Protocol of the Session on May 8, 2003

Herr Kollege Rudolph, Sie haben den größten Teil Ihrer Redezeit darauf verwandt, hier detailreich verschiedene Vorfälle zu schildern. Nichtsdestotrotz meine ich, hier ist nicht der Ort, mit Häme und Spott über eine Partei herzuziehen. Es sind nur einige Wenige der direkt Gewählten, die sich vor Ort wie kleine Sonnenkönige fühlen und mei

nen, entsprechend ausgestattet sein zu müssen und Macht zu haben. Das geht aber quer durch die Parteien.Auch die SPD war schon von Abwahlverfahren, z. B. mit Frau Schäfer, betroffen. Das ist also sicherlich nicht etwas, was man alleine der CDU zuschreiben kann. Von daher kann ich nicht verstehen, warum Sie angesichts der konstruktiven Vorschläge, die Sie in der Sache gemacht haben, das jetzt hier so hochkochen mussten.

(Beifall der Abg. Michael Denzin und Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP) und bei Abgeordneten der CDU)

In der Sache besteht Konsens: Das ist untragbar und muss Konsequenzen haben. Auf der juristischen Seite sind die Konsequenzen von den Gerichten zu ziehen. Durch den Beschluss der Staatsanwaltschaft, nun Anklage zu erheben, ist Bewegung in die Sache gekommen.Auf der politischen Ebene ist dies am kommenden Sonntag von den Bürgerinnen und Bürgern Hanaus zu bewerten. Wir werden sehen, welche Konsequenzen jeweils im Ergebnis zu verzeichnen sind.

Gleichwohl möchte ich für die FDP-Fraktion darauf hinweisen, dass wir trotz solcher Vorgänge an der Direktwahl von hauptamtlichen Verwaltungsbeamten festhalten werden. Wie der Fall aus Maintal zeigt, haben sie sich in der letzten Zeit gehäuft. Wir meinen dennoch, dass die Einführung der Direktwahl eine richtige Veränderung in unserem Land war. Seinerzeit haben wir die Idee mit aufgebracht und für die Einführung der Direktwahl gekämpft. Ich glaube, dass wir trotz dieser Vorfälle daran weiter festhalten sollten.

Schließlich ist zu vermerken,dass es in den zehn Jahren,in denen wir nun die Direktwahl auf den verschiedenen Ebenen an den Spitzen unserer Verwaltung haben, erst viermal zu Abwahlverfahren gekommen ist. Die Fälle von Frau Diehl und Frau Härtel sind Nr.5 und Nr.6.Das heißt, die Verfehlungen dieser hauptamtlichen Verwaltungsbeamten können in den letzten zehn Jahren nicht so groß gewesen sein. Unseres Erachtens hat sich das System, das zu mehr Bürgereinfluss und zu direkten Entscheidungen der Bürger geführt hat, in Hessen bewährt.

Herr Kollege Rudolph, eines ist aber nicht in Ordnung. Sie haben das heute auch nicht mehr aufgegriffen, obwohl dieser Antrag hier gemeinsam mit Ihren Vorschlägen zur Veränderung des Quorums diskutiert wird. Nicht in Ordnung ist Ihre weiterhin im Raum stehende Behauptung, der Justizminister habe auf das Ermittlungsverfahren gegen Frau Härtel Einfluss genommen. Ich kann das hier schon ausführen, auch wenn Frau Kollegin Hofmann vielleicht dazu noch sprechen wird.

Ich glaube, in der gemeinsamen Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses am 24. April 2003 wurde diese Behauptung nun wirklich eindeutig widerlegt. Insider, gerade juristisch gebildete Insider, wissen, dass die Berichte der Staatsanwaltschaft aufgrund der Regelungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der darauf beruhenden Anordnung über Berichtspflichten in Strafsachen und Bußgeldsachen erstattet werden. Diese Vorschriften gab es schon während der Amtszeit des Herr Justizministers von Plottnitz. Sie gab es während der Amtszeit von Frau Hohmann-Dennhardt. Das hat sich auch unter der Leitung von Herrn Dr. Christean Wagner nicht geändert. Von daher ist solch ein Vorwurf vollkommen unhaltbar.

