Protocol of the Session on April 27, 2005

Herr Ministerpräsident, wir glauben, dass dieses Schweigen und diese Nachsicht Gründe haben. Denn die Angeklagten haben sich zwar im Prozess bis zuletzt mehr oder weniger an ihr Schweigegelübde gehalten. Dieses Schweigegelübde hat Herr Weyrauch in einem wachen Moment am Anfang des Verfahrens ziemlich deutlich zu erkennen gegeben. Er hat gegenüber dem ZDF unvorsichtigerweise auf die Frage, warum aus seiner Sicht dieser Prozess keine Gefahr für Roland Koch sein könne, nicht etwa gesagt: „Weil der nichts vom Schwarzgeld wusste“, sondern wortwörtlich geantwortet: „Können Sie sich nicht vorstellen, dass es in Deutschland noch drei Menschen gibt, die sich etwas vornehmen und das auch durchziehen und durchhalten?“ – Deutlicher kann man kaum sagen, dass dieser angebliche Geheimbund alter Männer zwar schwieg, aber dass diese drei beileibe nicht die Einzigen waren, die vom Schwarzgeld wussten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Meine Damen und Herren,da liegt der Grund für das auffällige Schweigen und die Milde des selbst ernannten brutalstmöglichen Aufklärers und härtesten Durchgreifers Roland Koch.

(Frank Gotthardt (CDU): Das geht aus dem Zitat, das Sie eben gebracht haben, eigentlich nicht hervor!)

Wir wissen aus dem Ermittlungsverfahren und den Untersuchungsausschüssen, dass in der CDU-Landesgeschäftsstelle von der Sekretärin bis zum Generalsekretär alle wussten,dass die Kasse nicht sauber war.Einzig und allein der Wirtschaftsanwalt und Aktenfresser Roland Koch und der selbst ernannte Alleswisser Franz Josef Jung wollen die Einzigen gewesen sein, die davon nichts mitbekommen haben.

Die Angeklagten haben zwar versucht, im Verfahren durch sehr interessante Andeutungen über eine in der CDU vorhandene Ressourcenahnung darauf hinzudeuten, dass dem nicht so gewesen sein kann.Aber sie haben es wohl nicht deutlich genug gesagt; sonst wäre diese Verurteilung wegen Untreue nicht zustande gekommen. Anders ausgedrückt: Manfred Kanther hat ein großes Problem. Er wird zu einer Haftstrafe verurteilt. Er verliert seine Ehre. Es droht ihm der Verlust seiner Ministerpen

sion. Er könnte dies alles abwenden, er müsste nur sagen, wer außer ihm, Weyrauch und Wittgenstein noch vom so genannten Honigtopf im Süden wusste. – Herr Ministerpräsident, das ist genau Ihr Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Koch,wovor haben Sie eigentlich eine solche Angst?

(Rüdiger Hermanns (CDU): Bestimmt nicht vor Ihnen!)

Sie können heute nicht Ihrem Pressesprecher im Plenarsaal des Landtags das Wort erteilen. Heute können Sie selbst klare Worte zu diesen Fragen finden.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Boddenberg für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Al-Wazir, das, was Sie heute hier vorgetragen haben, überrascht nicht nur die Opposition in diesem Landtag und Ihre Kollegen dort nicht mehr, sondern natürlich auch nicht die Regierungsfraktion der CDU und erst recht nicht die Öffentlichkeit.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das hätten Sie gerne!)

Insofern erspare ich uns und Ihnen jedwede Reaktion auf das, was Sie hier vorgetragen haben. Es ist das, was Sie seit fünf Jahren machen. Sie bilden Legenden.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist das Urteil auch eine Legende? – Jürgen Walter (SPD): Das ist keine Legende! Das war eine konkrete Frage! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie spekulieren ein bisschen, Sie rühren das alles in einen großen Topf und hoffen, dass am Ende etwas für Sie herauskommt, was Sie politisch nutzen können.

Herr Al-Wazir, in einem Punkt liegen Sie richtig: Mit dem 14. Januar des Jahres 2000 hat auch für die hessische CDU eine sehr schwierige Phase begonnen. Sie wissen, dass wir damals, allen voran der Landesvorsitzende, häufig davon gesprochen haben, dass die Problematik eine existenzielle Frage für die CDU gewesen ist. Sie wissen aber auch, dass sich in der Folge des 14. Januars, in den Jahren nach diesem 14. Januar Untersuchungsausschüsse in Berlin und in Wiesbaden mit all den Details beschäftigt haben, die Sie hier vorgetragen haben. Die Ergebnisse sind Ihnen bekannt, meine Damen und Herren. Es ist Ihnen auch bekannt – das hat die CDU niemals bestritten, vor allem auch nicht der Landesvorsitzende Roland Koch –,dass die letzten Jahre und insbesondere das Jahr 2000 für die CDU gewaltige politische, aber auch finanzielle Folgen hatten, an denen wir bis zum heutigen Tag zu tragen haben. Das haben Sie eben gesagt.

