gleichmacherei.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Koch, wenn gerade Sie hier diese klassenkämpferischen Parolen erklingen lassen, dann ist jedermann klar, dass es Ihnen nicht um die Sache geht, sondern um Ihre persönliche Profilierung.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf von der CDU: Na, na!)

Herr Ministerpräsident, welche Ängste Sie dabei umtreiben, sagen Sie selber in dem bereits zitierten Interview in der „FAZ“. Zitat:

Ich bin in großer Sorge, was die langfristigen strukturellen Folgen dieses Vorhabens sind. All die Universitätspräsidenten, die mich jetzt zum Abschluss drängen, werden jammernd vor mir stehen, wenn sie am Ende nicht zu den zehn Auserwählten gehören...

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Da hat er Recht! – Weitere Zurufe)

Genau an dieser Stelle werden die Versäumnisse Ihres Regierungshandelns deutlich. Die hessischen Hochschulen sind hoffnungslos unterfinanziert.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Herr Koch, wenn Sie an dieser Stelle lachen, kann es doch nur der blanke Sarkasmus sein. Im Jahr 2004 waren die Hochschulen in Hessen nach der Logik der leistungsorientierten Mittelzuweisung mit 100 Millionen c unterfinanziert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach der Logik der leistungsorientierten Mittelzuweisung sind die hessischen Hochschulen im Jahr 2005 mit 190 Millionen c unterfinanziert.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zurufe von der CDU – Gegenruf des Abg. Tarek AlWazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt schreit doch nicht so; ich höre gar nichts mehr!)

Wenn sowohl Frau Wagner als auch der Ministerpräsident hier so laut dazwischenschreien, dann ist das nur ein Beweis dafür, dass darin Wahrheit liegen muss und dass es nicht falsch ist.

(Beifall bei der SPD – Lachen der Abg. Ruth Wag- ner (Darmstadt) (FDP) – Unruhe und Zurufe – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich kann den Redner nicht mehr hören!)

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abg. Siebel.

Herzlichen Dank, Herr Präsident.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein weiterer Kern des Exzellenzprogramms mit seinen drei Säulen, insbesondere in der Förderung exzellenter Cluster mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und in der Förderung einer hochschulbezogenen Gesamtstrategie zur Spitzenförderung, ist die Tatsache, dass in Deutschland außeruniversitäre und universitäre Forschung näher zusammenrücken müssen.Darin verbirgt sich ein weiteres Problem der Unterfinanzierung. Den Großteil der außeruniversitären Forschung finanziert der Bund,in Bezug auf die Helmholtz-Gesellschaft mit 90 %, in Bezug auf die Max-Planck-Gesellschaft und die Fraunhofer-Gesellschaft mit 50 %. Es ist doch unser Problem, dass die Forschung an den Hochschulen selbst unterfinanziert ist. Das ist eine Länderangelegenheit. Insofern ist es eine hausgemachte Unterfinanzierung in Forschung und Lehre – und wir reden heute über Forschung –, die das Problem doch erst hat entstehen lassen.

Herr Ministerpräsident, machen Sie doch erst einmal diesbezüglich Ihre Hausaufgaben. Wenn Sie Ihrem Biografen wiederholt gerade in den letzten Tagen in Bezug auf die Aussage widersprochen haben, dass Sie bundespolitische Ambitionen hätten, machen Sie sich doch bitte einmal ein paar Gedanken und handeln Sie auch einmal, verdammt noch einmal, bei der Verknüpfung universitärer und außeruniversitärer Forschung. Das ist genau der Ansatz in dem Exzellenzprogramm, der den Hochschulen zur Verfügung gestellt wird und den Sie leugnen,und zwar nicht deshalb, weil Ihnen an der Sache gelegen ist, sondern weil Ihnen an Ihrer persönlichen Profilierung gelegen ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierungsfraktion, weil Sie vorhin unisono so laut geschrien haben: Mit dieser Einschätzung steht im Übrigen die Opposition im Hessischen Landtag, steht die SPD-Fraktion auch nicht allein. Es wäre vielleicht zu erwarten, dass die SPD einer solchen Situation,wie sie Herr Koch provoziert hat, widerspricht. Nein, bemerkenswerterweise ist nachzulesen, dass sich auch die ehemalige hessische Wissenschaftsministerin, Frau Wagner, dazu geäußert hat.

(Zuruf von der SPD:Aha!)

Daher bin ich sehr gespannt auf Ihre Intervention, die Sie jetzt halten werden.

(Zuruf von der FDP: Ziehen Sie sich warm an!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,darüber hinaus ist es so, dass sich die hessischen Hochschulen sehr deutlich in dieser Sache positioniert haben. Ich will als einen Zeugen den Präsidenten der Humboldt-Universität anführen,der gesagt hat,er bezeichne das Programm als ausgewogen; es strukturiere die Doktorandenausbildung – ein großes Defizit auch bei uns – und beinhalte Elemente der Spitzenforschung, die ganzheitliche Konzepte unterstützten.

(Beifall des Abg. Jürgen Walter (SPD))

Im Übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, kennen die Hochschulen das Wettbewerbsprinzip. Die Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft funktioniert genau so.Das heißt,sie wissen,worauf sie sich einlassen. Insofern verstehe ich überhaupt nicht die Weigerung des Ministerpräsidenten und seinen Kampf gegen Wettbewerb.

Im Übrigen ist das Prinzip der Eliteförderung dem Hessischen Ministerpräsidenten doch überhaupt nicht unbekannt.

(Jürgen Walter (SPD): Richtig!)

Er selbst ist doch der größte Förderer der Eliteschule Hansenberg. Wir werden gerade in den nächsten Tagen wieder einmal im Rahmen einer Veranstaltung in Berlin in der Sache Hansenberg beobachten können, wie der Hessische Ministerpräsident mit der Frage der Elite umgeht. Da ist er offensichtlich vorneweg, weil er diesen Punkt auch gesetzt hat; aber dann, wenn es darum geht, tatsächlich Exzellenz auch mit Bundesmitteln zu fördern, kneift Ministerpräsident Koch. Genau das werfen wir Ihnen vor.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen, Herr Koch, geht es Ihnen offensichtlich nicht um Exzellenz, nicht um Qualitätsverbesserung der Forschung und im Umfeld von Forschung und bedauerlicherweise – das will ich auch einmal im Zusammenhang mit Forschung sagen – auch nicht um die Studierenden.

Es geht Ihnen um Ihre eigene Inszenierung, und dafür sagen Sie heute „Hü“ und morgen „Hott“, heute „Hansenbergelite: Ja“, morgen „Exzellenz: Nein“. Es geht Ihnen schlicht und ergreifend darum, Ihre Macht und Ihren Einfluss in Berlin zu demonstrieren.