(Beifall der Abg. Michael Denzin und Florian Rentsch (FDP) und bei Abgeordneten der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Die Staatsanwaltschaft hat täglich berichtet!)

Hingegen als diskussionswürdig erachte ich Ihre Vorschläge zur Veränderung des Abwahlverfahrens.Auch ich meine, es ist nicht hinnehmbar, dass in der Praxis für die Abwahl eines direkt Gewählten mehr Stimmen notwendig sind als für die Wahl in das entsprechende Amt.

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP), bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Allerdings denke ich, dass wir die Ausgestaltung der Erleichterung wirklich in Ruhe im Ausschuss unter Einbeziehung der Kommunalen Spitzenverbände besprechen sollten. Die Einbeziehung könnte möglicherweise im Rahmen einer Anhörung erfolgen. Denn ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich sinnvoll ist, jegliche Form des Quorums abzuschaffen. Ich sage dies gerade auch vor dem Hintergrund, den Herr Kollege Beuth schon einmal angesprochen hat. In anderen Ländern ist ein Abwahlverfahren überhaupt nicht vorgesehen.

Ich denke, wir müssen auch beachten, dass es dabei nicht nur um so hoch dotierte und lukrative Stellen geht wie die, die Frau Härtel innehat oder die es in anderen größeren Städten gibt. Vielmehr haben wir viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in diesem Land, deren Stellen mit A 14 oder A 15 dotiert sind. Ich denke jetzt einmal an den Schuldienst. Da kann man recht einfach in so dotierte Ämter kommen. Ich habe deshalb ein wenig die Befürchtung, dass es dann sehr schwierig werden wird, für diese Positionen geeignete und engagierte Leute zu finden. Denn die Gewählten sind dann doch Angriffen in der Öffentlichkeit ausgesetzt und müssen sich auch entsprechend einsetzen.

Ich glaube, da muss sehr genau abgewogen werden. Nichtsdestotrotz ist es sicherlich richtig: Es kann nicht sein, dass man für die Abwahl mehr Stimmen der Wahlberechtigten braucht, als für die Wahl notwendig waren. Vielleicht sollte man es mehr an diesem Quorum festmachen,also daran,was sich in der Praxis des Wahlvorganges abgespielt hat, denn an gegriffenen Prozentzahlen.

Für die FDP-Fraktion kann ich zusammenfassend Folgendes sagen. Es ist sicherlich gut, wenn man in Ruhe und unter Einbeziehung der Experten der Kommunalen Spitzenverbände die Vorschläge prüft. Nichtsdestotrotz hat sich aus unserer Sicht die Einführung der Direktwahl von hauptamtlich tätigen Verwaltungsbeamten bewährt. Sie soll beibehalten werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Abg. Kaufmann von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn meiner Rede will ich dem Herrn Reif Folgendes empfehlen: Herr Reif, gehen Sie ein Stück Kuchen essen. Ein höherer Blutzuckerspiegel beruhigt und führt dazu, dass man nicht so große Aufregung verspürt.

(Heiterkeit der Abg. Tarek Al-Wazir und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der hier zu missbilligende Vorgang hat eine doppelte Vorgeschichte. Hier laufen zwei Handlungsstränge zusammen. Es sind zwei Handlungsstränge, die von Affären gespickt sind.

