Protocol of the Session on January 26, 2005

(Volker Hoff (CDU): Danke!)

Wir haben, um das Ganze rund zu machen, außerdem ein Schloss im Odenwald gekauft.

(Widerspruch bei der CDU)

Klasse, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion. Wir haben zum Schuljahresbeginn 2004/2005 über 1.000 Lehrerstellen gestrichen. Super, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der Innenminister hat uns angekündigt, dass fast 1.000 Stellen bei der Polizei gestrichen werden. Klasse, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion. Herr Ministerpräsident, sich hierhin zu stellen und eine solche Regierungserklärung abzugeben, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat, das ist schon eine sehr komische Angelegenheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Gestern war in der „Bild“-Zeitung das Faksimile eines Briefs eines Richters am Frankfurter Landgericht an eine Anwaltskanzlei abgedruckt. Er steht unter dem Stichwort „Moderne Verwaltung“.

In dem Rechtsstreit X gegen Y wird der Termin am 27. Januar 2005 wegen der auf der Geschäftsstelle der 25. Zivilkammer erneut aufgetretenen chaotischen Zustände (Stapel unbearbeiteter Post und Akten, die sich unsortiert auf dem Boden ansam- meln) auf Donnerstag, den 24. Februar 2005, verlegt.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das ist eine tolle moderne Verwaltung, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Volker Hoff (CDU):Sie haben einen Mörder freigelassen!)

Der Landgerichtspräsident sagt auf die Frage, wie es zu so etwas kommt: „Das Land hat 5 % unseres Personals eingespart. Wir haben noch 66 Angestellte. Jährlich gibt es 12.000 neue Fälle, ein riesiges Pensum.“

Wir alle haben doch ein Interesse daran, eine ordentliche Verwaltungsreform durchzuführen und moderne Strukturen einzuführen. Aber das muss noch ein bisschen etwas mit dem zu tun haben, was in den Ämtern, Gerichten und Dienststellen wirklich los ist.

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Herr Ministerpräsident, Sie können es sich sparen, hier im Plenarsaal Wolkenkuckucksheime zu malen, wenn die Realität so aussieht, wie man es hier sehen konnte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Ministerpräsident, es kommt noch etwas dazu. Ich möchte jetzt nicht aus diesem netten Buch zitieren, wie das der Kollege Walter schon getan hat.Aber Anfang der Achtzigerjahre haben Sie schon einmal einen netten Ausflug in die ökologisch-soziale Marktwirtschaft gemacht. Was ist im Jahre 2005 davon übrig geblieben?

Ich sage es Ihnen: Im Jahr 2005 ist ein Vertreter einer Betoninfrastrukturpolitik übrig geblieben, wie sie Anfang der Siebzigerjahre nicht anders formuliert worden ist. Wenn das mit ein bisschen Informationstechnologie-Neusprech garniert wird, dann wird daraus noch keine moderne Politik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wissen Sie: Ein modernes Dokumentenmanagementsystem bedeutet noch nicht, dass das, was darin abgespeichert wird, bereits modern ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, wenn Sie glauben, bei der Verwaltungsreform als Großreformer starten und am Ende als Papierzähler landen zu können,dann wird das den Anforderungen nicht gerecht, die wir alle miteinander an eine moderne Verwaltung stellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Dr. Jung, wenn tatsächlich noch dieser Unsinn mit den Genehmigungsverfahren in der Gentechnologie – der so genannten roten Gentechnologie – aus der Mottenkiste gezogen wird, dann frage ich mich wirklich, warum Sie so etwas nötig haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Erstens. Die Insulinproduktion bei Hoechst wurde von einer rot-grünen Landesregierung genehmigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Zweitens. Sehr verehrter Herr Dr. Jung, als Rot-Grün 1991 die Regierungsgeschäfte übernommen hat, gab es in diesen Bereichen unglaublich lange Verfahren.Wir haben sie bei einem Regierungspräsidium zentralisiert

(Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

und die Verfahrensdauern drastisch reduziert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Der Regierungspräsident in Gießen, bei dem wir das zentralisiert haben, war ein Mitglied von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und hieß Bäumer. Sie erinnern sich. Der Regierungspräsident, der es vorher nicht hinbekommen hatte, hieß Alois Rhiel, heute bei Ihnen Wirtschaftsminister. So viel zur Frage, wer hier eigentlich was tut.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich verstehe das nicht.Aber, Herr Ministerpräsident, wissen Sie, wenn man von moderner Verwaltung redet, großartige Portale verspricht und sich über den E-Mail-Verteiler den Mund fusselig redet, dann ist es auch dort angebracht, zu sagen:Wir unterschreiben alles, was Modernität betrifft. Aber auch hier wäre ein kurzer Blick in die Realität nicht verkehrt.

