Ich weiß nicht,ob Sie es überhaupt kennen.Das Gesetz ist verabschiedet worden. Da, wo rechtliche Möglichkeiten fehlen, werden sie geschaffen.
Herr Dr.Jung,Sie haben Recht – dabei ist sich im Übrigen das ganze Haus ausnahmsweise einmal einig –, dass Sprache eine wichtige Voraussetzung für Integration ist. Wir wissen aber, dass es nicht die einzige ist. Wenn Sie dann auf die Frage der Kultur und der Leitkultur kommen – der Ministerpräsident nickt –, kann ich nur sagen: Identität und Kultur sind tiefe Werte, die ein Mensch verinnerlicht hat. Ihm diese Identität zu nehmen ist gefährlich. Daran zerbrechen Menschen, das wissen Sie auch von vielen Emigrantenschicksalen.
Den Menschen,die bei uns leben,die bei uns arbeiten und dieses Land auch mittragen und mit aufgebaut haben, sollten wir zugestehen, dass sie ihre eigene Kultur auch beibehalten.Selbst wenn Ministerpräsident Koch 30 Jahre lang in China als Anwalt arbeiten würde und man ihn dann fragte, als was er sich fühle, würde er antworten, als Deutscher, und das wäre vollkommen in Ordnung. Werte verändern sich nicht,weil man in eine andere Kultur zieht. Ein Mensch braucht seine eigene Kultur.
Das Gerede von der Leitkultur offenbart eine entsetzliche Ignoranz und Arroganz, das bedeutet nämlich eine Voranstellung einer Kultur. Das ist ein tief greifender Fehler, mit dem man anderen Kulturen deutlich macht, dass man sie ausgrenzt und dass man sie nicht will. Das ist genau das Problem der dritten Generation. Jeder fragt sich momentan, warum die dritte Generation solche Probleme hat, sich zu integrieren, warum sie solche Probleme in der deutschen Gesellschaft hat und warum sie sich wieder in eigenen Verbünden organisiert.
Ich kann es Ihnen erklären: Sie haben bei ihren Eltern erlebt, dass sie sich weder als Deutsche noch z. B. als Türken fühlen und zwischen den Ländern leben. Die Deutschen sind in vielen Punkten nicht bereit, sie aufzunehmen. Sie sind hier geboren, sprechen oft die gleiche Sprache, aber haben nicht die gleichen Bildungschancen. Schauen Sie sich unser Schulsystem an, das ganz bewusst auch ausgrenzt. Sie haben schlechtere Chancen auf dem Lehrstellenmarkt.
Die einzige Möglichkeit, die ihnen bleibt, um Identität zu bilden, ist, sich zurückzuziehen. Es ist unsere Aufgabe, auch für uns Hessen und die Sozialministerin, an dieser Stelle zu überlegen, wie wir Integration schaffen können. An dieser Stelle hätte ich mir von den Fraktionen dazu heute Beiträge gewünscht, anstelle diese Themen wieder aufzurühren und keine Beiträge dazu leistet, wie dieses Problem gelöst werden kann. – Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte dies für eine außerordentlich wichtige Debatte, wenn wir betrachten, was Integration eigentlich ist, wie es in diesem Bereich weitergeht und dass Integration natürlich durch Sprachvermittlung, durch Wertevermittlung und auch durch das Aufzeigen von Grenzen einer der ganz wichtigen Bereiche in unserer Gesellschaft ist. Hessen ist ein weltoffenes Land, und das will es auch bleiben. Hessen ist das Flächenland mit dem größten Anteil von Ausländern. Dieser beträgt 14 %. Das sind 835.000 Menschen. Da sind noch nicht diejenigen dabei, die einen Migrationshintergrund haben. In Wirklichkeit geht es also um deutlich mehr Menschen.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, da gibt es natürlich unterschiedliche Voraussetzungen. Ich bin von der Debatte, die Sie von Rot-Grün heute hier geführt haben, durchaus enttäuscht. Das möchte ich noch einmal deutlich machen. Wir sind nämlich ein ganzes Stück weiter. Denn wir sind inzwischen in der Lage, Probleme endlich offen zu benennen. Unser Problem liegt genau darin, dass die multikulturelle Gesellschaft gescheitert ist, dass wir über Jahre hinweg die Probleme nicht benannt haben und uns nicht öffentlich über eine Verfassungs- und Wertedebatte auseinander gesetzt haben.