Nun hat es am letzten Montag ein Urteil gegeben, das Sie und auch die Medien als sehr hartes Urteil beschrieben haben.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe „angemessen“ gesagt!)

Sie haben von „angemessen“ geredet, andere haben von einem harten Urteil geredet, auch vor dem Hintergrund, dass dasselbe Landgericht, das dieses Urteil verkündet hat, ursprünglich das Verfahren gar nicht eröffnen wollte.

Meine Damen und Herren, das alles will ich nicht bewerten. Ich will nur feststellen – auch das haben Sie zu Recht gesagt –, dass Manfred Kanther gegen dieses Urteil Revision eingelegt hat. Insofern ist dieses Urteil bis auf weiteres nicht rechtskräftig. Zu unserem Verständnis eines Rechtsstaates und auch einer demokratischen Kultur, wie Sie sie in Ihrem Antrag beschreiben, gehört es, dass wir den Rechtsstaat zu wahren haben und dass wir jedem vor dem Hintergrund dieses Rechtsstaats die Chance auf eine faire und gerechte Behandlung seines Verfahrens einräumen.

(Jürgen Walter (SPD): Davon ist doch die Zivilklage völlig unbeeinflusst! Schadenersatz können Sie geltend machen!)

Den Rechtsweg zu akzeptieren heißt am Ende eben auch, einen Rechtsanspruch auf rechtstaatliche Behandlung zu akzeptieren.

(Zurufe von der SPD)

Die Verantwortlichkeiten – auch das haben Sie gesagt, Herr Al-Wazir – sind deutlich definiert worden, auch schon von Roland Koch am 14. Januar 2000, und auf dem Parteitag im Februar 2000 sehr deutlich gemacht worden. Jüngst, nach der Zeugenvernahme des Landesvorsitzenden der hessischen CDU, Roland Koch, im November des Jahres 2004, schreiben einige Zeitungen davon, dass Roland Koch Manfred Kanther mit schweren Vorwürfen begegnet ist. – Alles das widerlegt doch weiterhin Ihre Spekulationen und Ihre durchschaubare Absicht, von einem Erpressungspotenzial des Herrn Manfred Kanther gegenüber Roland Koch zu sprechen. Das ist ein sehr durchschaubares und deutlich widerlegtes Versuchen Ihrerseits, an dieser Legende festzuhalten.

(Jürgen Walter (SPD): Warum machen Sie dann keinen Schadenersatz geltend? Sie reden über vieles, aber nicht über Schadenersatz! Warum?)

Ich will noch eines sehr deutlich machen. Es gibt keine Rechtfertigung für das Verhalten Manfred Kanthers und der beiden anderen Mitangeklagten. Das ist nie versucht worden.Aber all das, was zu Recht an Vorwürfen und Kritik vorgetragen wird, auch zum Verhalten Manfred Kanthers, während des Prozesses, vor dem Prozess und nach dem Prozess, gibt uns nicht das Recht, einen Menschen vorzuverurteilen. Es gibt nicht das Recht, einem Menschen eine halbwegs faire öffentliche Behandlung vorzuenthalten. Es gibt vor allem niemandem das Recht, einen Menschen, dessen unstreitige Verdienste nicht nur für die hessische CDU,sondern für dieses Bundesland Hessen als Finanzminister, aber auch als Bundesinnenminister,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na ja!)

selbst von Mitgliedern der Bundesregierung anerkannt werden, auf nur dieses eine schwere Fehlverhalten zu reduzieren.

Konkret will ich dazu sagen, dass auch die Presse an verschiedenen Stellen natürlich sehr kritisch diese Zeit, die Prozesse und die Untersuchungsausschüsse und all das,

was hier gesagt worden ist, betrachtet.Aber in der letzten Woche ist ein Organ der Presse einen erheblichen Schritt zu weit gegangen. Die Art der Darstellung Manfred Kanthers in der „Bild“-Zeitung in Sträflingskleidung ist aus meiner und unserer Sicht nicht nur ein Verstoß gegen journalistisches Ethos, sondern auch ein Verstoß gegen den menschlichen Anspruch auf Achtung und Würde, insbesondere vor Abschluss eines solchen Verfahrens.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Und das von einer Partei, die von Plottnitz als Terroranwalt bezeichnet hat!)

