Protocol of the Session on October 6, 2004

Es ist kein Unsinn. – Wer einerseits mit immer mehr politischen Zielen auf die Energiewirtschaft und die Strompreise einwirkt, immer mehr auf die Strompreise umlegt, und es andererseits unterlässt, eine nationale Preisregulierungsbehörde einzurichten, wie es von der Europäischen Union gefordert wird, hat meines Erachtens seine Glaubwürdigkeit in dieser Diskussion verspielt.

Als besorgniserregend – vielleicht beruhigen sich die Gemüter wieder ein bisschen – soll natürlich auch das Verhalten der Energiewirtschaft nicht ganz unerwähnt bleiben. Offensichtlich versuchen die Stromversorger, die gegenwärtige Situation dahin gehend zu nutzen, die Abgabenpreise deutlich zu erhöhen. Das können wir anklagen. Aber das ist nachvollziehbar, weil eine logische Kettenreaktion. Das kann nur deshalb nicht akzeptiert werden,weil wir als Politik gegensteuern können.Beides – die seit Jahren vorherrschende Politik der Bundesregierung und die Versuche der Energiewirtschaft – schaden dem Wirtschaftsstandort nachhaltig und damit dem Arbeitsmarkt, den Verbrauchern und nicht zuletzt auch den privaten Haushalten.

Während bei der Erzeugung und dem Verkauf von Strom keine Regulierung notwendig ist, ist es umso mehr erforderlich, dass bei den bekanntermaßen existierenden Monopolen bei der Stromdurchleitung staatlich eingegriffen werden muss. Wenn vier Stromkonzerne 100 % der Hochspannungsnetze kontrollieren, kann es keinen logisch denkenden Menschen verwundern, dass dies zugleich ein Anreiz sein könnte, die Kontrolle von Mitbewerbern zu beeinflussen.

Herr Abgeordneter, ich bitte um Entschuldigung. Ich muss Sie kurz unterbrechen, weil ich auf der Tribüne einen Gast begrüßen möchte, und zwar darf ich recht herzlich den Generalsekretär der Liga der Arabischen Staaten, Seine Exzellenz Amre Moussa, begrüßen. Herzlich willkommen, Herr Generalsekretär.

(Allgemeiner Beifall)

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und gute Gespräche in Wiesbaden. – Herr Abgeordneter, Sie können fortfahren.

Meine Damen und Herren,zu diesem Zeitpunkt stellt sich ernsthaft die Frage, in welcher Welt die Bundesregierung mittlerweile eigentlich lebt, wenn Bundeswirtschaftsminister Clement davon ausgeht, dass sich „mancher mit der Preisgestaltung zurückhält, bis eine Regulierungsbehörde ihre Arbeit aufnimmt“, zugleich aber in allen Zeitungen und nahezu in allen Gazetten zu lesen ist, dass auf Deutschland eine Flut der Strompreiserhöhungen zurollt. Es ist auch unverständlich, dass die Bundesregierung durch ihr Nichtstun den Eindruck erweckt hat, schlichtweg versagt zu haben.Absurd wird es jedoch,

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es ist absurd, was Sie sagen!)

wenn man sehenden Auges nicht Effektives, Hilfreiches vorschlägt, um eine solche Preiserhöhungsflut einzudämmen. Wenn mittlerweile bundesweit etwa 360 Anbieter teilweise heftige Preiserhöhungen angekündigt und beantragt haben, ist meines Erachtens sofortiges Handeln der Politik geboten. Während Wirtschaftsminister Clement „davon ausgeht“ und der Bundeskanzler „ankündigt“, dreht sich die Welt munter nach logischem Muster der Wirtschaft weiter. Dies nur, weil bei der Gestaltung der Preise für die Nutzung der Hochspannungsnetze nach dem Vorschlag der Bundesregierung keinerlei effektive Kontrolle mehr greifen wird.

Meine Damen und Herren, wenn man das verfolgt und sich in die Materie einliest,entsteht der Eindruck,dass die Wahrnehmungslücke zwischen der Realität und der Bundesregierung zunehmend wächst. Durch eine erforderliche Regulierung bei der Stromdurchleitung muss erstens erreicht werden, dass Verbraucher und Nutzer nicht durch überhöhte Nutzungsentgelte indirekt zur Kasse gebeten werden.Denn jede Verteuerung der Stromdurchleitungskosten bei den Nutzern wird automatisch auf die Strompreise umgelegt. Zweitens muss verhindert werden, dass Netzmonopolisten, die in Deutschland vorhanden sind, durch eine Art Quersubventionierung marktbeherrschend auftreten können und ihre Monopolstellung ausnutzen.

