Protocol of the Session on December 16, 2004

Herr Kollege Kaufmann von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungsfraktion ist sprachlos

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU):Wie bitte?)

und zu drei Vierteln auch schon geflüchtet.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie nicht so sprachlos wären, Herr Kollege Milde, hätten Sie nicht den Weltökonomen Caspar hier vorgeschickt. Nach dem Motto „Der Name ist Programm“ hat er uns etwas über Botswana und über ökonomische Daten erzählt, die kein Mensch nachvollziehen kann und die überhaupt nichts mit dem Nachtragshaushalt des Landes Hessen für 2004 zu tun haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie flüchten sich in Vergleiche und erzählen Geschichten über die Ökosteuer, betrachten aber das Land Hessen in keiner Weise.

Ich möchte Sie auf eines hinweisen, meine Damen und Herren von der CDU: Hessen war unter Rot-Grün in allen ökonomischen Daten auf Platz eins. Wir standen in Konkurrenz mit dem Stadtstaat Hamburg. Da waren die Plätze eins und zwei manchmal vertauscht,weil Hamburg, wie wir wissen, andere Bedingungen hat. Aber etwas anderes stand überhaupt nicht zur Debatte. Aber seitdem Sie regieren, geht es in Hessen bergab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt sind Sie schon stolz darauf, dass wir Platz drei erreicht haben, vielleicht mit der Hoffnung: Wir schaffen wieder Platz zwei.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren,das sind hessische Punkte.Das sollte man betrachten und nicht nach Botswana, nach Südafrika, in den Kongo oder in andere Länder flüchten, von denen Sie meinen, Sie müssten sie zum Vergleich heranziehen.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Lettland, Herr Kollege!)

In der Rede des Herrn Kollegen Caspar wurde auch deutlich, dass Sie alle Argumente, die wir in der ersten und in der zweiten Lesung vorgebracht haben, offensichtlich überhaupt nicht ernst nehmen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Sie sollten sie aber ernst nehmen, Herr Kollege Boddenberg. Man sollte sie in der Tat ernst nehmen.Aber Sie schließen die Ohren und die Augen, den Mund leider nicht. Sonst wären Sie mit den berühmten drei Affen vergleichbar.

Meine Damen und Herren, ich frage mich: Was soll man denn noch machen, um Sie auf die Tatsachen in Hessen hinzustoßen? Ich kann Sie doch nicht verprügeln. Schon weil ich einer gewaltfreien Partei angehöre, kann ich das nicht machen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Außerdem wäre das auch nicht parlamentarisch. Jeden Versuch, Sie endlich mit einer parlamentarisch zulässigen Provokation zum Nachdenken zu bringen – einschließlich jeder zulässigen Beleidigung –, habe ich von diesem Pult aus schon abgelassen.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Was soll ich denn sonst noch machen? Sagen Sie mir das doch einmal. Sie kommen hierher und erzählen etwas. Sie könnten auch etwas über das Paarungsverhalten der Elefanten oder die Unsterblichkeit der Maikäfer erzählen.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Richtige Argumente vortra- gen!)

Das hat mit dem Haushalt überhaupt nichts zu tun.

(Zuruf von der CDU: Wenn Sie dummes Zeug er- zählen, kann Sie niemand ernst nehmen!)

Meine Damen und Herren, die Regierungsfraktion ist geflüchtet, und die Regierung ist offensichtlich einem völligen Realitätsverlust erlegen. Seit 1999, seitdem Sie so stolz sind,dieses Land zu regieren,gab es keinen Haushalt ohne Ausgabensteigerung: 2,1 %, 0,8 %, 3,2 %, 1,9 %, 3,2 %, obwohl auch Sie die Finanzlage kennen sollten. Das Ergebnis war: Jedes Jahr wurde die Verschuldung weiter gesteigert.

Wenn Sie im Laufe des Haushaltsvollzugs merken, dass die Einnahmen weniger werden und die Ausgaben nicht mehr gedeckt werden können, schließen Sie Augen und Ohren und sagen:Wir brauchen nichts, wir haben alles im Griff, wir haben die Ausgaben im Griff.Am Ende des Jahres – Ultimo ist praktisch erreicht – kommt eben noch ein Nachtrag. Man haut noch einmal 144 Millionen c drauf, obschon die Nettokreditaufnahme um über 500 Millionen c erhöht worden ist.

Aber daran ist niemand, überhaupt niemand von Ihnen schuld. Schuld sind die Bundesregierung, die Regierung von Botswana und Rupert von Plottnitz. Das sind Ihre Aussagen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Caspar,da kann ich wirklich nur sagen:Kein anderer kann das – schon vom Namen her – so vortragen wie Sie.

