Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag der GRÜNEN-Fraktion suggeriert, dass die Studienvielfalt an Hessens Hochschulen bedroht sei. Dies ist aber eine falsche Wahrnehmung, und es ist auch nicht richtig. Es stimmt zwar, dass auch Institutsschließungen möglich sind; allerdings hat das nichts mit Mittelkürzungen zu tun. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Hessen seine Hochschulen bisher noch nie so unterstützt hat wie jetzt. Ich habe Ihnen dazu eine Grafik mitgebracht. Da sieht man ganz deutlich, wie die Zuschüsse des Landes zu Zeiten von Rot-Grün waren. Während der CDU/FDPRegierung sind sie angestiegen, und jetzt werden sie weiter kontinuierlich ausgebaut. Das hat also grundsätzlich mit Mittelkürzungen überhaupt nichts zu tun.Wir werden die Maßnahmen an den Hochschulen und die Unterstützung ganz konsequent weiterführen.
Worum geht es aber? Es geht darum, unsere Universitäten und Fachhochschulen in die Lage zu versetzen, ihre Stärken weiterzuentwickeln und Schwerpunkte zu setzen. Wenn wir dies wollen,müssen wir im Gegenzug dazu auch akzeptieren, dass einige der nicht zu den Schwerpunkten zählenden Fachbereiche verkleinert oder geschlossen werden.Ich halte das so lange für nicht problematisch,wie sichergestellt ist, dass nicht alle unsere Hochschulen die gleichen Schwerpunkte setzen. Zurzeit bieten die hessischen Hochschulen den Studenten ein umfangreiches Angebot verschiedener Studiengänge. Aber einige Studiengänge sind hinsichtlich ihrer Studentenzahl weit von einer sinnvollen Auslastung bzw. Größe entfernt. In einigen Studiengängen sind gerade einmal 20 oder 30 Studierende – teilweise sogar weniger – eingeschrieben.
Nach meiner Überzeugung ist es sinnvoll, dass solche Studiengänge und Institute an einer oder an zwei Hochschulen konzentriert werden. Eine solche Konzentration böte gerade kleineren Instituten die Möglichkeit, ihre Angebote auszubauen oder zu vertiefen. Gerade die Grundveranstaltungen beanspruchen in einem kleinen Fachbereich einen überproportional großen Personalanteil. Bei der Zusammenlegung an einer Hochschule könnten da
her Synergieeffekte geschaffen und genutzt werden. Dies böte dann auch die Chance für eine deutlich schärfere Profilbildung. Ein schärferes Profil bedeutet nicht zuletzt ein höheres nationales und internationales Renommee. Entscheidend ist daher nicht der Umfang der Studiengänge an einer einzelnen Hochschule, sondern entscheidend ist die Fähigkeit auch kleinerer Studiengänge, Exzellenzen zu bilden und auszuzeichnen. Die Möglichkeit hierfür bietet die Zusammenlegung kleinerer Fachbereiche an einer Hochschule. Damit wäre sichergestellt, dass die Studienvielfalt in Hessen erhalten bleibt.
Die GRÜNEN-Fraktion behauptet in ihrem Antrag, es bestehe die Gefahr, dass an Hessens Hochschulen künftig nur noch so genannte Standardstudiengänge angeboten werden. Wir von der CDU-Fraktion wollen eine solche Hochschullandschaft nicht. Wir sehen auch keine Entwicklung in dieser Richtung. Wir wissen sehr wohl, dass gerade die kleinen Studiengänge – ich nenne sie einmal „Kolibrifächer“ – den Hochschulbereich beleben und bunter machen. Wir wissen, welche Bereicherung diese Fächer für Wissenschaft und Gesellschaft darstellen.
Wir sind davon überzeugt, dass die kleineren Fachbereiche durch die Konzentration auf den einen oder anderen Hochschulstandort gestärkt werden.Damit werden sie ein Stück aus ihrem Nischendasein befreit. Die Vielgestaltigkeit der Studiengänge wird erhalten bleiben. Dies ist aber auf Landesebene und nicht an der einzelnen Hochschule zu sehen. Damit der Wissenschaftsstandort als Ganzer durch seine Vielfalt gekennzeichnet bleibt, ist eine zuverlässige Koordinierung an den Hochschulen notwendig.
