Protocol of the Session on May 8, 2003

Er bekommt aktuell immer mehr Arbeit damit, weil die Zahl der Verfahren, Herr Kollege Hoff, die gegen CDUPolitiker,sogar gegen führende,zu führen sind,ständig ansteigt. Doch das ficht den Kollegen, den Herrn Justizminister Wagner, nicht an. So treffen an dieser Stelle die beiden Skandalpfade direkt zusammen. Einer kommt aus Lahntal über Wiesbaden, der andere aus Hanau – die erweiterte Berichtspflicht an die Staatsanwaltschaft als Signal- und Erörterungsgespräche zwischen Staatsanwaltschaft, Generalstaatsanwalt und dem Staatssekretär.

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Ich kann nur sagen: alles wie gehabt. Schon vor drei Jahren stellte mein Fraktionsvorsitzender fest, dass Ihnen, Herr Staatsminister, das Unrechtsbewusstsein offensichtlich fehle – für einen Justizminister ein unverzeihlicher Mangel.Leider hatte er damals Recht,und leider ist es immer noch so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist einen Monat her, dass Sie, Herr Minister Wagner, vor uns allen mit religiöser Beteuerung beschworen haben,das Amt unparteiisch zu verwalten,Verfassung und Gesetz in demokratischem Geiste zu befolgen und zu verteidigen. Davon ist wenig zu sehen. Ihre persönliche Fürsorge in Fällen, in denen Ihre Parteifreunde mit der Justiz in Konflikt kommen, kann man doch selbst als Wohlmeinendster kaum als unparteiisch bewerten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Den demokratischen Geist vermisse ich ebenfalls beim Justizminister, der sich rühmt, den kleinsten Verstoß konsequent zu verfolgen.

(Aloys Lenz (CDU): Dann kommt jetzt die Rede zu Rezzo Schlauch?)

In keinem Gesetz steht: nicht für CDU-Granden. Deshalb sollten Sie, Herr Justizminister, diese Art der Sonderbe

handlung endlich beenden. Sie schaden damit nämlich dem Ansehen der Politik und dem Rechtsstaat.

(Clemens Reif (CDU): Pfui!)

Deshalb, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, wird es Sie nicht wundern:Wir stimmen dem Antrag der SPD auf Missbilligung zu. Wir halten diesen Antrag eher für eine unangemessen zurückhaltende Kritik am Verhalten des Justizministers.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt noch zu der anderen Diskussion, um unsere Position klarzustellen, weil ich da ein paar Töne herausgehört habe. Wir halten die Initiative der SPD in Sachen Überprüfung der Hessischen Gemeindeordnung, was die Abwahlverfahren anbetrifft, für sinnvoll.

(Lebhafte Zurufe von der CDU)

Dazu ist schon vieles gesagt worden, was ich nicht zu wiederholen brauche. Eines muss man aber anmerken, und das geht erneut in Richtung der CDU. Die Lösung, die der Ministerpräsident meinte, sozusagen zu Beginn der Krise vorschlagen zu müssen, nämlich den goldenen Händedruck, sprich Rücktritt mit Pensionsberechtigung, das wird nicht der Weg sein, den wir mitmachen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Nach der Chronik der Skandale ist es nicht verwunderlich, dass es aus den Reihen des Ministerpräsidenten und der CDU offensichtlich solche Überlegungen gibt. Wir halten sie nicht für vernünftig.Wir wollen eine Änderung im Sinne der SPD, wobei man in der Tat noch über Details reden muss. Das kann man in nüchterner und sachlicher Atmosphäre tun; denn vor Sonntag wird es mit Sicherheit nicht geschehen können. Aber egal, wie es am Sonntag ausgeht, wir sollten dieses Thema als ein notwendigerweise zu lösendes beibehalten. Denn wenn es so weitergeht, wie wir es bisher bei der CDU beobachten konnten, dann ist der nächste Fall nicht fern. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Horst Klee (CDU): Sie sollten sich lieber einmal selbst beobachten! – Weitere Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Hessische Minister des Innern und für Sport, Herr Bouffier.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung. Die Redner der Opposition haben sich laut und lange geäußert – und, wenn ich das richtig verfolgt habe, zu vier Fünftel am Antrag vorbei.

(Zurufe von der CDU: Mehr!)

Ich habe bewusst gesagt, ich mache eine Vorbemerkung. Unser Landtagspräsident hatte uns gemeinsam aufgefordert, auf die große Trommel zu verzichten. Der Ministerpräsident und alle Fraktionsvorsitzenden haben gesagt: Wir nehmen jetzt die kleine Trommel. – Das sollte umgekehrt heißen, dass wir versuchen, uns mehr in der Sache und weniger in der Polemik zu bewegen.

(Volker Hoff (CDU): Kaufmann ist der ewig gestrige Trommler!)