Meine Damen und Herren, blicken wir einmal in den Haushalt hinein. Was ist denn von uns selbst gemacht? Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen im Bereich der Justiz: 46 Millionen c, Einnahmeausfälle bei verspäteten Säumniszuschlägen: 16 Millionen c, Mindereinnahmen bei Langzeitstudierenden, Studiengebühren, Verwal

tungskostenbeiträge der Studierenden: 15,5 Millionen c, Mehrbedarf an Mitteln für Vertretungsunterricht: 10 Millionen c. An allem ist wohl die Regierung von Botswana schuld.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verstehe ich Ihre Rede so richtig? Sie müssen sich endlich dazu bekennen, dass Sie hier regieren und dass Sie die Verantwortung für den Haushalt haben, insbesondere auch für einen Nachtragshaushalt, wobei wir uns schon daran gewöhnt haben, dass er immer im Dezember, am Ende des Jahres kommt, wenn er praktisch nichts, aber auch gar nichts mehr bewegt, sondern nur noch den Wechsel querschreibt, weil Sie wieder über den Zapfen gehauen haben, wie man umgangssprachlich sagt, d. h. viel zu viel Geld ausgegeben haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich will ein Beispiel nennen, weil der Finanzminister bei jeder Debatte im Ausschuss, bei vielen Gelegenheiten hier und möglicherweise auch noch gleich anschließend darüber jammert, dass die Steuereinnahmen so unsolide sind und sozusagen unvorhersehbar zusammenbrechen. Da nennt er ja auch immer die Körperschaftsteuer. Bei der Körperschaftsteuer ohne Zerlegung stehen im ursprünglichen Haushalt 2004 Einnahmen von 700 Millionen c. Im Nachtragshaushalt sind es 401 Millionen c und aufgrund des Änderungsantrags der CDU 286 Millionen c. Bei der Körperschaftsteuer mit Zerlegung sind es im Haushalt 2004 50 Millionen c und im Nachtragshaushalt 69 Millionen c.

Meine Damen und Herren, wenn man das feststellt und seit Jahren klagt, sollte das eigentlich Anlass sein, einmal genauer hinzusehen. Der Finanzminister sagt, es sind im Wesentlichen die Steuerzahlungen weniger großer Unternehmen, die ausbleiben oder zurückgehen und uns damit Probleme machen. Diese wenigen großen Unternehmen sind in der Regel DAX-notiert und legen Bilanzen vor. Wenn man diese ansieht, weiß man schon Monate – möglicherweise sogar ein Jahr – vorher, wann auf einen Rückforderungen oder Steuerausfälle zukommen.

Wenn man sich darum kümmern will, wird man nicht am 16.Dezember – wir hatten es ja schon am Montag,also am 13. Dezember – überrascht und muss nicht sagen: Um Gottes willen, jetzt fehlen noch einmal 144 Millionen c. – Das ist Ihre nonchalante Art, mit den Finanzproblemen umzugehen nach dem Motto: Die Ausgaben haben wir im Griff, für die Einnahmen ist der liebe Gott zuständig, und da bleibt uns nichts anderes als Beten. – Nein, meine Damen und Herren, das ist keine akzeptable Finanzpolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hinter dem Haushalt steckt also auch schlechtes Management.

Meine Damen und Herren, ich weiß, auch das wird nichts mehr nützen. Sie werden den Haushalt gleich anschließend beschließen. Ich gebe mich da keinen Illusionen hin, weil die Einsicht bei der CDU nur bedingt ausgeprägt ist. Das bevorstehende Weihnachtsfest ist ja für den Finanzminister auch eher ein Osterfest: Der Leidensweg geht zu Ende, die Auferstehung naht, und im nächsten Jahr kann er es besser machen. Ich hoffe, er tut es.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Weimar das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn ich die verehrliche Opposition von Rot und Grün höre, bin ich im Hinblick auf den Erfolg der Finanz- und Wirtschaftspolitik und der Politik insgesamt in diesem Land etwas verwirrt. Denn wenn ich es richtig in Erinnerung habe, haben nach vier Jahren CDU und FDP immerhin fast 60 % uns und nicht einmal 40 % Rot und Grün gewählt. So falsch kann die Politik also eigentlich nicht gewesen sein. Vielleicht blenden Sie an dieser Stelle etwas aus, insbesondere die Realität.

(Zurufe von der SPD)

Entschuldigung, ich habe nur eine Realität dargestellt.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Die Wahrheit wollen die nicht hören! – Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Ich wollte einfach einmal den Grad der Zufriedenheit der Bürger mit der Politik in Hessen darstellen.

Meine Damen und Herren,ich habe mich gestern ein bisschen über die Vorträge geärgert,die zu dem Punkt kamen, wir hätten erst am Montagabend die Steuerzahlen für den Nachtragshaushalt vorgelegt. Insbesondere Herr Al-Wazir hat das gesagt. Das hatten wir so vereinbart, weil das auch sinnvoll ist. Denn der 8. und der 10. sind die großen Zerlegungs- bzw. Abrechnungstermine, und dieser Landtag hat einen Anspruch darauf,dass Zahlen vorgelegt werden, die tatsächlich die Chance haben, bis zum Jahresende zu halten.Wenn man hier solche Vorträge hält, sollte man doch bitte ein bisschen darauf achten, was wir zwischen den Beteiligten vereinbart haben – übrigens auch mit dem Rechnungshof, im Sinne der Präzision dessen, was hier heute beschlossen wird.

(Das neben dem Platz des Finanzministers an der Regierungsbank aufgebaute Stativ einer Fernseh- kamera knickt ein.)

Ah ja, der Abbau des Landtags geht voran.