Protocol of the Session on January 26, 2005

Wir müssen nur nach Nordhessen schauen. Das genannte Beispiel findet sich in dem Wahlkreis, in dem der Kollege Schaub kandidiert. Ich halte es für falsch, dass ein Regierungsvizepräsident, der Teil der Kommunalaufsicht ist, in einem kommunalen Parlament sitzt. Ich halte das für inkompatibel.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Dann muss auch zwischen Abgeordnetenmandat und Ministeramt getrennt werden!)

Deshalb haben wir den vorliegenden Antrag gestellt. Leider waren wir nicht erfolgreich. Die Persönlichkeiten, die die FDP auf diesen Ämtern stellt, haben jedenfalls ganz bewusst entschieden, keine kommunalpolitische Arbeit mehr zu leisten, obwohl alle vorher kommunalpolitisch tätig gewesen sind.

(Zuruf von der CDU)

Jawohl, der Regierungsvizepräsident, den die CDU stellt, hat sein anderes Amt aufgegeben, als er ernannt wurde. – Es geht um einen Sozialdemokraten, der bisher nicht zu dem Stil gefunden hat, zu erkennen, dass man als Teil der Kommunalaufsicht nicht gleichzeitig in einem Kommunalparlament sitzen kann. Das wollten wir, das gebe ich zu, mit gesetzlichen Normen verbieten. Dabei sind wir gescheitert.

Strich darunter: Die Debatte über die Reform der HGO war lang. Wir haben uns viel Zeit genommen, über alle

Themen zu diskutieren. Herr Kollege Frömmrich war bei einem Thema anscheinend dauernd draußen. Deshalb hat er von „kurz vor Toresschluss“ gesprochen. Darüber haben wir schon diskutiert.

Vom Ergebnis her gesehen sind wir Liberale enttäuscht über die geplante Novellierung der HGO, insbesondere wegen der Nicht-Reform des Gemeindewirtschaftsrechts und den Einschränkungen demokratischer Rechte bei Eine-Person-Fraktionen. Deshalb werden wir in dritter Lesung gegen diesen Gesetzentwurf stimmen.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön, Herr Hahn. – Für die Landesregierung hat sich Herr Staatsminister Bouffier zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Es ist nicht sehr verwunderlich, dass in der dritten Lesung eine ganze Reihe von Argumenten, die wir auch schon in der ersten und zweiten Lesung ausgetauscht haben, wieder kommt. Ein bisschen enttäuschend ist, dass man gelegentlich den Eindruck haben muss, die Reden werden gehalten, egal, was in der Zwischenzeit passiert.

(Beifall bei der CDU)

Der Gesetzentwurf, den die Landesregierung Ihnen vorgelegt hat, findet in weiten Teilen größte Zustimmung. Es ist ein kluger, in der Sache und nach meiner festen Überzeugung wegweisender Vorschlag. Er verdient breite Zustimmung. Deshalb werbe ich hier in dritter Lesung ausdrücklich um Zustimmung für diesen Gesetzentwurf.

Ich will nicht auf alles eingehen, aber manches, was hier geboten wurde, ist schlicht Unsinn gewesen. Ich sage das einmal so deutlich, damit klar ist, was gemeint ist.

(Beifall bei der CDU)

Es könnte Menschen geben, die es nicht mitbekommen haben, deshalb sage ich: Wir haben eine ganze Fülle von Anregungen der Kommunalen Spitzenverbände aufgegriffen. Zu dem Thema Abwahl komme ich noch, denn auch das ist eine Initiative der kommunalen Seite.Wir haben nicht alle Anregungen aufgegriffen. Das ist wohl wahr.

Der Kollege Frömmrich hat die Änderungen im kommunalen Haushaltsrecht noch kurz erwähnt. Über das Kommunalwahlrecht hat niemand gesprochen. Über die Frage der überörtlichen Prüfung hat ebenfalls niemand gesprochen, auch über vieles andere nicht. Das sind aber weite und wichtige Gebiete für die kommunale Welt, die hier nicht erörtert wurden. Das nehme ich so auf, dass Sie mit den vorgeschlagenen Regelungen in diesen Bereichen einverstanden sind. Deshalb sage ich mit vollem Bewusstsein: Dieser Gesetzentwurf findet breiteste Zustimmung.

Ich komme zu dem schönen Begriff „wirtschaftliche Betätigung“. Ich bezweifle nicht, dass der Präsident der IHK Ausführungen in der Form gemacht hat, wie es der Kollege Hahn hier geschildert hat.Aber in der Anhörung anlässlich der zweiten Lesung hat der Vertreter der IHKs im Landtag gesagt, das sei ein wirtschaftsfeindliches Gesetz. Vertreter der Kommunen haben mir erklärt, das sei der Untergang der kommunalen Wirtschaft. Beides ist, mit Verlaub, schlicht falsch.

