Protocol of the Session on October 6, 2004

Genau das aber haben Sie mit der Ablehnung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes getan. Damit machen Sie erneut deutlich, dass Ihre Politik nicht darauf ausgerichtet ist, tatsächliche Verbesserungen für die Familien in diesem Land herzustellen, sondern lediglich taktisch motiviert ist.

Meine Damen und Herren, die Begründung Ihrer Ablehnung mit einer angeblich unzureichenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes zeigt es doch deutlich. Die Kompetenz des Bundes hat sich in den letzten zehn Jahren – seit der Verankerung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz – überhaupt nicht verändert. Ich frage Sie:Warum war es damals möglich, auf Bundesebene eine längst überfällige Entscheidung zu fällen – nämlich eine Betreuungssicherheit und -garantie für Kinder zwischen drei und sechs Jahren –, und warum soll das bei gleicher bundesgesetzlicher Grundlage nicht für Kinder unter drei Jahren möglich sein? – Dass Sie so argumentieren, zeigt, dass Sie überhaupt keine Argumente haben,dass es Ihnen nicht um Familienpolitik geht, sondern lediglich darum, auf Bundesebene zu blockieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun zu Ihrem zweiten Argument zur Ablehnung. Die Reform der Gewerbesteuer und die Reform der Arbeitslo

sen- und Sozialhilfe werdem die Kommunen – das hat die Bundesregierung versprochen – im Jahr 2004 um 2,5 Milliarden c und ab dem Jahr 2005 um jeweils 5 Milliarden c entlasten.

(Lachen der Abg. Ilona Dörr (Bergstraße) (CDU))

Meine Damen und Herren, die Entlastung der hessischen Kommunen aus der Absenkung der Gewerbesteuerumlage und weiteren Steuerrechtsänderungen wird nach aller Wahrscheinlichkeit bereits im Jahr 2004 landesweit um die 2,5 Millionen c betragen.

(Clemens Reif (CDU): Mit Zahlen haben Sie es definitiv nicht!)

Meine Damen und Herren, wir wissen, dass dies Schätzungen sind. Sie wissen aber auch, dass es in den so genannten Hartz-Gesetzen eine Revisionsklausel gibt, die sicherstellen wird, dass den Kommunen diese Entlastung auch dann zugute kommt, wenn sich herausstellen sollte, dass die bisherigen Rechnungen nicht stimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass Sie diese Revisionsklausel leugnen, zeigt, dass Sie hier einfach nur taktieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Reif (CDU): Sie haben eine eklatante Rechenschwäche! – Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Meine Damen und Herren, Sie lesen die Gesetze einfach nicht, sondern Sie lehnen sie ab, weil Sie sie grundsätzlich nicht wollen.

(Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Meine Damen und Herren, die Kommunen werden so in die Lage versetzt, in jährlichen Stufen die Betreuung für Kinder im Alter bis zu drei Jahren bis zu einer Quote von 20 % sicherzustellen,

(Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

wenn die Kommunen das wollen.

Frau Schulz-Asche, Herr Kollege Weinmeister möchte eine Zwischenfrage stellen.

Kordula Schulz-Asche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Er kann mir beim nächsten Mal wieder beim Computer helfen, aber jetzt möchte ich gerne zum Ende kommen.

(Heiterkeit – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, die Kommunen können dies tun, wenn sie es denn wollen. Es ist aber die Aufgabe der Landesregierung, sie dabei ideell und finanziell zu unterstützen. Statt mit einem konkreten Programm genau dies für die Kommunen zu tun, blockieren Sie aus fadenscheinigen Gründen ein Bundesgesetz, das in der Lage ist, die Rahmenbedingungen und die Qualität der Kinderbetreuung zu verbessern.

(Florian Rentsch (FDP): Quatsch!)

Wir befürchten, dass Sie stattdessen bis an das Ende der Legislaturperiode im Landtag mit CDU-Mehrheit Anträge abstimmen werden, in denen Sie – wie auch diesmal wieder – die „Absicht der Landesregierung zum Ausbau der Kinderbetreuung“ begrüßen,wie Sie das bereits so oft getan haben.

Meine Damen und Herren, diese hohlen Versprechungen können Sie nicht beliebig oft wiederholen. Ich habe nicht nachgezählt, in wie vielen Anträgen wir diese Absicht bereits begrüßt haben.Aber die Familien in Hessen, die jungen Menschen hier in Hessen haben ein Recht darauf, endlich Taten zu sehen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Schulz-Asche. – Als Nächstem darf ich Herrn Reißer für die CDU-Fraktion das Wort erteilen. Die maximale Redezeit: 15 Minuten.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegen, das mit den Hinterbänklern finde ich sehr sympathisch.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus den hinteren Reihen:Wir auch!)

