Protocol of the Session on November 24, 2004

(Zuruf des Abg. Rudi Haselbach (CDU))

Wenn Sie alle die Maßnahmen zur Stabilisierung der Steuereinnahmen, zur Senkung der Subventionen und zur Streichung der Ausnahmetatbestände, die die Bundesregierung vorgeschlagen hat, mitgemacht und nicht im Bundesrat blockiert hätten, dann hätte der Staat 17,5 Milliarden c mehr Einnahmen.

Ich kann das für Hessen an einem Beispiel deutlich machen. Herr Ministerpräsident, wenn Sie dem Steuervergünstigungsabbaugesetz – man kann sich darüber streiten, ob der Titel glücklich war, aber man muss sich mit den Inhalten auseinander setzen – zugestimmt hätten, dann hätte Hessen im Jahre 2003 120 Millionen c mehr in der Kasse gehabt. Wenn Sie ihm zugestimmt hätten, dann hätte man im Folgejahr, also 2004, schon 340 Millionen c mehr in der Kasse gehabt. Das ist ungefähr das, was Sie jetzt im Plan über der Verfassungsgrenze liegen, Herr Ministerpräsident.

Ich möchte es an einem weiteren Punkt deutlich machen, weil man sagen kann, das Steuervergünstigungsabbaugesetz ist Schnee von gestern. Sie werden übermorgen, am Freitag, dem 26. November, im Bundesrat sitzen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Und wir sitzen hier im Landtag? Das ist unerhört!)

Sie haben dort unter Tagesordnungspunkt 2 über einen Vorschlag der Bundesregierung abzustimmen. Der Vor

schlag der Bundesregierung lautet: Auslaufen der Eigenheimzulage. Wenn Sie dem zustimmen würden, was der Bundestag schon beschlossen hat, dann hätten wir am Ende dieses Prozesses in Deutschland 6 Milliarden c mehr Staatseinnahmen.

In Hessen hätten wir schon im nächsten Jahr,2005,10 Millionen c mehr in der Kasse; im Jahre 2012, am Ende des Prozesses – weil die Eigenheimzulage über acht Jahre auslaufen würde – 250 Millionen c bis 300 Millionen c mehr. Was macht dieser Ministerpräsident? – Er kündigt an: Hessen wird diesen Vorschlag ablehnen.

(Ministerpräsident Roland Koch: Richtig! – Beifall des Abg. Rudi Haselbach (CDU))

Da sagt er „richtig“, und Herr Haselbach klatscht. – Nachher stellen Sie sich wieder hierher und sagen:Wir haben ein Einnahmeproblem. – Herr Ministerpräsident, genau das ertragen die Leute nicht mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dann gibt es immer zwei Argumente: Erstens, man müsse weiter Wohnraum schaffen, und zweitens, man müsse Eigentum vor allem als Altersvorsorge schaffen.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich habe gehört, dass zumindest im Saarland darüber nachgedacht wird, ob die Blockadehaltung richtig ist.Das hat vielleicht etwas damit zu tun,dass das Saarland ein Viertel seines Etats über Nettoneuverschuldung finanziert.

Ich habe Ihnen etwas mitgebracht,nämlich die Karte über die Fälle der Eigenheimzulage.

(Der Redner hält die Karte hoch.)

Diese Karte ist schön bunt. Herr Kollege Gotthardt, wissen Sie, was dabei auffällt? – Es gibt viele Förderfälle. Da, wo es hell ist, gibt es ganz wenige Förderfälle. Da, wo wir überhaupt kein Wohnraumproblem haben, nämlich dort, wo der Staat zurzeit Geld ausgibt, um Plattenbauten abzureißen – rund um Berlin, in Brandenburg –, gibt es die meisten Zuschüsse für neue Eigenheime.

Da, wo wir noch großen Wohnraumbedarf haben werden – wir reden doch die ganze Zeit über den demographischen Wandel und seine Auswirkungen –, gibt es kaum Fälle, weil dort das Bauland nämlich viel zu teuer ist.

(Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Wir geben staatliches Geld noch und noch aus, um dort Wohnraum zu schaffen, wo ihn keiner braucht und wo er auch als Altersversorgung nicht taugen wird, weil das die Gebiete sind, in denen aufgrund des demographischen Wandels die Immobilienpreise zusammenkrachen werden.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Wenn wir die Leute dann aus den Kernen herausgetrieben haben, geben wir ihnen viel Pendlerpauschale, damit sie zurückfahren können, und müssen dazwischen auch noch die Autobahnen bauen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Das ist ein solcher Irrsinn, den wir da betreiben. Ich bin fest davon überzeugt, dass es im Interesse dieses Landes wäre, wenn man diesen Irrsinn schnellstmöglich beendet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Meine Damen und Herren, wir müssen die Einnahmesituation aus mehreren Gründen verbessern. Wir müssen weniger Schulden machen, und wir müssen irgendwann auch einmal wieder darangehen, die Schulden zurückzuzahlen. Wir brauchen in vielen Bereichen auch Zukunftsinvestitionen, die wir uns aufgrund Ihrer Politik bald nicht mehr leisten können.

Dabei spielt auch die Frage eine sehr gewichtige Rolle, wie wir eigentlich mit unserer Bildungspolitik umgehen. Ich komme nachher noch zu unseren Schwerpunkten, die wir Ihnen vorgeschlagen haben. Aber ich bleibe noch einen kleinen Moment bei der Eigenheimzulage.

