Da Sie zu diesem Schritt nicht bereit waren, müssen Sie es sich gefallen lassen, dass ich das wiederhole, was ich bereits in der letzten Debatte dieses Themas gesagt habe: Es geht Ihnen nicht um die Kopfbedeckung Kopftuch, sondern Sie brauchen diese Position – Muslime sind per se verfassungsfeindlich, wenn sie ein Kopftuch tragen –, um in Ihren eigenen Reihen zu wirken.
Sie wollen Zustimmung, wo Sie sie möglicherweise bekommen können – aber das wird nicht unserer Gesellschaft und dem Frieden in unserer Gesellschaft dienen. Ihnen geht es nicht um das Kopftuch, sondern um die Stahlhelmfraktion in Ihrer eigenen Partei.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs hatten wir am 18. Februar dieses Jahres. Jetzt sind wir im Oktober, und es ist die dritte Lesung. Dazwischen gab es zwei Ausschussbefassungen, eine schriftliche und eine mündliche Anhörung. Ich muss Ihnen sagen, ich hätte diese Haltung einer absoluten Mehrheit nicht für möglich gehalten,trotz des desaströsen Echos der juristischen Fachwelt auf diesen Gesetzentwurf, trotz der Bitten von solch unterschiedlichen Gruppen. Zwischen SPD, FDP und GRÜNEN gibt es nicht immer nur Gemeinsamkeiten in diesem Parlament,
aber in diesem Punkt sagen wir, so geht es nicht. Die Opposition sagt es, und zwar alle drei Fraktionen. Die juristischen Fachleute sagen es. Die Fachleute, die wir angehört haben – auch Orientalisten –, sagen es. Diejenigen, die sich mit der Integration in diesem Land beschäftigen, sagen es.Eigentlich sagen es Ihnen alle.Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass die absolute Mehrheit in diesem Hause so beratungsresistent ist und nicht nur absolute Mehrheit an den Tag legt, sondern absolute Arroganz.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir hier heute in dieser dritten Lesung so etwas wie den absoluten Tiefpunkt des Parlamentarismus – zumindest in dieser Legislaturperiode – erleben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Widerspruch bei der CDU – Frank Gotthardt (CDU): Das ist ein interessantes Demokratieverständnis!)
Ich möchte Ihnen auch sagen, warum. Meine Damen und Herren,wir haben in diesem Land einen Graben zwischen den Religionen. Ja, wir haben auch Probleme. Wenn man in die Zeit zwischen dem 11. September 2001 und heute zurückschaut – wir haben gerade die Buchmesse in Frankfurt, Schwerpunkt arabische Welt –, dann können wir feststellen, dass die Probleme größer geworden sind anstatt kleiner.
Ich frage Sie – und auch Sie müssen sich diese Frage stellen –, ob das, was Sie hier tun, die Probleme größer oder kleiner macht. Ich sage Ihnen: Leider wird das die Probleme größer machen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Frank Gotthardt (CDU): Sie verwechseln Ursache und Wirkung!)
Ich möchte Ihnen das auch begründen. Herr Kollege Dr. Jung, das Bundesverfassungsgericht hat gesagt – erster Punkt –: Einschränkungen des Grundrechts auf Glaubensfreiheit müssen sich aus der Verfassung selbst ergeben. Das bedeutet, es müssen andere Grundrechte betroffen sein.
Herr Kollege Dr. Jung, deswegen hat das Bundesverfassungsgericht gesagt: Wenn man in das Grundrecht auf Glaubensfreiheit eingreift, dann kann man das nur in der Schule tun – wo beispielsweise auch negative Glaubensfreiheit betroffen ist.
(Widerspruch des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU) – Frank Gotthardt (CDU): Das hat das Gericht nicht gesagt!)
