Protocol of the Session on January 27, 2005

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entwurf des so genannten Antidiskriminierungsgesetzes ist ein Angriff auf die Freiheitsrechte in unserem Grundgesetz.

(Beifall bei der CDU)

Worum geht es im Kern? Nach dem Willen der Bundesregierung soll es künftig möglich sein,Vertragspartner, z. B. Vermieter oder Arbeitgeber, mit der Behauptung zu verklagen, ein Vertrag sei wegen einer Benachteiligung aufgrund der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion, der Weltanschauung oder der sexuellen Orientierung nicht zustande gekommen.

Lassen Sie mich zwei konkrete Beispiele aus unserem Leben dazu anführen. Ein Vermieter, der mehrere Wohnungen vermietet, hat zwei Interessenten für eine Wohnung: einen Asiaten und einen Italiener. Er entscheidet sich für den Italiener. Der asiatische Interessent kann den Vermieter nach dem Willen von Rot-Grün künftig mit der Behauptung auf Schadenersatz verklagen, er sei wegen seiner Herkunft benachteiligt worden.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch alles Quatsch! So einen Unsinn zu erzählen!)

Der Vermieter muss dann in einem Prozess beweisen,dass die behauptete Benachteiligung nicht zutrifft. Das ist klar und deutlich eine Folge dieses Gesetzes.

(Zurufe)

Ich gebe Ihnen ein zweites Beispiel.Ein Arbeitgeber kann nach dem Willen von Rot-Grün zukünftig von folgenden abgelehnten Bewerbern auf Schadenersatz verklagt werden. – Hören Sie zu. Herr Dr. Jürgens, Sie können dann gern darauf antworten.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo haben Sie eigentlich Ihr Staatsexamen gewonnen?)

Nach diesem Gesetz kann der betreffende Arbeitgeber von allen Älteren verklagt werden, weil er sich für einen Dreißigjährigen entschieden hat, von den ausländischen Bewerbern, weil er einen Deutschen eingestellt hat, von denen mit weißer Hautfarbe, weil er sich für einen Farbigen entschieden hat, schließlich von Homosexuellen, weil er einen Heterosexuellen eingestellt hat. Meine Damen und Herren, das ist die deutliche und gewollte Folge dieses Gesetzentwurfs. Das so genannte Antidiskriminierungsgesetz steht in einem klaren Widerspruch zu unserem Grundgesetz.

(Beifall bei der CDU)

Die in Art. 2 Grundgesetz abgesicherte Vertragsfreiheit garantiert, dass freie und mündige Bürger ihre gegenläufigen Interessen bei der Vertragsgestaltung ohne staatliche Bevormundung ausgleichen können. Es darf daher keinen Rechtsfertigungsdruck geben, dass ein Vertrag nicht mit dem einen, sondern mit einem anderen Partner geschlossen wurde.

Der von Rot-Grün beabsichtigte Verlust der rechtlichen Freiheit bedeutet auch einen erheblichen Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Die Bürokratisierung des gesamten Vertrags- und Wirtschaftsrechts schwächt die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Wenn die Fraport AG etwa ankündigt, zukünftig jede der jährlich eingehenden 16.000 Bewerbungsmappen genau zu archivieren, um gegen mögliche Vorwürfe einer Benachteiligung gewappnet zu sein, kann sich auch der wirtschaftspolitische Laie vorstellen, wie stark die Unternehmen künftig zusätzlich belastet werden. Das Antidiskriminierungsgesetz ist ein Bürokratiemonster, das alle Bemühungen um die dringend notwendige Deregulierung unterläuft.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, unbestimmte Rechtsbegriffe und handwerkliche Fehler verstärken die zu erwartende Belastung.Vieles müssen erst die Gerichte klären, hat die parlamentarische Geschäftsführerin der GRÜNEN, Frau Schewe-Gerigk, offen zugegeben. Ein solches Verschieben von Verantwortlichkeiten kommt einer Bankrotterklärung des Gesetzgebers gleich.

(Beifall bei der CDU)

Den Betroffenen wird es unmöglich gemacht, sich auf das Gesetzeswerk einzustellen. Ich möchte die mangelnde Klarheit im Gesetzentwurf an einem Beispiel verdeutlichen. Das Gesetz soll auf so genannte Massengeschäfte Anwendung finden. Nach § 20 Abs. 1 des so genannten

Antidiskriminierungsgesetzes sollen dies Geschäfte sein, bei denen das Ansehen der Personen eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen.

Insbesondere die Begriffe „nachrangigen Bedeutung“ und „vergleichbaren Bedingungen“ sind völlig unklar. Wie soll sich die Praxis auf derartig schwammige Begriffe einstellen? – Von Verlässlichkeit und Bestimmtheit des Rechts kann in Anbetracht derart unklarer Begriffe keine Rede sein. Stattdessen ist eine Prozessflut zu befürchten, die Wirtschaft und Justiz weiter belasten wird.

Das folgende Beispiel zeigt im Übrigen, dass jeder Versuch einer Privilegierung bestimmter Gruppen ungerecht und auch willkürlich ist. Das so genannte Antidiskriminierungsgesetz schützt z. B. nicht die allein erziehende Mutter oder die kinderreiche Familie, die vom Vermieter unter dem Hinweis darauf abgelehnt werden, Kinder seien im Haus unerwünscht. Stattdessen kann das homosexuelle Paar zukünftig mit der Behauptung auf Schadenersatz klagen, es sei benachteiligt worden. Diese Ungleichbehandlung zeigt die ideologische Prägung dieses Gesetzesvorhabens.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Herr Staatsminister, die Fraktionsredezeit ist abgelaufen.

