Da die konkreten Momente der Willkür Tür und Tor öffnen, bleiben nur die allgemeinen Erfahrungen übrig. Je nach den allgemeinen Erfahrungen, die jemand hat, kann er also fragen, was er mag. Er kann nach dieser unpräzisen, schwammigen und bürgerfeindlichen Definition alles erfahren, was er nur will.
Nehmen wir einmal den Fall, jemand möchte gern wissen, ob sein Nachbar ein Sparkonto hat.Wenn er zufällig in einer der Stellen arbeitet, kann er seine Anfrage stellen und bekommt die Information, die er haben will. Wunderbar. Er muss nicht einmal ein Formular ausfüllen.
Er kann notfalls zum Telefon greifen und sagen: Hier ist Müller, gehen Sie das einmal durch. – Innerhalb weniger Minuten hat er auf dem Bildschirm die Information. Lesen Sie den Erlass nach,Herr Minister.Dann wissen Sie es genau.
Die Abfrage ist – wie einfach und bequem – an keinerlei Form gebunden. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist unter Rot-Grün vom Bankgeheimnis übrig geblieben. Gar nichts ist übrig geblieben.
Es bleibt noch die Frage:Wann und wie erfährt die jeweilige Bank von der Abfrage? Die Antwort ist einfach: Sie erfährt überhaupt nichts. Sie darf es nach dem Wortlaut des Gesetzes auch nicht erfahren.Sie darf überhaupt nicht informiert werden. Die Voraussetzung ist ja gerade, dass die Abfrage elektronisch erfolgt, und zwar auf eine Art und Weise, die durch die Software sicherstellt, dass die Bank nicht erfährt, wenn irgendein Datum abgefragt worden ist.
Wie ist es nun mit dem betroffenen Steuerbürger? Erfährt er etwas? Die Behörde kann ihn natürlich nach seinen Kontoverbindungen fragen und kann ihm sagen:Wenn du es mir nicht sagst, können wir es elektronisch abfragen. – Aber sie muss es nicht tun. Im Regelfall wird sie es nicht tun. Er erfährt es also vorher schon einmal gar nicht. Nachher soll er es neuerdings erfahren;das hat man in den Erlass geschrieben. Nachher soll er es erfahren.
Aber wie erfährt er es? Er erfährt es durch eine Zeile im nächsten Einkommensteuerbescheid. Der Einkommensteuerbescheid kommt nach zwölf oder vielleicht nach 18 Monaten. Dort gibt es dann eine Zeile, die wie folgt lautet – das ist auch im Text ausdrücklich so empfohlen worden –: Es wurde ein Kontoabruf nach § 93 Abs. 7
durchgeführt. – Das ist die Information des Bürgers. Was er dagegen tun kann, ist ohnehin kaum relevant, weil die Voraussetzungen so schwammig sind, dass kaum jemand sagen kann, sie seien nicht gegeben gewesen.
Der nächste Steuerbescheid wird es ihm dann enthüllen. Die Information ist für ihn relativ irrelevant. Er weiß, es hat jemand gefragt, also war offenbar Interesse vorhanden.
Die FDP-Fraktion hält es für selbstverständlich, dass die Hinterziehung von Steuern und das Erschleichen staatlicher Leistungen unterbunden werden bzw. geahndet werden müssen. Über diesen Grundsatz sind wir uns fraktionsübergreifend im Hessischen Landtag hoffentlich einig.
Den Behörden sind angemessene und geeignete Befugnisse einzuräumen, um Straf- und Missbrauchstatbestände zu erkennen und zu verfolgen. Aber in jedem Fall – darauf legen wir besonderen Wert – muss zwingend eine Abwägung der Interessen von Staat und Bürgern stattfinden. Ich kann nicht im Sinne der Zweckmäßigkeit alles abfragen, was mir gerade in den Sinn kommt, sondern der Staat muss die Interessen der Allgemeinheit wahren und Betrug wirksam bekämpfen.Andererseits genießt die Privatsphäre der Bürger hohen Schutz, und Teil dieser Privatsphäre ist in Deutschland das Bankgeheimnis.