Ich wette mit Ihnen, dass Sie dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts seit dem einen Jahr, in dem es auf dem Markt ist, niemals bis zum Ende gelesen haben.Wenn Sie es nämlich bis zum Ende gelesen hätten,
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Frank Gotthardt (CDU): Wo steht denn, dass das auf Schulen beschränkt sein muss?)
Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 Grundgesetz verbürgte Glaubensfreiheit ist vorbehaltlos gewährleistet. Einschränkungen müssen sich daher aus der Verfassung selbst ergeben.
Dann zitiert das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich die Schule und nennt mögliche Konflikte zwischen Glaubensfreiheit, der Verpflichtung des Staates zu einer neutralen Entziehung, dem Erziehungsrecht der Eltern und der negativen Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler. – Ende des Zitats aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, das ist der Grund, warum es so absolut maßlos ist, wenn Sie mit Ihrem Gesetzentwurf alle Beamtinnen und Beamten treffen und sich nicht nur auf den Bereich beschränken, wo auch Grundrechte anderer betroffen sind.
Einen zweiten Punkt muss ich leider auch nennen. Ich sage das jetzt zum dritten Mal. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht gesagt, dass man ein Kopftuchverbot machen kann oder machen muss, sondern das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass die Länderparlamente die Wahl haben, ob sie religiöse Symbole in der Schule einschränken wollen oder nicht – religiöse Symbole,nicht das Kopftuch. Die Privilegierung der anderen religiösen Symbole, die Sie machen, ist eminent und eklatant verfassungswidrig und widerspricht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Frau Kollegin Zeimetz-Lorz, es gibt auch bei uns in der Partei und in der Fraktion unterschiedliche Meinungen, ob man das machen sollte oder nicht machen sollte.Wenn Ihnen daran gelegen wäre, Kopftücher aus der Schule – das sage ich als jemand, der gegen ein Verbot religiöser Symbole ist –
zu verbannen, und zwar gerichtsfest, sodass sie auch wirklich verbannt sind, dann hätten Sie hier einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sich auf die Schule beschränkt und dort alle religiösen Symbole verbietet.
sondern es geht Ihnen, Herr Kollege Dr. Jung, um Spaltung und Scharfmacherei. Das ist der Skandal, mit dem wir es hier zu tun haben.
Es gibt nur zwei mögliche Wege, auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu reagieren. Entweder lassen wir religiöse Symbole in der Schule zu und reagieren im Einzelfall mit allen Möglichkeiten des Disziplinarrechts, wenn eine Beamtin oder ein Beamter sich pflichtwidrig verhält. Oder wir schränken alle religiösen Symbole ein
und reagieren danach immer noch mit allen Möglichkeiten des Disziplinarrechts,wenn eine Beamtin oder ein Beamter sich pflichtwidrig verhält. Pflichtwidriges Verhalten hat nicht nur etwas mit der Kleidung zu tun.
Diese beiden Möglichkeiten haben wir.Aber das, was Sie hier vorhaben, geht auf keinen Fall. Ich möchte Ihnen sagen, dass ich den Kollegen Walter in seiner Analyse unterstützen möchte. Ich glaube, dass die Bilanz Ihrer eigenen Landespolitik so schlecht ist,
dass Sie krampfhaft nach allen Möglichkeiten suchen, von Ihrer eigenen Bilanz der Landespolitik abzulenken.
Herr Kollege Dr. Jung, wenn Sie gestern in der „Süddeutschen Zeitung“ ein Interview geben, in dem Sie sagen – das ist die Wahrheit völlig auf den Kopf gestellt –, es sei ein Verfassungsgebot, ein solches Gesetz zu machen
Sie brechen also die Verfassung und sagen, es sei ein Gebot aus der Verfassung, so zu handeln; das ist ja völlig absurd –, aber dann noch eine Linie ziehen und sagen, wer gegen das Kopftuchverbot sei, müsse auch für das Handabhacken sein – da ist die Verwirrung in Ihren Köpfen schon sehr weit fortgeschritten, meine Damen und Herren.