Dazu gehört, dass 1999 die Landesregierung klar gesagt hat: Sprache ist der entscheidende Schlüssel zur Integration. – Sie hat alles unternommen, um die Chancen in genau diesem Bereich für Kinder zu erhöhen. Ich möchte hier auch noch einmal deutlich machen, Frau Kollegin Hölldobler-Heumüller, dass die Sprache gerade für Kinder der Schlüssel zur Integration und zur Identifikation mit diesem unserem Land ist.
Ich muss feststellen, dass in diesem Bereich in den vergangenen Jahrzehnten einiges vernachlässigt wurde und dass gerade auf die deutsche Sprache kein Wert gelegt wurde, dass es viel zu wenig Kurse gab und dass wir Programme zur Sprachförderung von Eltern und Kindern aufgelegt haben,dass wir die Vorlaufkurse vor der Grundschule eingeführt haben, um genau das zu verhindern, was wir heute alle beklagen. Das sind nämlich gescheiterte Existenzen und gescheiterte Integrationsbemühungen. Die gibt es, weil die Arbeitslosigkeit bei denjenigen mit Migrationshintergrund und bei Ausländern doppelt so hoch ist wie bei Deutschen, weil sie eben nicht die Chance hatten, an unserem Schulsystem gleichberechtigt teilzunehmen.
Aber das ist etwas, was man Ihnen, meine Damen und Herren von Rot-Grün, ganz klar vorwerfen muss. Sie selbst haben das nicht als den entscheidenden Ansatzpunkt gesehen und dort eben gerade nicht gefördert. Wir machen das inzwischen – vom Kindergarten bis in die Schule.Das ist der richtige Weg,sich damit auseinander zu setzen.
Ich möchte einen weiteren Punkt nennen. Hier wurde viel von Toleranz gesprochen. Sie haben in den Jahren 1999 und 2000 durchaus noch all diese Sprachkonzepte beklagt und gesagt, das sei nicht der richtige Weg. Frau Kollegin Habermann, Sie befinden sich heute noch an der gleichen Stelle. Sie treten immer noch auf der gleichen Stelle, wenn
Sie zuerst über den muttersprachlichen Unterricht sprechen statt über die deutsche Sprache und darüber, den Kindern die gleichen Chancen zu geben.
Es ist durchaus interessant, wenn inzwischen Herr Bütikofer sagt, Sprache sei der Schlüssel zur Integration. Bundeskanzler Schröder hat diese Woche bei Beckmann darauf hingewiesen, dass das Kopftuchverbot nicht nur für Lehrerinnen, sondern für alle im öffentlichen Dienst Beschäftigten eine Voraussetzung sein soll. Das ist genau das, was wir hier im Hessischen Landtag gemeinsam beraten haben.
Die hessische SPD hat sich zu diesem Thema nach wie vor nur im Bereich der multikulturellen Gesellschaft geäußert. Aber ich will Ihnen auch sagen: Ich bin schon überrascht, dass Sie, wenn Sie über Grundwerte reden, Frau Habermann, interessanterweise einen Wert vergessen haben. Das ist die Gleichberechtigung. Das ist auch die Anerkennung unserer Verfassung. Das ist der Bereich, über den wir hier gemeinsam diskutieren müssen. Im Integrationsbeirat führen wir durchaus schwierige Diskussionen darüber. Die Diskussionen sind schwierig, wenn es darum geht, wie sich diejenigen Betroffenen fühlen, die längst integriert sind. Das sind Muslime, die schon lange hier leben und durchaus klar hinter den Werten unserer Verfassung stehen.Aber auf der anderen Seite müssen wir uns mit der Frage auseinander setzen, was Islamismus ist und wo tatsächlich Extremismus vorhanden ist. Das darf keine Tabuzone sein, sondern das muss eine Zone sein, in der wir die Kommunikation auch aufrechterhalten. Wir führen diese schwierige Diskussion im Integrationsbeirat, und zwar sehr offen.
Es geht uns darum, die Menschen zu integrieren und es zu schaffen, über die Grundwerte unserer Verfassung zu reden. Und es geht uns darum, dass wir endlich über völlig einfache Dinge wie die Frage reden, was geschieht, wenn wir die Sprache im Kindergarten fördern, aber die Kinder mittags in einer Parallelgesellschaft leben oder überhaupt keine Möglichkeiten zu Kontakten in deutscher Sprache haben. Dann kann ein Kind das nicht erlernen, weil ihm die sprachlichen Vorbilder fehlen. Dann muss das Ganze notgedrungen wieder scheitern.
