Meine Damen und Herren von der CDU, der Pakt für Deutschland, den Ihre Kolleginnen und Kollegen im Bund – wo sie in der Opposition sind – scheinheilig als Lösung für Arbeitsmarktprobleme anbieten, entlarvt nur zu deutlich, wer hier letztendlich zur Kasse gebeten werden soll. Das sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland. Ihnen fällt zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes nichts anderes ein, als wieder einmal einen Angriff auf die Arbeitnehmerrechte, die Tarifautonomie und die Betriebsverfassung zu starten.
Sie sind auch nicht lernfähig; denn das Ganze hat dem Standort Deutschland auch während der Regierungszeit Helmut Kohls nichts eingebracht.
Die CDU will den Kündigungsschutz lockern, die Tarifautonomie auflösen,Langzeitarbeitslose deutlich unter Tarif entlohnen, die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes zurücknehmen sowie das Jugendarbeitsschutzgesetz und das Arbeitsgesetz ändern. Sie nehmen die schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt zum Anlass, um den Sozialstaat abzubauen. Dabei machen wir Sozialdemokraten selbstverständlich nicht mit.
Offenbar haben die Konservativen immer noch nichts begriffen. Der Sozialstaat ist ein hohes Gut. Um den sozialen Frieden, den wir in Deutschland haben, beneiden uns viele Länder. Ein vernünftig ausgebauter Sozialstaat ist auch ein bedeutender Standortfaktor.
(Beifall bei der SPD – Frank Gotthardt (CDU): Er ist ein so hohes Gut, dass man ihn euch nicht überlassen darf!)
Herr Kollege Boddenberg, Sie haben sich gerade eine Minute Zeit genommen,um über den Standort Hessen zu reden. Was den Standort Hessen betrifft, haben Sie nicht mehr zu bieten, meine Damen und Herren von der CDU.
Ich sage Ihnen: Kümmern Sie sich endlich um ein vernünftiges Konzept für den Wirtschaftsstandort Hessen, anstatt den Landtag wieder einmal mit wahllos zusammengesuchten Statistiken zu beschäftigen.Kehren Sie vor Ihrer eigenen Haustür; denn in Hessen gibt es genug zu tun, und bei vielen Themen brennt es schon an.
Zu dem Thema Arbeitslosigkeit. Es ist infam, wie Sie mit den neuesten veröffentlichten Zahlen umgehen. Selbst die „FAZ“, nicht gerade als sozialdemokratisches Kampfblatt bekannt, titelt am 2. März 2005: „Arbeitslosenstatistik nähert sich weiter der Wirklichkeit an“.
Im Januar und Februar 2005 sind 360.000 bis 370.000 ehemalige Sozialhilfeempfänger und deren Familienmitglieder erstmals arbeitslos gemeldet. Dazu kommen im Februar bundesweit 30.000 Arbeitslose, die aufgrund der kalten Witterung saisonbedingt ihren Job verloren haben.
Wir sind auf dem Weg zu einer ehrlichen Statistik. Aber dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen, weil auch nicht alle optierenden Kommunen ehemalige Sozialhilfeempfänger als Arbeitssuchende gemeldet haben.
Meine Damen und Herren von der CDU, daher gibt es überhaupt keinen Grund, sich selbst zu loben, wie Sie es in Punkt 8 Ihres Antrags tun. In der Arbeitslosenstatistik für Hessen fehlen immer noch viele erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger aus den Städten und Landkreisen, die sich seit Jahresbeginn allein um die Langzeitarbeitslosen kümmern.Auch in Hessen besteht überhaupt kein Anlass zum Jubeln.
Zu den Zahlen. Nimmt man, wie es jetzt das Statistische Bundesamt erstmals getan hat, die Kriterien der Internationalen Arbeitsorganisation zum Maßstab, ergibt sich, dass wir im Januar in Deutschland eine Arbeitslosenzahl von 3,99 Millionen und eine Erwerbslosenquote von 9,3 % hatten. Damit stehen wir im internationalen Vergleich ganz gut da. Sie sehen, es kommt immer darauf an, welche Kriterien zugrunde gelegt werden.
Sie beweisen mit den Zahlen, die Sie vorgelegt haben, dass es Ihnen in Wirklichkeit nicht um die Arbeitslosen geht, sondern nur darum, auf dem Rücken der Arbeitslosen Ihr eigenes parteipolitisches Süppchen zu kochen.
Sie wollen nicht gestalten.Wenn es Ihnen mit gestaltender Politik ernst wäre, hätten die CDU und die Landesregierung längst Maßnahmen ergriffen, damit Hessen in Deutschland wieder Spitze wird, anstatt sich mit einer Position im Mittelfeld zufrieden zu geben, auf die Hessen unter Roland Koch abgerutscht ist.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben es gerade nötig, hier Entsetzen zu heucheln. Am Ende der Amtszeit von Helmut Kohl gab es, ohne dass dabei die arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger mitgezählt wurden, deutlich über 4 Millionen Arbeitslose.
Das ist der Punkt. Die Zeit der Dunkelziffern ist nun endlich vorbei. Die Wurzeln für die jetzige Misere auf dem Arbeitsmarkt liegen in der Wirtschaftspolitik der Neunzigerjahre, als Helmut Kohl regierte.