Eine effektive Preisregulierung muss eingreifen – jetzt kommen wir zu den Unterschieden zur Bundesregierung –, bevor sich diese Preisspirale unkontrolliert zu drehen beginnt. Es ist im Ansatz nicht nachvollziehbar, dass die Bundesregierung lediglich eine Kontrolle befürwortet, die im Nachhinein greifen soll, also nach den Preiserhöhungen. Dies würde in der Praxis bedeuten, dass sehenden Auges gewartet würde, bis quasi das Kind in den Brunnen gefallen ist. Die Preise würden ähnlich wie gegenwärtig munter erhöht werden, um irgendwann im Nachhinein festzustellen, dass diese Preiserhöhungen nicht zu genehmigen gewesen wären. Das ergibt keinen wirklichen Sinn. Das käme darauf hinaus, dass die Verbraucher in Zukunft jede Stromrechnung unter Vorbehalt zahlen müssten – vorbehaltlich der Entscheidung einer Bewilligungsbehörde, die irgendwann einmal entscheiden sollte. Dies kann nicht Ausdruck einer realistischen und glaubhaften Politik im Interesse des Verbrauchers sein.

Die Bundesregierung würde durch eine solche von ihr vorgeschlagene Regelung zunehmend in den Verdacht geraten, den Netzbetreibern freie Hand bei der Preisgestal

tung zu lassen und damit automatisch den Monopolisten in die Hände zu arbeiten. Ordnungspolitisch macht es daher nur Sinn, wenn im Vorhinein Preiserhöhungen genehmigt werden müssten. So bekämen übrigens auch neue Energieanbieter eine reale Chance, sich am Markt zu etablieren, die gegenwärtig am Tropf der Hochleistungsnetze hängen und damit am Tropf der Monopolisten. Profiteure eines solchen günstigen Energieanbieters wären zweifelsohne alle Nutzer, also Wirtschaft und auch der so genannte kleine Mann, der private Haushalt.

Nach ihrer bisherigen Untätigkeit tendiert die Bundesregierung meines Erachtens mittlerweile zu einer sinnlosen, weil unlogischen Argumentation.Die Mitglieder von RotGrün in Berlin sollten sich dringend entscheiden, ob sie im Interesse der Wirtschaft und der Privatkunden agieren oder weiterhin die Interessen der Monopolisten vertreten möchten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es ist ausdrücklich zu unterstützen, dass die Mehrheit der Länder im Bundesrat dem Vorschlag Hessens folgt, die vorhandene Kompetenz hinsichtlich der Netzregulierung auf Länderebene nutzen zu wollen. Gerade hinsichtlich der regionalen und örtlichen Verteilernetze ist es angebracht, die Hoheit darüber bei den Ländern zu belassen.

Zudem ist die Position der Hessischen Landesregierung und der Mehrheit der Länder im Bundesrat zu unterstützen, dass vorgesehene Preiserhöhungen im Vorfeld, also bevor sie in Kraft treten sollen, der Genehmigung bedürfen. Als Folge einer solchen Regelung würde sich in Deutschland zwischen den Strom- und Gasversorgern mehr Wettbewerb einstellen. Das würde den Nutzern zugute kommen und den vorhandenen Monopolen entgegenwirken. Meines Erachtens kann nur so eine Kontrolle der Monopolisten gewährleistet werden.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Wirtschaftsminister Dr. Rhiel gehört zu den Vorkämpfern für mehr Wettbewerb und mehr Chancengleichheit unter den Stromerzeugern. Er ist dabei quasi zum Anwalt der Wirtschaft und der Nutzer in den privaten Haushalten geworden, die von einer solchen Regulierung profitieren würden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die hessische Initiative und die Mehrheit der Länder im Bundesrat setzen sich für niedrigere Strompreise, für den Wirtschaftsstandort Deutschland und für den privaten Kunden ein. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Kollegin Hammann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war jetzt der Setzpunkt der CDU-Fraktion! Hier ist ja was los!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Möller, Sie haben wenig Energie in Ihre Rede investiert. Das hätte man auch unter dem Bereich Energiesparen abhaken können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

In erster Linie geht es doch nicht darum, dass die Industrie geschützt werden muss. Sie hat übrigens in das gesamte Tarifsystem bereits Härteklauseln eingearbeitet. Es geht um die privaten Haushalte. Es geht um den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, die auf unnachahmliche Art und Weise von der Industrie – von den Stromverbrauchern – –