Wir wollen, dass in Hessen jede Grund- und Förderschule bis zum Ende dieser Legislaturperiode, also bis 2008, Ganztagsschule werden kann, wenn sie es wünscht. Wir wollen weiter, dass in Hessen bis zum Jahr 2012 jede Schule bis zum mittleren Abschluss Ganztagsschule werden kann.

Wir könnten dies locker aus den Mitteln finanzieren, die wir über die Streichung der Eigenheimzulage gewinnen könnten.Vor diese Alternative gestellt, bin ich fest davon überzeugt, dass wir außerhalb dieses Plenarsaals bei den Bürgerinnen und Bürgern eine Mehrheit für die Parole haben werden:Wir wollen Bildung statt Beton.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die CDU behauptet weiterhin – dies ist in der Presseerklärung des CDU-Fraktionsvorsitzenden nachzulesen und auch vom Finanzminister und vom Ministerpräsident immer zu hören – sie hätte tüchtig gespart.Als ich das gelesen habe, wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.

(Frank Gotthardt (CDU): Lernen, nicht lachen oder weinen!)

Ich fasse einmal zusammen, wo Sie sparen: Sie sparen dort, wo es Ihnen ideologisch in den Kram passt. Landesverband pro familia: Unterstützung zu 100 % weg. Acht Frauenhäuser:geschlossen.Beratung für ausländische Arbeitnehmer: zu 100 % weg. Da sparen Sie.

(Zurufe der Abg. Frank Gotthardt und Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Herr Kollege Gotthardt, acht Frauenhäusern wurden die Mittel zu 100 % gestrichen. Das erste ist schon geschlossen, und die anderen feiern Rettungsfeste und wissen nicht, wie lange sie die Situation noch aushalten. – Nur, dass ich Ihnen einmal sagen kann, wie die Situation aussieht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Die Vertriebenenverbände bekommen dafür mehr, weil die Finanzlage so schlimm ist. Der Galopprennklub in Frankfurt, sicher eine soziale Randgruppe, bekommt weiterhin seinen Zuschuss von 125.000 c. Sie geben das Geld für einen Flughafen in Kassel-Calden aus, den der Chef von Air Berlin letzte Woche als Nonsensflughafen bezeichnet hat. Insgesamt betragen die Kosten dafür 150 Millionen c, davon sind 108 Millionen c Landesmittel.

Weil es so schön passt und weil man sich in einer so schwierigen Finanzlage befindet,kaufen Sie auch noch ein schönes Schloss im Odenwald für 13 Millionen c mit weltweit bedeutenden Hirschgeweihen.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Weil wir eine so schwierige Situation haben, wollen Sie einen neuen Weinkeller bauen. Sie denken nicht darüber nach, ob man den anderen vielleicht ein wenig sanieren könnte. Nein, es muss gleich die De-Luxe-Version sein. Immerhin ist der Ministerpräsident gleich der Aufsichtsratsvorsitzende der Staatsweingüter, weil er sonst nichts zu tun hat.Auch das kostet noch einmal 15 Millionen c.

Dann machen Sie ein Sonderprogramm „Landesstraßenbau“.Vier Haushalte hintereinander sind schon im Ansatz verfassungswidrig, was kommt dabei heraus? – Ein Sonderprogramm „Landesstraßenbau“. Die Kosten betragen 50 Millionen c.

Unter dem Stichwort „Tüchtig sparen“ machen Sie eine Politik, indem Sie das kaputtschlagen, was Ihnen schon immer aus ideologischen Gründen nicht gepasst hat. Ansonsten werfen Sie das Geld zum Fenster hinaus, als hätten wir kein Finanzproblem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das ist Politik nach dem Motto: Jetzt ist es eh schon egal. – Das können Sie auf Dauer so nicht weiter machen. Das trägt noch nicht einmal bis 2008. Ich habe, ehrlich gesagt, auch keine Lust, im Jahre 2008 einen so desolaten Landeshaushalt zu übernehmen.

(Lachen bei der CDU – Frank Gotthardt (CDU): Das brauchen Sie nicht! – Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Hören Sie mit dieser Politik in Ihrem und in unserem Interesse auf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es kommt dazu, dass Sie das, was Landespolitik unserer Meinung nach auch in schwierigen Zeiten leisten muss, nicht leisten. Sowohl was gesunde Lebensbedingungen als auch den Klimaschutz angeht, gibt es nichts mehr. Hessen war in diesem Bereich einmal führend. Inzwischen sind wir unter Kettensägen-Wilhelm in diesem Bereich auf einen der letzten Plätze in der Bundesrepublik abgerutscht.

Auf die Fragen,wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in diesem Land verbessert werden kann und wie wir Kinder in den Mittelpunkt stellen, geben Sie keine Antwort. Ich komme noch darauf.

Die Bildungspolitik bezeichnen Sie immer als einen weiteren Schwerpunkt. Die Unterrichtsgarantie, die Sie als Monstranz vor sich hertragen, taugt nichts. Gehen Sie einmal in einer Schule in eine Diskussion, sagen Sie das Wort „Unterrichtsgarantie“ und warten Sie ab, was passiert.

Frau Kollegin Wolff, selbst wenn die Unterrichtsgarantie erfüllt wäre, stellt sich doch die Frage, ob wir in der Bildungspolitik das leisten, was wir leisten müssen. – Wir sagen dazu Nein und werden Ihnen Alternativen vortragen.

Ein weiterer Punkt ist die Sozialpolitik. Hier stellt sich die Frage, ob wir das tun, was wir für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft tun müssen. Ich sage Ihnen: Nein, das tun wir nicht.