Wenn Sie so wollen, ist der eine Handlungsstrang die Chronique scandaleuse, die den Namen Härtel trägt. Sie lässt sich durch folgende Schlagworte kurz beschreiben. Ich möchte hierzu auch die Presseerklärung der Staatsanwaltschaft anführen. Die Staatsanwaltschaft hält Frau Härtel des Vergehens der Untreue, der unberechtigten Nutzung des Dienstwagen nebst Fahrer, der Untreue durch Überreichung einer auf städtische Kosten speziell angefertigten Kopie des städtischen Brautbechers als privates Hochzeitsgeschenk und weiterhin des Betruges durch Veranlassung der Begleichung von privaten Restaurantkosten als dienstlich bedingte Arbeitsessen für schuldig. Das ist es, was die Staatsanwaltschaft in ihrer Pressemitteilung mittlerweile für anklagenswert hält. Das wurde damals im Rahmen eines Antrags auf Strafbefehl dargestellt. Auch Sie wissen, dass weitere Vorwürfe im Raum stehen.

Zweiter Punkt. Dies betrifft die Aussagen der Hanauer CDU. Das kann man im Internet unter dem schönen Titel „www.hanausagtja.de“ nachlesen. Ich zitiere jetzt. Das ist von der CDU.

Wir haben in der Vergangenheit Personen abgewählt, denen strafrechtlich und in ihrer Amtsführung weit weniger vorzuwerfen war. Die Oberbürgermeisterin wollte nach eigenen Aussagen die politische Verantwortung übernehmen. Sie hat es nicht getan. Von daher haben wir die Notwendigkeit gesehen, sie zum Rücktritt aufzufordern.

(Günter Rudolph (SPD): Sehr gut!)

Im Rahmen des Abwahlverfahrens wurde sie mittlerweile auch aufgefordert, eindeutig Stellung zu nehmen.

Ich komme zum dritten Punkt, den ich hier anschließen will. Herr Kollege Beuth, eigentlich war er sehr viel geeigneter. Denn schon vor der Landtagswahl konnten wir auf der Homepage des Herrn Kollegen Lenz nachlesen:

Lenz selbst fordert im Einklang mit seiner Partei den Rücktritt, respektive die Suspendierung Härtels.

Das las sich gut. Das stand auch in der „Hanau Post“ vom 9. Januar. Das konnte man also hinreichend vor der Wahl lesen. Man muss aber feststellen, dass Herr Kollege Lenz seitdem nicht viel erreicht hat.

(Aloys Lenz (CDU): Er ist direkt gewählt worden!)

Deswegen haben wir die Debatte hier immer noch. Wir wissen, dass das Amtsgericht vor kurzem den Erlass eines Strafbefehls abgelehnt hat. Es wird jetzt also Anklage erhoben werden.

(Volker Hoff (CDU): Herr Kaufmann ist nicht direkt gewählt worden!)

Man sollte noch hinzufügen, dass noch ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Veruntreuung von Haushaltsmitteln läuft. Das ist in dem Verfahren, das die Staatsanwaltschaft inzwischen abgeschlossen hat, noch nicht enthalten. Da geht es um den Vorwurf der Vorteilsnahme. Da wurden die Ermittlungen zwar eingestellt, weil nach Auffassung der Staatsanwaltschaft kein ausreichender Tatnachweis geführt werden konnte. Aber die Stadt Hanau hat dagegen Beschwerde eingereicht.

Ich denke, es ist unstrittig, dass die rechtliche Bewertung gewiss nicht unsere Aufgabe ist. Aber einen Satz aus der Presseerklärung der Staatsanwaltschaft, die ich schon herangezogen hatte, möchte ich doch zitieren.

Andererseits war zu werten die Einbettung der Taten in eine offensichtlich weit verbreitet bestehende Grauzone zwischen Wahrnehmung privater und öffentlicher Tätigkeiten.

Meine Damen und Herren, am 10.April 2003, nach ziemlich genau vier Jahren CDU-Regierung in Hessen, stellt die Staatsanwaltschaft Hanau eine „weit verbreitet bestehende Grauzone zwischen Wahrnehmung privater und öffentlicher Tätigkeiten“ fest. Ein solcher Zustand, sage ich ganz kurz und knapp, ist völlig inakzeptabel.