Meine Damen und Herren, die SPD war auch nicht untätig. Es hätte auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre.Die SPD bringt eine weitere Facette des Beurteilens des Urteils. Sie pickt sich nur diejenigen Dinge heraus, die ihr gefallen, und ignoriert oder bestreitet sogar die Gegenstände des Urteils, die ihr so nicht gefallen.Wie anders ist es zu erklären, dass die hessische SPD das Urteil so kommentiert? Sie sagt, das sei alles eine angemessene und gerechte Bestrafung, aber eines stimme in dem Urteil nicht; denn der Richter sage dort sehr deutlich, dass Manfred Kanther Roland Koch eben nicht 1999 informiert habe. Das bestreitet die hessische SPD nach wie vor.

(Norbert Schmitt (SPD):Vielleicht war es auch vorher!)

Da, wo es Ihnen opportun erscheint, zerpflücken Sie ein solches Urteil, und zwar in einer Art und Weise, die nicht nur völlig unjuristisch, sondern auch moralisch verwerflich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wenn wir an einem solchen Tag, mehr als fünf Jahre nach dem 14. Januar 2000, schon über Ihren hohen moralischen Anspruch reden, Herr Al-Wazir, dann möchte ich zwei Beispiele nennen, die hin und wieder der Wiederholung bedürfen, damit sie öffentlicher werden, als sie das zurzeit leider sind.

Am Rande bemerkt, muss man hin und wieder daran erinnern, dass die Strafe in Höhe von 21 Millionen c, über die Sie sich nicht ganz zu Unrecht freuen,für die hessische CDU und die CDU insgesamt dazu geführt hat, dass die SPD 11,7 Millionen c und die GRÜNEN 2,1 Millionen c mehr in ihren Kassen haben.

(Norbert Schmitt (SPD): Und wie viel haben die CSU und die FDP bekommen?)

Herr Schmitt, das will ich nur feststellen, damit es nicht ganz im Dunkeln bleibt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Täter-Opfer-Ausgleich!)

Aber ich will noch auf etwas anderes hinweisen, was hin und wieder in Vergessenheit gerät, nämlich auf die Tatsache, dass dieselbe SPD, die immer wieder mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung fordert und aufgrund der Finanzaffäre der hessischen CDU immer wieder versucht, zu unterstellen, dass die Transparenz noch nicht gewährleistet sei,nach wie vor einen großen Teil ihres Vermögens nicht offen legt.

(Zurufe von der SPD)

Hier ist aus presserechtlicher Sicht sehr oft über dieses Thema gesprochen worden.Viel zu selten ist hier aber darüber gesprochen worden,dass von einem Vermögen,dessen Höhe die Bundesschatzmeisterin der SPD vor Unter

suchungsausschüssen mit weit über 350 Millionen c angegeben hat, nur 55 Millionen c im Rechenschaftsbericht stehen. Das heißt, von dem Vermögen der SPD sind stille Reserven von round about 300 Millionen c der Öffentlichkeit nicht bekannt, es sei denn, man fragt nach und bekommt eine entsprechende Antwort.

(Petra Fuhrmann (SPD): Wo ist denn der Vergleich?)

Im Zusammenhang mit den GRÜNEN, den ewigen Gutmenschen, möchte ich auf ein jüngst aufgekommenes Thema hinweisen. Ich bin gespannt, in welcher Weise die hessischen GRÜNEN ihren Einfluss auf die Bundesregierung geltend machen werden – der die GRÜNEN schließlich angehören. Im Deutschen Bundestag liegt nämlich die Anfrage eines CDU- und eines CSU-Abgeordneten vor. Sie stellen eine ganz einfache Frage:Weshalb kommt ein Mensch auf die Idee, den GRÜNEN eine Parteispende ausgerechnet in der Höhe von 19.999 DM zukommen zu lassen?

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich weiß, dass es Ihnen nicht gefällt, daran erinnert zu werden. Wir werden Sie immer wieder daran erinnern, denn das unterscheidet uns, meine Damen und Herren: Eine Spende in dieser Höhe erscheint nicht im Rechenschaftsbericht der hessischen GRÜNEN, die in Frankfurt einen Kreisverband unterhalten, in dessen Internetauftritt es unter der Rubrik „Spenden“ heißt, dass alle demokratischen Parteien auf freiwillige Zuwendungen angewiesen sind und lediglich Transparenz und Offenheit gewährleistet werden müssen. Eine Spende in der Höhe von 19.999 DM ist kein Beitrag zu mehr Offenheit und Transparenz in der Finanzierung der hessischen GRÜNEN.