Daher bin ich sicher, dass gerade die „Kolibris“ unter den Studiengängen an ihrem berechtigten Platz an der Hochschule erhalten bleiben.Wir halten Ihre Befürchtung deswegen für unbegründet und sehen den Antrag eigentlich auch als unnötig an. Im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst können wir uns darüber aber natürlich noch einmal genau austauschen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielfalt der Studiengänge ja,sehr verehrte Kollegin Sorge, aber nicht ohne Struktur. Es geht nicht um den Bauchladen an jedem Hochschulstandort.
(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben wir doch gar nicht gesagt! Es geht um die Struktur!)
Es geht um Schwerpunktbildung, und es geht um Profilbildung. Das heißt auch, dass es an dem einen oder anderen Hochschulstandort nach einer gründlichen Analyse der Stärken im Wettbewerb – im Wettbewerb in Hessen, aber auch im Wettbewerb in der Bundesrepublik und international – um eine Neuausrichtung geht. Dies aber, liebe Kollegin Sorge, richtet sich anders, als Sie das mit Ihrem Antrag suggerieren, nicht gegen die so genannten kleinen Fächer oder gegen gewisse geisteswissenschaftli
che Fächer, wie Sie das in der Begründung aufgeführt haben. Oft dienen gerade kleine Fächer, auch „Orchideenfächer“ genannt, der Profilbildung oder der Profilergänzung an ihren Hochschulen.Ich kann als Beispiel die Afrikanistik an der Universität Frankfurt anführen, einen Fachbereich, der von der Studierendenzahl her sicher überschaubar ist.
Da muss ich dem Kollegen Reißer widersprechen. Es geht nicht immer nur um die Zahl der Studierenden, sondern es geht um wissenschaftliche Qualität, um Exzellenzen. Das ist z. B. bei der Afrikanistik in Frankfurt gegeben. Auch wenn dieser Fachbereich sicher kein Profitcenter der Universität Frankfurt ist, ist sich die Frankfurter Hochschule sehr wohl bewusst, dass er eines ihrer Profile, eine ihrer Exzellenzen ist. Daher ist in der Entwicklungsplanung der Hochschule auch vorgesehen, diesen Fachbereich zu dotieren und zu erhalten.
Liebe Kollegin Sorge, unserer Meinung nach ist es zuvörderst Sache der Hochschulen, die Entscheidung nach sorgfältiger Analyse der eigenen Stärke und vor allem der Eingeständnisse der eigenen Schwächen in einzelnen Bereichen zu treffen. Es ist die Entscheidung der Fachbereiche und der Senate selbst, wenn wir die Autonomie dieser Gremien an der Hochschule wirklich ernst nehmen. Das ist nicht mehr – das will das Hochschulgesetz ganz bestimmt nicht – eine Entscheidung der Abgeordneten,auch wenn wir alle die Briefe kennen, die uns bei Institutsschließungen erreichen. Es ist auch nicht die Entscheidung allein des Ministers, was an welcher Hochschule studiert werden kann.
Wir von der FDP haben diese Hochschule gewollt. Deswegen haben wir das Hochschulgesetz so formuliert. Wir wollten damit auch Verantwortung übertragen; aber ich stelle fest, dass es immer noch Leute gibt, denen es schwer fällt, loszulassen.
Anders als der Vorwurf, der immer von Ihrer Seite kommt, ist dieses Loslassen kein Laisser-faire, kein „Lasst es sich wild entwickeln, es wird sich schon irgendwie weisen“. Nein, liebe Kollegin Sorge, die Instrumente sind andere geworden.