Damit Sie nicht meinen, ich hätte mir das ausgedacht: Diese Einschätzung stammt von dem Chef des Hamburger Instituts für Volkswirtschaft,Thomas Straubhaar. Das können Sie in der Ausgabe des „Handelsblatts“ vom 8.Februar 2005 nachlesen. Herr Straubhaar stellt fest: „Unter Helmut Kohl wurde arbeitsmarktpolitisch nichts getan und keine Weichen gestellt.“
Mit der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung hat sich das jetzt allerdings geändert. Mithilfe von Hartz IV haben wir erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger aus dem Schatten der Sozialhilfe geholt. Es gilt: Wer arbeiten kann, der soll auch arbeiten.
Aber wir lassen die Menschen – die Arbeitslosen – damit nicht allein. Aufgrund von Hartz IV sind diese Menschen nicht nur in der Arbeitslosenstatistik aufgetaucht, sondern – was viel wichtiger ist – wir ermöglichen ihnen auch
die Teilnahme an Maßnahmen der Beschäftigungsförderung und schaffen damit Perspektiven für ein wirtschaftlich eigenständiges Leben als Erwerbstätige. Das ist das vorrangige Ziel von Hartz IV.
Die CDU hat all dies auf Bundesebene mitgetragen. Jetzt, da es gilt, die Ziele von Hartz IV schnell umzusetzen, gehen Sie in die Defensive und versuchen, auf dem Rücken der Arbeitslosen Ihr eigenes parteipolitisches Süppchen zu kochen. Ich nenne so etwas „schäbig“.
Meine Damen und Herren von der CDU, nach 16 Jahren Stillstand unter Helmut Kohl hätten Sie, was den Standort Deutschland betrifft, einiges gutzumachen.
Trotz aller Diskussionen und Zahlen ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die politische Aufgabe Nummer eins. Darin sind wir uns in diesem Haus hoffentlich alle einig.
Der Unterschied liegt aber darin,wie man das macht.Man macht das eben nicht durch eine Beschneidung der Arbeitnehmerrechte oder durch eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung. Dies würde dazu führen, dass die Arbeitslosen weniger Geld erhalten oder dass weniger Geld für aktivierende Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht.So geht das wirklich nicht. Auf der einen Seite jammern Sie, es stehe zu wenig Geld für die Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung, auf der anderen Seite wollen Sie die Mittel dafür streichen, um die Arbeitsmarktpolitik effektiv zu machen.
Der Pakt, den Sie vorgeschlagen haben, ist kein konstruktiver Pakt zur Behebung der Arbeitslosigkeit. Dieser Pakt wird sich für alle Betroffenen, seien es die Arbeitslosen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Betriebsräte oder die Betriebe, aber auch für den Standort Deutschland als Teufelspakt herausstellen.
Die sozialdemokratische Bundesregierung – das sind die Fakten – hat 2005 6,3 Milliarden c für aktivierende Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt. Damit kann man etwas bewirken. Die positiven Folgen werden sich auf dem Arbeitsmarkt bald bemerkbar machen. Davon sind wir überzeugt.
Allen Unkenrufen zum Trotz – das sollten auch Sie zur Kenntnis nehmen –: Nach mehreren Jahren Beschäftigungsabbau hat im Jahr 2004 die Zahl der Erwerbstätigen im Vergleich zum Jahr 2003 bundesweit um 271.000 zugenommen.
Wir haben mehr Selbstständige in Deutschland. Die Gründungsbilanz im Jahr 2004 ist positiv. 262.000 neue Unternehmen sind entstanden. Jedes neue Unternehmen schuf durchschnittlich zwei Arbeitsplätze.
Ein weiterer positiver Effekt ist der Rückgang der Schwarzarbeit. Im Jahr 2004 ist zum ersten Mal seit 1975 das Volumen der Schattenwirtschaft zurückgegangen,und zwar um 3,8 %. Das sind Erfolge, mit denen sich die Bundesregierung zu Recht schmücken kann.
Durch die Neuregelung der Minijobs wird auch die Schwarzarbeit zurückgedrängt. All den wahllos von der
CDU herbeizitierten Statistiken der verschiedenen Institute zum Trotz: Deutschland ist einer der attraktivsten Wirtschaftsstandorte weltweit. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sollten endlich aufhören, diesen Standort mieszureden.
Was Sie abbauen wollen – Tarifautonomie, starke Betriebsräte –, sichert den sozialen Frieden und ist ein starker Standortfaktor. Unser Faktor Arbeit ist international von anerkannt hoher Qualität.
(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU) – Ruth Wagner (Darm- stadt) (FDP): 5 Millionen Arbeitslose!)
Wir haben ein hohes Bildungsniveau. Können und Ausbildungsstand unserer Fachkräfte sind hoch – wichtig für Hightech-Fertigung und unseren guten Ruf als HightechStandort. Sie wollen das einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Wir sind weiterhin einer der wettbewerbsfähigsten Standorte. Das beweisen z. B. die Zahlen der ausländischen Direktinvestitionen.