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sorry, manchmal fängt der Tag nicht so an, wie man es sich gerne wünscht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Ich will zu der ernsten Angelegenheit zurückkehren. – Wie hier die großen Stromproduzenten die Preise massiv in die Höhe getrieben haben, ist unnachahmlich. Die Leidtragenden sind die Verbraucherinnen und Verbraucher.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Brigitte Hofmeyer (SPD))

Herr Kollege Möller, dass das geschehen ist, liegt nicht an Rot-Grün. Das wissen auch Sie ganz genau. Ich denke, es ist wichtig, dass man dabei mit der Wahrheit umgeht und es nicht so macht, wie Sie es in Ihrem Antrag getan haben. Sie haben dort Unwahres behauptet.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Denn schon mit dem Betreff Ihres Antrags „erfolgreiche hessische Initiative macht Energieverbraucher zu Gewinnern“ suggerieren Sie etwas Falsches.Wenn der Titel stimmen würde und man das Ganze so umsetzen könnte, wäre das einfach. Aber so einfach ist die Sachlage nicht. Es hängt an ganz anderen Dingen.

Unwahres kommt z. B. in Ihren Punkten 2 und 4 zum Tragen. Das will ich hier benennen.

Unter Punkt 2 behaupten Sie, die Bundesregierung trage die Verantwortung dafür, dass die Abgabenlast z. B. durch umweltbezogene Abgaben wie die Ökosteuer auf 40 % gestiegen sei.

(Zuruf von der CDU: Ja!)

Ich habe jetzt von der Seite der CDU-Fraktion ein „Ja“ gehört. Meine Damen und Herren, Sie wissen doch, dass das nicht wahr ist. Das kann man auch ganz eindeutig belegen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wer hat denn die unsinnige Ökosteuer eingeführt?)

Ich werde später noch darauf zurückkommen.

Ich möchte auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen. In Punkt 4 des Antrags behaupten Sie, Rot-Grün würde den Monopolunternehmen Gewinne zubilligen. Das ist doch gar nicht wahr. Die Europäische Union und die Bundesregierung haben sehr früh erkannt, dass hier eine Fehlentwicklung erfolgt. Jetzt versucht man, dem entgegenzusteuern. Dazu braucht man auch die Unterstützung der Länder. Die Länder aber verursachen leider nur Chaos.

(Beifall des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf einen Punkt zurückkommen, der mir sehr wichtig ist. Der Titel Ihres Antrags macht deutlich, dass Sie sich um den Wahrheitsgehalt Ihrer Aussagen überhaupt nicht scheren und dass in Hessen keine aktive Energiepolitik stattfindet. Was haben wir denn gerade hinsichtlich der Energiepolitik festzustellen? Die dafür vorgesehenen Haushaltsmittel sind drastisch gesunken. Es sind nur noch geringe Mittel für die Förderung der Biomasse vorgesehen. Dann gibt es noch eine Spielwiese für Wettbewerbe. Als besonders schlimm empfinde ich, dass Sie gerade zu der Zeit, zu der über die hohen Energiepreise diskutiert wird, die Ansätze für die Förderung von Maßnahmen zur Energieeinsparung auf null zurückgefahren haben. Das ist die falsche Entwicklung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Trotz der knappen Haushaltsmittel fördern Sie aber immer noch ein atomfreundliches Gremium, nämlich die Internationale Süddeutsche Reaktorsicherheitskommission.

Ich möchte auch nicht vergessen, zu erwähnen, dass Ihnen der Rechnungshof bescheinigt hat,dass Sie mit hessischen Steuergeldern nicht angemessen umgehen. Sie haben Steuergelder wirklich verheizt, und zwar in Millionenhöhe, weil Sie vorhandene Energieeinsparmöglichkeiten in Hessen nicht umgesetzt haben.

Ich komme auf einen weiteren wichtigen Punkt zu sprechen,der auch genau zu diesem Thema passt.Die Aufsicht über die Strompreise, die Herr Minister Rhiel zu verantworten hat, ist weitgehend wirkungslos. Dass dann Herr Minister Rhiel seine Unterstützung dafür anbietet, auf Bundesebene tätig zu werden, ist in meinen Augen wirklich besorgniserregend. Wer es in Hessen nicht auf die Reihe bringt, kann natürlich keine große Unterstützung für Maßnahmen auf der Ebene der Bundesrepublik Deutschland sein.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Hammann, lassen Sie Zwischenfragen zu?

Gerne lasse ich am Ende meiner Rede Zwischenfragen zu. Darüber hinaus gibt es ja noch die Möglichkeit der Kurzintervention. Denn ich möchte in meiner Rede noch sehr viel darstellen.