(Beifall bei der CDU)

Hier werden Interessen formuliert. Es ist aber nicht die Aufgabe eines Parlaments, Interessen umzusetzen. Unsere Aufgabe ist es, einen klugen Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen zu finden.Das,was wir gemacht haben, ist ein kluger Kompromiss.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben eine Reihe von Instrumenten neu eingeführt. Ich bin überzeugt, wenn diese Instrumente genutzt werden, dann wird die „Feind“-Debatte, die uns schon seit vielen Jahren begleitet, dorthin gebracht, wo sie hingehört – auf die Ebene der Sachlichkeit, nicht der gegenseitigen Vorwürfe. Die einen behaupten, die anderen nehmen ihnen die Aufträge weg, und die anderen behaupten, die Wahrnehmung von Aufgaben der Daseinsvorsorge sei nicht mehr gerechtfertigt. Beides ist falsch. Das will ich in der dritten Lesung ausdrücklich sagen. Ich sage das gerade deshalb, weil dieser Punkt so intensiv diskutiert wurde.

Sie haben es heute unterlassen, z. B. auf die Beteiligungsberichte zu sprechen zu kommen. Aber auch sie gehören zu der Novelle.

(Günter Rudolph (SPD): Da sind wir uns doch einig!)

Ich habe Ihnen doch auch zugehört. Damit es Menschen gibt, die das vollständige Votum mitbekommen, darf ich das doch wenigstens noch kurz erwähnen. – Ich kann es kurz machen. Der Gesetzentwurf enthält zu 90 % Dinge, von denen ich überzeugt bin, dass alle Fraktionen sie eigentlich für richtig halten. Aus politischen Gründen muss man als Opposition den Gesetzentwurf allerdings ablehnen.

(Günter Rudolph (SPD): Nein, nein!)

Herr Kollege Rudolph und Herr Kollege Frömmrich haben in einer Art rhetorischem Gewaltritt quer durch das Gelände ein paar Punkte angesprochen. Ich will mich nicht auf alle beziehen, um die Zeit nicht überzustrapazieren. Aber ein oder zwei Punkte müssen deutlich klargerückt werden. Hier ist von einem „Auf-den-Kopf-Stellen der Direktwahl“ gesprochen worden. Hier ist vom „goldenen Handschlag“ geredet worden. Sie haben sich sogar dazu verstiegen, über Versorgungsfragen zu sprechen.All das ist komplett falsch.

(Clemens Reif (CDU): Sehr richtig!)

Worum geht es eigentlich? Sie haben ein Thema hochgezogen, damit Sie eines haben und die Presse darüber schreibt.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deshalb nehme ich mir die Freiheit, insbesondere im Interesse der beteiligten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, den Sachverhalt einmal so darzustellen, wie er wirklich ist.

Wer die Debatte hier verfolgt hat, der hat den Eindruck bekommen, hier würde etwas völlig Abwegiges geschehen.Worum geht es eigentlich?

Wir haben in Hessen doch folgende Situation: Wenn ein Stadtparlament, ein Gemeindeparlament, ein Kreistag mit Zweidrittelmehrheit zweimal eine oder einen abwählt, dann muss derzeit das Volk diese Abwahl bestätigen.

(Günter Rudolph (SPD): Das habe ich alles gesagt!)

Tut das Volk das nicht, bleibt sie oder er im Amt. So geschah es in Lollar.

(Günter Rudolph (SPD): Jawohl!)

Was ist jetzt neu? Neu ist die Frage, ob wir jemanden, den das Parlament zweimal abgewählt hat und der selbst nicht mehr will, per Gesetz zwingen sollen, diese Volkswahl durchzuführen?

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Wenn Sie das wollen – das kann man –, dann müssen Sie sagen, der muss eigentlich vors Volk treten und sagen: Liebe Freunde, wählt mich nicht mehr, ich will nicht mehr.

(Günter Rudolph (SPD): Der will die Kohle!)

Das ist doch die Konsequenz von allem. Ich halte es für richtig, dass man vernünftig darüber diskutiert. Man kann ja anderer Meinung sein. Derjenige, der nicht akzeptiert, was das Stadtparlament entschieden hat, hat nach wie vor das Recht, das Volk zu fragen. Das waren die Fälle, die Sie genannt haben.

(Reinhard Kahl (SPD): Das ist klar!)

Welchen Sinn hat es eigentlich,jemanden in ein Verfahren zu zwingen, der nicht mehr will?

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist der eine Fall!)

Das kostet nur die Bürger viel Geld. Das ist dann ein Scheinwahlkampf, weil der Betreffende nicht mehr amtieren möchte.

(Norbert Schmitt (SPD): Es gibt auch andere Fälle!)

Man muss doch einmal darüber reden, ob das vernünftig ist. Ihre eigene Fraktion hat doch aus genau diesen Gründen vor Jahren das Recht geändert. Früher mussten doch die Bürgermeister, auch wenn sie nicht mehr wollten, sich der Wiederwahl stellen, damit sie ihre Versorgungsansprüche nicht verloren.

(Reinhard Kahl (SPD): Genau das war die Schutzfunktion für die Gemeinde!)

Das war Rot-Grün. Sie haben das verändert, mit meiner Zustimmung. Denn wir haben gesagt, es ist ein Unsinn, jemanden, der nicht mehr will, in ein Verfahren zu zwingen,

(Norbert Schmitt (SPD): Das kann aber teuer werden! – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

in dem er sich vors Volk stellt – oder damals vors Stadtparlament – und sagt: Ich muss mich hier bewerben, liebe Freunde, ich will aber nicht mehr. – Dann bekam er programmgemäß auch bestätigt, dass sie ihn nicht wieder wählen.