Ich komme gleich zum Schluss. – Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hat es am 21. Januar auf den Punkt gebracht. Sie schreibt: „Die rot-grüne Koalition wird immer mutiger in der Durchsetzung einer linken Leitkultur.“

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ach du liebe Zeit!)

Die Bundesregierung kann ihren Gesetzentwurf auch nicht mit den Vorgaben der EU rechtfertigen. Herr Dr. Jürgens hat wortreich versucht, dies auszuführen. Erstens hat die rot-grüne Bundesregierung maßgeblich an den Richtlinien der EU mitgewirkt, sie war Mitinitiator. Herr Dr. Jürgens, Sie sagen, wir müssten jetzt das tun, was die EU verlange. Sie waren es, die das gewollt und über die EU eingebracht haben.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir finden das auch richtig!)

Zweitens hat die Bundesregierung offensichtlich als Kniefall vor dem grünen Koalitionspartner einen Entwurf vorgelegt,der weit über das EU-Vorhaben hinausreicht.Herr Dr. Jürgens, nicht 5 %, sondern 30 bis 40 %. Die EU verlangt ein Benachteiligungsverbot nur wegen der Merkmale der Rasse und der ethnischen Herkunft.

Drittens ist die Bundesregierung in der Frage des so genannten Antidiskriminierungsgesetzes zerstritten. So hat das Bundesjustizministerium die Federführung entzogen bekommen, weil es das Vorhaben selbst kritisch betrachtet.

(Dieter Posch (FDP): Hört, hört!)

Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass die Sozialdemokraten in Hessen ein bisschen deutlicher an die Seite der Bundesjustizministerin gesprungen wären.

Lassen Sie mich zum Schluss Folgendes feststellen: Die staatliche Bevormundung der Bürger nach rot-grünen Vorstellungen führt in die Irre. Stattdessen sollten wir das freiheitliche Menschenbild unseres Grundgesetzes verteidigen und auch weiterhin Vertrauen in den mündigen Bürger setzen. Nur die Freiheit des Einzelnen schafft die Grundlage für einen marktwirtschaftlich orientierten Staat, in dem sich Kreativität und Fortschritt entwickeln können.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Sehr richtig!)

„Der Kinderteller, das Seniorenticket und die Frauensauna bleiben trotz Antidiskriminierungsgesetz erhalten.“ – Meine Damen und Herren, das sage nicht ich, das hat die parlamentarische Geschäftsführerin der GRÜNEN, die ich bereits zitiert habe, Frau Schewe-Gerigk, ausgeführt.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Man könnte denken, die GRÜNEN wollten mit dieser Formulierung ihr eigenes Gesetzesvorhaben karikieren. Nein, diese Dame hat es wirklich ernst gemeint. Ich sage: Bei der Diskussion um das so genannte Antidiskriminierungsgesetz geht es nicht um Kleinigkeiten wie den Kinderteller, sondern um den Fortbestand unseres freiheitlichen Rechts- und Wirtschaftssystems.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach, du ahnst es nicht!)

Deswegen lautet mein Schlusssatz: Das ist kein Antidiskriminierungsgesetz, es ist ein Freiheitsbeschneidungsgesetz.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Minister, vielen Dank. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist Tagesordnungspunkt 84 erledigt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie man in fünf Minuten so viel Unsinn reden kann!)

Wir kommen nun zu den Abstimmungen über die Anträge.

Wir stimmen über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 16/3511, ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD und GRÜNE. Gegenstimmen? – CDU und FDP. – Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir stimmen über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP, Drucks. 16/3525, ab.Wer gibt hier seine Zustimmung? – CDU und FDP. Gegenstimmen? – SPD und GRÜNE. – Dann ist dieser Antrag mit Mehrheit beschlossen.

Wir stimmen über den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 16/3560, ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD und GRÜNE. Dagegen? – CDU und FDP. – Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 7 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Siebentes Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Sozialgerichtsgesetz – Drucks. 16/3556 zu Drucks. 16/3469 –

Berichterstatterin ist Kollegin Hofmann. Ich darf Sie um Ihren Bericht bitten.

(Zurufe von der CDU: Wir verzichten auf den Be- richt!)

Meine Damen und Herren, es handelt sich um ein Gesetz, wir können nicht auf die Berichterstattung verzichten. Ich bitte Sie, das sehr wohlwollend und freundschaftlich zur Kenntnis zu nehmen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in der Fassung des Änderungsantrags Drucks. 16/3554 in zweiter Lesung anzunehmen. Der Gesetzentwurf und der Änderungsantrag waren dem Rechtsausschuss in der 58. Plenarsitzung am 25. Januar 2005 nach der ersten Lesung zur Vorbereitung der zweiten Lesung überwiesen worden.

Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf und den Änderungsantrag in seiner Sitzung am 25. Januar 2005 behandelt, den Änderungsantrag mit den Stimmen der CDU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP bei Stimmenthaltung der SPD angenommen und sodann mit den Stimmen der CDU und der FDP bei Stimmenthaltung der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN die genannte Beschlussempfehlung getroffen.