Ich stelle zunächst einmal fest: Dieses Versprechen hat nicht sehr lange gehalten.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie nehmen nicht nur die große Trommel, sondern Sie machen die gleichen Fehler, die Sie seit Jahren machen.Die Art,wie Sie hier auftreten, hat im Ergebnis dazu geführt, dass die die Landesregierung tragende Fraktion die absolute Mehrheit bekommen hat.Wenn Sie das wollen: Machen Sie so weiter.

(Beifall bei der CDU)

Das will ich Ihnen jetzt auch nicht ersparen: Manchmal frage ich mich, was ich mehr bewundern soll, die Chuzpe, die Vergesslichkeit oder die Frechheit,

(Beifall bei der CDU)

dass ausgerechnet Sie, Herr Kaufmann, für die GRÜNEN den großen Luftballon steigen lassen. Haben Sie völlig vergessen, welche Partei ihren Landesparteitag wegen Betrügereien wiederholen musste?

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Tollste war, dass Sie, die Sie hier vorne sitzen, zunächst einmal der Öffentlichkeit kundgetan haben, es gebe keinen Anlass zur Wiederholung des Parteitags. Erst als der öffentliche Druck so richtig kam und man dann lesen konnte, wer wo wie abgestimmt haben könnte und erstaunlicherweise mehr Stimmen abgegeben wurden, als Delegierte da waren, erst dann hat die Landesführung der hessischen GRÜNEN erklärt: Zurück, marsch, marsch, da muss man vielleicht doch neu wählen.

(Norbert Schmitt (SPD): Aber den Strafbefehl wegen Parteiverrats haben Sie bekommen!)

Ich habe es Ihnen noch nie vorgehalten, aber ich finde, wer wie Sie mit der moralinsauren Kerze durch den Landtag zieht, der muss es ertragen, dass er gelegentlich auf Normalnull heruntergeholt wird. Deshalb sage ich Ihnen: Was Sie hier erzählen, ist völlig falsch.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Volker Hoff (CDU): Kaufmann sollte man besser auf minus null herunterholen!)

Sie haben rechtzeitig vor dem Wahlgang am Sonntag Ihre Pflicht als Landtagsfraktion erfüllt und wenigstens einen Antrag gestellt. Damit haben Sie alle Stichworte untergebracht.

Ich will zur Causa Hanau drei Bemerkungen machen. Erstens zu dem berühmten Bild.Ich bin richtig dankbar,dass ich das einmal loswerden kann. Wahr ist: Ich bin 50 Jahre alt geworden, und mein Kreisverband hat einen Empfang ausgerichtet. Es waren viele Leute da, und man hat mir Geschenke überbracht. Ich muss gestehen: Ich bin bisher noch nie auf die Idee gekommen, dass ich diejenigen, die mir gratulieren und Geschenke überreichen, frage, wer die Geschenke bezahlt hat.

(Heiterkeit bei der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Herr Schmitt, es kommt noch viel besser.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es kommt auf die Gäste an! – Heiterkeit)

Auch ich weiß doch, dass man eine Feier wunderbar aufpeppen kann, indem man eine prominente Figur einlädt. Ich stelle vor dem hohen Haus fest:Ich habe von der Stadt Hanau bis heute nicht eine einzige Zeile erhalten, zu keinem einzigen Sachverhalt. Ich kenne das alles nur aus der Zeitung.

(Petra Fuhrmann (SPD): Aber Sie fragen es doch nach, Herr Bouffier!)

Da das so ist,bin ich ganz dankbar,dass wir das einmal abräumen können.

Zweitens. Unabhängig von der Frage einer Änderung des geltenden Rechts ändert das für das Thema, das am Sonntag in Hanau zu entscheiden ist, nichts. Deshalb können wir das alles sehr viel ruhiger behandeln. Das geht nach geltendem Recht, und man muss abwarten, wie es ausgeht. Dann kann man sich, je nach Interessenlage, gut oder schlecht fühlen. Es geht jedenfalls nach geltendem Recht.

(Norbert Schmitt (SPD): Was macht das Disziplinarverfahren?)

Drittens. Eine Suspendierung wird zur Stunde nicht stattfinden. Das habe ich bereits im Ausschuss erklärt. Das Disziplinarverfahren ist eingeleitet, und es bleibt abzuwarten, was dabei herauskommt.

(Widerspruch des Abg. Gerhard Bökel (SPD))

Deshalb werde ich jetzt, drei Tage vorher, nicht anders entscheiden als in den letzten Monaten.

Viertens. Als Leiter der obersten Kommunalaufsicht werde ich mich zu den Inhalten hier nicht äußern. Ich gebe uns aber gemeinsam den Rat, die Frage, wie wir die Kommunalverfassung gestalten, möglichst nicht in emotionaler Form anhand von zwei Sachverhalten zu diskutieren, sondern das Ganze zu betrachten. Wenn man das Ganze betrachtet,dann muss man sagen – ich nehme mein Ergebnis einfach einmal vorweg –: Die Regelungen der Direktwahl haben sich in Hessen uneingeschränkt bewährt.

(Beifall bei der CDU)