Beispielsweise geht es darum, in Zielvereinbarungen zwischen den Hochschulen und dem Land festzulegen,wo die einzelnen Schwerpunkte sind. Dann hat man seitens des Landes im Ministerium natürlich auch die Übersicht darüber, wie sich diese Schwerpunkte ergänzen. Als Auftraggeber wird das Land dann im Hinblick auf die Größe mit den Hochschulen eine bestimmte Anzahl von Studienplätzen vereinbaren und das miteinander koordinieren. Bisher liegen diese Zielvereinbarungen nur in der so genannten nullten Generation vor. Es gilt, dieses Instrument weiterzuentwickeln.
Ein weiteres Instrument ist der Abstimmungs- oder Koordinierungskreis der Hochschulen untereinander.Der tagt. Ich gebe durchaus gerne zu – das haben wir auch schon einmal im Ausschuss diskutiert –, dass das schleppend angelaufen ist. Aber mit einem gewissen Druck seitens des Ministeriums und auch durch die Moderatorenstellung, von der der Minister selbst mitgeteilt hat, dass er sie übernommen hat, ist das doch ein bisschen ins Laufen gekommen. Ich glaube, die Ergebnisse können sich sehen lassen: Wir haben, über das Land verteilt, eine Vielfalt an Angeboten.
Ich finde es auch wichtig, zu betonen, dass die Hochschulen diese Aufgabe,die wir ihnen gegeben haben,in eigener Verantwortung wahrnehmen. Wir können hier auf Beispiele hinweisen, etwa die Verlagerung der Heil- und Sonderpädagogik von Marburg nach Gießen. Das war höchst umstritten, hat Jahre gedauert, ist dann aber in eigener autonomer Verantwortung der Hochschulen geschehen. Mittlerweile sind alle mit der Lösung sehr glücklich – auch diejenigen, die damals diese Entscheidung kritisiert haben.
Oder nehmen Sie die Konzentration der Geowissenschaften von drei Standorten auf den einen Standort Frankfurt. Ich glaube, der Neubau des Institutsgebäudes wird beweisen, dass wir hier schlagkräftiger geworden sind.
Frau Kollegin Sorge, diese Entscheidungen sind oft nicht leicht. Oft werden sie gegen die Widerstände der Betroffenen gefasst werden müssen – und dann kommen die jeweiligen Bittschreiben an uns Abgeordnete, hier doch bitte einzugreifen, das Abendland sei am Untergehen.
Ein Beispiel dafür ist sicherlich das Institut für Lebensmittelchemie, das Sie in Ihrem Antrag ansprechen. Meine Überprüfung dieses Sachverhalts hat jedoch ergeben, dass hier ein sehr verantwortungsvoller Umgang gepflegt wurde. Das Studium der jetzt eingeschriebenen Studierenden kann dort abgeschlossen werden, und momentan wird an einer Übernahme dieses Studiengangs in den Bereich Life-Sciences an der Universität Gießen gearbeitet.
Herr Minister, zum Schluss aber noch ein Hinweis. Die Hochschulen müssen diese Verantwortung natürlich auch wahrnehmen können. Damit sind wir beim Stichwort Finanzen. Die FDP hat die Unterfinanzierung des Hochschulpaktes stets kritisiert und auch versucht, mit entsprechenden Haushaltsanträgen diese Entwicklung zu korrigieren. Leider ist das von Ihnen, von der CDU, abgelehnt worden. Deswegen erlaube ich mir hier die Bemerkung: Der Rotstift ist keine Profilbildung.
Aber egal, ob nun unterfinanziert – Frau Kollegin Sorge – oder nicht,in jeder Situation ist es sinnvoll,Strukturen auf ihre Tragfähigkeit zu überprüfen. Schauen Sie sich doch den Fall der von Ihnen angesprochenen Sinologie an. Ich glaube kaum, dass wir besonders schlagkräftig sind, wenn wir in Frankfurt und Marburg und, wenn wir über die Grenzen schauen, auch in Mainz jeweils eineinhalb Professorenstellen zur Verfügung haben.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Fazit für uns als FDP: Neustrukturierung erfordert Mut, überkommende Strukturen zu analysieren, infrage zu stellen und neue Wege zu gehen. Sie erfordert aber auch Mut von uns Abgeordneten, die Hochschulen in Autonomie walten zu lassen. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Hintergrund dieses Antrags ist sehr ernst. Dieser Antrag macht deutlich, dass eine Landeshochschulpolitik, die immer nur nach den Leuchttürmen schaut, dabei vergisst, dass die vielen kleinen Pflänzchen, die die Basis für eine gesunde und stabile Hochschullandschaft ausmachen, dann, wenn diese mit Unkrautvernichtern vernichtet werden, zum Bröckeln der Leuchttürme führt.