Dort müssen wir ansetzen. Das müssen wir offen benennen, und das müssen wir verbessern. Das ist eine Herkulesaufgabe.Denn das können Kindergarten und Schule allein nicht leisten. Da ist Integration von beiden Seiten gefordert. Es ist gefordert, Kontakte miteinander zu haben, sich kennen zu lernen, aber auch zu benennen, dass es nicht sein kann, dass türkische Mädchen teilweise nach wie vor nicht am Sportunterricht teilnehmen dürfen und dass Klassenfahrten oft ein Tabu sind. Das geht nicht. Das hat nichts mit den Grundwerten unserer Verfassung zu tun.
Es gibt viele, die das längst anerkannt haben.Aber es gibt auch die Ansicht, dass das noch immer eine Tabuzone ist. Diese Tabus endlich miteinander zu diskutieren heißt, dann endlich tolerant miteinander umzugehen und Integration voranzubringen.Deswegen ist es der richtige Weg, die Sprache in den Mittelpunkt zu stellen, Schulchancen
zu fördern und damit keine weiteren gescheiterten Existenzen wie in der Vergangenheit zu produzieren.
Aber es bedarf eines deutlichen Bekenntnisses zu unserem Rechtsstaat und zu unseren Werten, und es bedarf eines offenen Umgangs miteinander. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, wenn man sich das zum Maßstab nimmt, dann ist es schon spannend, sich den Bundeshaushalt anzusehen und festzustellen, dass Herr Schily vom Jahrzehnt der Integration redet, aber in diesem Bereich 28 Millionen c gekürzt werden.Bei uns in Hessen werden wieder 1 Million c zur Sprachförderung draufgelegt. Das sind die Unterschiede zwischen Reden und Handeln. Das ist Integration.
Das ist Diskussion miteinander. Deswegen sind wir mit dem Integrationsbeirat, mit der Sprachförderung, aber auch mit einem offenen Benennen der Probleme auf dem richtigen Weg. Diesen werden wir hier gemeinsam weitergehen.
Ich bedanke mich, Frau Staatsministerin. – Damit sind die Aktuellen Stunden, Tagesordnungspunkt 87 und Tagesordnungspunkt 90, erledigt.
Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (CDU bei schlechter Gesundheit – wo ist Koch?) – Drucks. 16/3215 –
Meine Damen und Herren! Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass der kleinste gemeinsame Nenner bei der Kompromisssuche auch der größte gemeinsame Murks werden kann – bei dem Gesundheitskompromiss von CDU und CSU ist der Beweis erbracht worden.
Ihr neu erfundenes Kopfpauschalenungetüm vereint wirklich alle Nachteile aller bisherigen Überlegungen. Es ist falsch berechnet, es ist ungerecht, es ist wettbewerbsfeindlich, es ist familienfeindlich, es ist qualitätsvernichtend, und es ist vor allem ungerecht.
Alle Experten einschließlich Ihrer eigenen – Herr Seehofer, die Ärzte, die Wirtschaft, die Industrieverbände, die Arbeitgeber, die Krankenkassen, sogar die fünf Wirtschaftsweisen – sagen: So geht es nicht. – Und sie haben Recht.
Wir werden wahrscheinlich gleich die Erklärung dieses Werks hier angetragen bekommen. Es ist ein bisschen Pauschale, ein bisschen prozentuale Belastung, ein bisschen Steuerfinanzierung, ein bisschen Wettbewerb, ein bisschen Schonraum für Unternehmen und die Abschaffung des Risikostrukturausgleichs,den Sie übrigens erfunden, aber anscheinend doch nie verstanden haben. Schlimmer gehts nimmer.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg Uwe Hahn (FDP): Noch schlimmer ist eure Bürgerversicherung!)
Herr Hahn, ich kann Ihnen das an vier Punkten erklären.Hören Sie zu.Das ist hervorragend.Das werde ich Ihnen auch gleich noch sagen.
Erstens. Kopfpauschalen sind ungerecht – das versteht wirklich jeder –, weil sie Menschen mit geringerem Einkommen stärker belasten als Menschen mit höherem Einkommen.