Was tut eigentlich die Landesregierung, was tut eigentlich der Ministerpräsident, der zugleich der Vorsitzende der hessischen CDU ist, dagegen, dass offensichtlich eine „weit verbreitete Grauzone“ identifiziert wird? Wir stellen fest: leider nichts, keine Suspendierung der Beschuldigten durch den Regierungspräsidenten – das wäre Aufgabe der Landesregierung, die dafür zuständig ist –, nicht einmal ein Ruhen, geschweige denn ein Rückzug aus dem Parteiamt im Landesvorstand der hessischen CDU. Stattdessen müssen wir von persönlichen Verbindungen bis in die Nähe des Ministerpräsidenten hinauf hören, und damit meine ich nicht nur das schon gezeigte Blumenbild.

Meine Damen und Herren, damit sind wir bei der Landesebene und bei dem zweiten Strang einer Chronique scandaleuse. Die trägt den Namen Wagner.Auch hier nur kurze Anmerkungen zur Erinnerung.

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Kaum im Amt – Sie haben es vielleicht gerne vergessen, aber ich werde Sie wieder daran erinnern –, lässt der Justizminister seinen Staatssekretär anlässlich einer LOStATagung Rechtsgespräche über Irrtumsvorbehalte und dazugehörige Rechtsprechung des BGH führen, just als das Verfahren wegen des Verdachts des Parteiverrats, besser bekannt als die Mafiakatzen-Affäre, seinen Kollegen Bouffier betraf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Lebhafte Zurufe von der CDU)

Ergänzt wurden diese Erörterungen damals durch Einbestellung von Staatsanwälten ins Ministerium zur Besprechung der Angelegenheit.

(Zuruf von der CDU: Jetzt holt er wieder die große Trommel heraus!)

Warum regen Sie sich eigentlich so auf? Sie wollen alles dem Vergessen anheim geben, aber Sie müssen sich schon das anhören, was Ihre Leute in der Regierung offensichtlich an einer Strecke immer wieder vollbringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Volker Hoff (CDU): Dreck schleudern, etwas anderes können Sie nicht! In der Sache haben Sie nichts zu bieten! – Weitere Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, ein Jahr später erklärt Justizminister Wagner in einem Radiointerview, dass feststehe, dass von seinem Parteifreund Manfred Kanther keine Straftatbestände begangen worden seien. Wir wissen, noch heute

(Michael Boddenberg (CDU): Sie wissen gar nichts!)

ist die Frage rechtlich umstritten, ob eine Anklage zugelassen wird. Aber der Justizminister hat damals das Ergebnis schon vor Beginn der Ermittlungen sozusagen vorgegeben. Natürlich hat er uns hier – wir haben es dann im Landtag diskutiert – erklärt, eine Einflussnahme läge ihm völlig fern. Geglaubt hat es ihm damals keiner, ich glaube, noch nicht einmal sein damaliger Koalitionspartner, was aus dessen Abstimmungsverhalten ehrenwerterweise deutlich wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Birgit Zeimetz- Lorz (CDU):Armselig!)

Meine Damen und Herren, dann gibt es jetzt auch wieder die Feststellung: Wir haben einen Justizminister, der sich subtil, aber für die Betroffenen durchaus verstehbar bei Verfahren gegen Parteifreunde und -freundinnen besonders interessiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Volker Hoff (CDU): Ihr Minister von Plottnitz hat doch einen Staatsanwalt abgelöst!)

Er bekommt aktuell immer mehr Arbeit damit, weil die Zahl der Verfahren, Herr Kollege Hoff, die gegen CDUPolitiker,sogar gegen führende,zu führen sind,ständig ansteigt. Doch das ficht den Kollegen, den Herrn Justizminister Wagner, nicht an. So treffen an dieser Stelle die beiden Skandalpfade direkt zusammen. Einer kommt aus Lahntal über Wiesbaden, der andere aus Hanau – die erweiterte Berichtspflicht an die Staatsanwaltschaft als Signal- und Erörterungsgespräche zwischen Staatsanwaltschaft, Generalstaatsanwalt und dem Staatssekretär.