Den faktischen Wegfall des Bankgeheimnisses in Deutschland durch ungehinderten Datenzugriff von Finanzämtern und unzähligen weiteren Behörden und allen,die sich mit diesen Sachverhalten beschäftigen,die ich genannt habe, lehnen wir entschieden ab. Dieser Datenzugriff verschafft den Finanzämtern bereits im Veranlagungsverfahren strafprozessuale Ermittlungsmöglichkeiten, die bisher dem Richter vorbehalten gewesen sind. Der betroffene Bürger erfährt allenfalls mit großer Verzögerung, wenn überhaupt, von dem Abruf. Es gibt keinerlei Kontrollinstanz, die prüft, ob die Voraussetzungen für den Kontenabruf vorliegen. Damit wird, obwohl dies im Text des Gesetzes und des Anwendungserlasses anders formuliert ist, Finanz- und anderen Behörden quasi eine Art Rasterfahndung ermöglicht.
Völlig unzureichend ist der Zugriff anderer als der Finanzbehörden auf die Daten geregelt. Es wird noch nicht einmal gesagt, welche Behörden im Einzelnen zugreifen können. Es ist nur gesagt worden – ich vereinfache –, Behörden, die sich mit dem Einkommen im Sinne des Einkommensteuergesetzes beschäftigen, können zugreifen, und das sind zahlreiche Behörden, die davon Gebrauch machen können.
Noch nicht einmal innerhalb der Behörden ist geregelt, wer unter welchen Voraussetzungen Daten abfragen kann und darf.Dieser Zugriff ist rechtsstaatlich keineswegs vertretbar und wird von der FDP-Fraktion strikt abgelehnt.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat nach Presseinformationen zwei Verfassungsbeschwerden sowie einen Eilantrag vorliegen. Man hat sich in Berlin wohl darauf geeinigt, dass die Sitzung des Finanzausschusses des
Deutschen Bundestages, die heute stattfindet, sich mit dem Gegenstand nicht beschäftigt, sondern dass man das Ganze zurückstellen will, bis der Eilantrag vom BVG beschieden ist.
Unabhängig von der rechtlichen Würdigung müssen wir als Politiker entscheiden, ob wir das politisch wollen, wenn es rechtlich darstellbar wäre. Aber politisch wollen wir Liberale das nicht.
Wir wollen es auch deshalb nicht, weil es zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks diese Maßnahme gar nicht erforderlich ist, eine Monsterdatenbank mit zig Millionen Konto- und Depotinformationen aufzubauen und stückweise auf Zuruf an interessierte Behörden wieder herauszugeben.
Viel einfacher wäre es, endlich eine Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge einzuführen. Diese Steuer würde mit einem einzigen Prozentsatz bei allen Banken für die von ihren Kunden erzielten Kapitalerträge erhoben und an das Finanzamt abgeführt.
Diese Möglichkeit ist bereits Fakt. Sie wird in Österreich praktiziert. Sie hat sich bewährt. Sie erspart unheimlich viel Bürokratie. Sie erspart die Schnüffelei in den Informationen des Bürgers, und sie bringt dem Fiskus wahnsinnig viel Geld, weil sie effizient und effektiv ist. Außerdem verhindert sie das Abwandern von Kapital. Mehr Vorteile kann man kaum noch aufführen.
Vielen Dank für den Hinweis. – Was Österreich uns vormacht, funktioniert also. Wir müssen es im Grunde genommen nur nachmachen. Dazu gehört freilich ein bisschen Mut. Aber lieber ein bisschen Mut als eine dauerhafte und zudem völlig unnötige Einschränkung von bürgerlicher Freiheit und individuellen Rechten.
Ich bin überzeugt, zu diesem Schluss wird nach kurzem Überlegen auch der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar gelangen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege von Hunnius, es hätte ein schöner Frühlingsnachmittag werden können. Ihre Rede trübt das doch ein wenig. Denn das, was Sie hier mit großem Pathos vortragen,
mit großen Begriffen wie dem Schutz des Bankgeheimnisses, dem Datenschutz, dem Schutz der Bürgerinnenrechte, kann nicht darüber hinwegtäuschen, was Ihr Antrag faktisch bedeuten würde, wenn wir ihn beschließen sollten. Er würde bedeuten, dass wir Steuerhinterzieher weiter schützen und kein Instrument hätten, Steuerhinterziehung wirkungsvoll zu bekämpfen. Das würde Ihr Antrag faktisch bedeuten, meine Damen und Herren von der FDP.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): So ein Quatsch! – Weitere Zurufe von der FDP)
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP,es ist mittlerweile eine sehr verzweifelte Suche nach Themen, die Sie diesem Hessischen Landtag zumuten.
Es ist auch ein sehr enger Freiheitsbegriff, ein immer enger werdender Freiheitsbegriff, den Sie als hessische FDP in diesem Hause präsentieren.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) und Florian Rentsch (FDP))