Vor ein paar Wochen haben wir einmal bei der Pressestelle des Wirtschaftsministeriums, beim schnellen Herrn Rhiel, angerufen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Der ist aber kein Pressesprecher!)

Das stimmt, der ist kein Pressesprecher. – Wir haben dort gefragt, ob wir in den E-Mail-Verteiler der Presseerklärungen aufgenommen werden können. Die Antwort war: So etwas haben wir nicht.

(Heiterkeit des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Wir haben heute Morgen einmal im Internet geschaut – Stichwort: hessen.de als Oberportal für Modernität. Und was finden wir dort? Unter Sozialministerium.hessen.de – Sozialpolitik – Familie – Themen – Familienpolitische Offensive der Hessischen Landesregierung finden wir das, was Sie, Herr Dr. Jung, angesprochen haben: „Bewusstsein für Familien schärfen – Maßnahmenschwerpunkte“: virtueller Familienatlas, Familienberatung/Familienbildung – alles in Ordnung. Der einzige Fehler: Dort ist die Rede von der Ministerin Marlies Mosiek-Urbahn. Heute Morgen im Internet.

(Große Heiterkeit und anhaltender lebhafter Bei- fall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe der Abg. Volker Hoff und Michael Boddenberg (CDU) – Lachen des Ministerpräsidenten Roland Koch)

Herr Ministerpräsident, sehen Sie, ich glaube, wir haben nichts dagegen, wenn die Hessische Landesverwaltung eine moderne Verwaltungsreform erfährt.Wir haben auch nichts dagegen, wenn Sie das, was wir begonnen haben, fortführen. Allerdings sind wir der Meinung, dass man nicht irgendwann erklären kann: „Skandal! Im Jahr 1980 hatten die noch nicht einmal einen Anschluss ans Internet!“ Da muss man sich auch einmal überlegen, was auf diesem Sektor in den letzten Jahren alles geschehen ist. Herr Ministerpräsident, ich glaube, wenn wir wirklich darüber reden,wie Verwaltungsreform eigentlich stattfinden soll, dann müssen wir sagen: Wenn Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger modern erbracht werden sollen, dann gehört dazu nicht nur das richtige Werkzeug, sondern auch das motivierte Personal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dann nämlich kommen wir einmal zum Kern dessen, was Sie hier tun. Herr Ministerpräsident, Ihr Umgang mit den Beschäftigten des Landes Hessen ist das genaue Gegenteil von dem, was man machen muss, um eine motivierte Verwaltung zu bekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann mich noch erinnern, dass der Innenminister vor der Landtagswahl ausgeschwärmt ist und jedes neue Polizeiauto persönlich übergeben hat,

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD: Mehrfach!)

manches sogar doppelt.

(Günter Rudolph (SPD): Dreimal!)

Sie haben gesagt, wie toll und modern Sie sind. Natürlich haben Sie dabei nicht gesagt, dass die Polizistinnen und Polizisten nach der Wahl in ihren schicken neuen Autos 10 % mehr Dienstzeit bei weniger Gehalt haben. Ich sage Ihnen, wir können Ihnen in allen Bereichen der Landesverwaltung – bei der PVS; beim Umgang mit dem Personal; bei der Stimmung, die derzeit in den Dienststellen herrscht; bei Hierarchien, die einmal abgeflacht worden sind, das A und O moderner Verwaltung, und die bei Ih

nen wieder eingeführt werden – nachweisen, dass das, was Sie tun, nicht zu besserer, sondern zu schlechterer Dienstleistung der Verwaltung des Landes Hessen führen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie und Ihre Landesregierung sind auf diesen Feldern nicht einfallsreicher als ein Unternehmer der Gründerjahre des 19. Jahrhunderts. Ihre Ansage heißt: Mehr arbeiten, dafür weniger verdienen – und vorher rede ich mit euch darüber überhaupt nicht.