Herr Kollege Reißer, Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass der sich jetzt abspielende Prozess nichts mit Mittelkürzungen zu tun hat – jedenfalls nicht vordergründig. Vielmehr hat er mit dem neuen Finanzierungsmodell zu tun, das den Hochschulen eine bestimmte Summe Geldes gibt, gebunden an Zielvereinbarungen, mit dem sie eigenverantwortlich umzugehen haben.
Aber es ist unsere Pflicht als Hessischer Landtag und Haushaltsgesetzgeber, im Rahmen einer neuen Haushaltsdynamik zu schauen, ob das, was wir für notwendig erachten, über Zielvereinbarungen in Abstimmungen mit den Hochschulen auch umgesetzt wird.
Es ist doch nicht zufällig, dass ein Papier über die kleinen Fächer in Marburg kursiert, wonach in der Tat dort etwas in Gefahr steht, was hessische Hochschulpolitik ausmacht. In dem Antrag sind die Lebensmittelchemie in Frankfurt und die Philosophie in Gießen genannt. Vor diesem Hintergrund rächt es sich jetzt offensichtlich, dass sich die CDU in dieser Legislaturperiode – und in der letzten Legislaturperiode gemeinsam mit der FDP – aus, wie ich finde, ideologischen Gründen heraus gegen eine Landeshochschulplanung ausgesprochen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist doch eine Realität, dass sich die Hochschulen vor dem Hintergrund der Einsicht, dass diese Verantwortung nicht mehr von der Landesregierung wahrgenommen wird, selber auf den Weg gemacht haben. Das war relativ erfolgreich in Nordhessen, relativ erfolgreich in Mittelhessen, aber durchaus noch mit Nachholbedarf in Südhessen. Das ist doch eine Tatsache,vor der wir nicht einfach die Augen verschließen können.
Ebenso ist es eine Tatsache, dass wir Gefahr laufen, dass an einer Reihe von Hochschulstandorten Dinge kaputtgehen, solange wir die Hochschulen dem ökonomischen Diktat unterwerfen, nur das zu machen, was für sie Geld generiert. Dann werden wir Dinge verlieren, die wir im Sinne der Vielfalt in Hessen dringend benötigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb möchte ich diese Debatte zum Anlass nehmen, die Landesregierung wieder und erneut – ich werde darin nicht müde werden – aufzufordern, den Prozess einer Landeshochschulentwicklung positiv zu begleiten, wobei regionale Gesichtspunkte in Nordhessen, Mittelhessen und Südhessen einzubeziehen sind. Dazu gehört auch eine gute Begleitung des Bolongna-Prozesses mit dem Aspekt, wie Fachhochschulen und Universitäten gut zusammengeführt werden und miteinander kooperieren können. Dazu gehört die Positionierung, wie private und öffentli
che Hochschulen näher zusammengeführt werden können. Schließlich gehört dazu, wie die Zielvereinbarungen mit Leben erfüllt werden können, wenn wir die Einsicht haben – ich glaube, diese Einsicht ist sowohl beim Ministerium als auch bei den Hochschulen vorhanden –, dass wir mithilfe dieser Zielvereinbarungen eine Bestandgarantie für die Geisteswissenschaften an allen Hochschulen haben müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir dies nicht tun, dann bringen wir die von uns allen gewollten Leuchttürme in der hessischen Hochschullandschaft in Gefahr, weil wir nicht darauf achten, dass ihre Fundamente stabil und belastungsfähig bleiben müssen.
Das war eine Punktlandung. Vielen Dank, Herr Kollege Siebel. – Herr Staatsminister Corts hat das Wort, bitte schön.