Ich sitze auch da hinten. Aber ich sage: Ich sitze gerne da hinten, weil ich fast in gleicher Höhe mit dem Präsidenten sitze und da hinten einen hervorragenden Überblick habe. Wissen Sie, was noch schöner ist? Ich gewinne da hinten auch jede Abstimmung, was bei manchen, die weiter vorne sitzen,nicht immer der Fall ist.Insofern finde ich das ganz hervorragend.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

In der letzten Plenarsitzung hatte ich bereits auf die demographische Krise hingewiesen, die sich aufgrund der geringen Geburtenrate in Deutschland abzeichnet. Die Geburtenrate liegt gerade einmal bei 1,3 Kindern. Dies hat vielfältige Gründe. Wenn wir nach den Grundvoraussetzungen fragen, die Paare benötigen, um ihren Kinderwunsch zu verwirklichen, so gehört vor allem ein gesichertes ökonomisches Umfeld dazu, um ihnen eine gewisse Planungssicherheit für die Zukunft ihrer Familie zu geben. Eltern sind im besonderen Maße auf verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen. Eine florierende Wirtschaft und ein funktionierender Arbeitsmarkt gewährleisten für Familien Sicherheit und Perspektiven. Dies ist auch in einer Studie des Allensbach-Institutes deutlich geworden.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Och, Mensch!)

47 % der Befragten haben angegeben, dass die große finanzielle Belastung gegen die Verwirklichung ihres Kinderwunsches spreche. In diesem Bereich ist besonders die Bundesregierung gefragt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach du liebe Zeit!)

Die rot-grüne Wirtschafts- und Finanzpolitik und Arbeitsmarktpolitik mit ihrer Mischung aus konzeptioneller Pla

nungslosigkeit und Flickschusterei leisten keinen Beitrag zur Schaffung eines familienfreundlichen Umfeldes.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, das glauben Sie doch selber nicht!)

Herr Kollege, unser größtes sozialpolitisches Problem, die größte sozialpolitische Katastrophe sind über 6 Millionen Arbeitslose. Das haben Sie mit Rot-Grün in Berlin zu verantworten.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach du lieber Gott! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und das bei jedem Thema!)

Zu verlässlichen Rahmenbedingungen für Familien zählt aber auch ein Kinderbetreuungssystem, das den Anforderungen der Eltern und der Kinder in qualitativer und quantitativer Hinsicht gerecht wird. Eine zukunftsweisende Familienpolitik muss sich mehr an der Verwirklichung der Kinderwünsche orientieren. Sie muss Müttern und Vätern eine möglichst große Freiheit lassen, Beruf und Familie in unterschiedlichsten Formen und zeitlichen Abstufungen miteinander zu vereinbaren. Sie muss die Risiken, die mit der Entscheidung für Kinder verbunden sind, sowohl über verbesserte Familienleistungen als auch über bedarfsgerechte Kinderbetreuungsangebote abfedern. Sie muss Familien in ihren Partnerschaften und Erziehungskompetenzen stärken. Sie muss in der Gesellschaft stärker für den besonderen Wert der Familie werben.

Hessen ist hier auf dem richtigen Weg. Wir haben in den vergangenen Jahren viel erreicht und werden unseren erfolgreichen Weg fortsetzen. Wir haben durch vielfältige Maßnahmen ein familienfreundlicheres Hessen auf den Weg gebracht, wie z. B. durch den qualitativen und quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung. Ich nenne nur einige Beispiele: Offensive für Kinderbetreuung, Auf- und Ausbau individueller Tagesbetreuung durch Tagespflegepersonen, Bildungsplan für Kinder von null bis zehn Jahre sowie Sprachförderung im Kindergartenbereich. Aber auch durch weitere familienfreundliche Projekte wie den Wettbewerb „Familienfreundliche Kommune“, kommunale Familientische,Förderung der Mütterzentren leisten wir unseren Beitrag zu einem familienfreundlicheren Hessen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Super, und deswegen haben Sie die Koordination der Mütterzentren zu 100 % gekürzt!)

Den guten Erfahrungen unserer französischen Nachbarn zufolge legen wir unseren familienpolitischen Schwerpunkt auf die Weiterentwicklung der Kinderbetreuung. Gerade durch den Ausbau der Kinderbetreuung im Rahmen der Tagespflege – also auch durch Tagesmütter – wollen wir zum individuellen Wunsch eine Betreuungsleistung anbieten. Hessen hat als erstes Land flächendeckend Vermittlungsstellen für Tagesmütter eingerichtet.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das stimmt überhaupt nicht!)

Am Beginn der Offensive für Kinderbetreuung wurden Fördermittel in Höhe von 700.000 c vergeben. Im vergangenen Jahr waren es bereits 1,4 Millionen c. Die Fördermittel wurden also verdoppelt. Die CDU-Fraktion strebt den regionalen Ausbau und differenzierte Einrichtungen und Angebote zur Tagesbetreuung von Kindern, bedarfsgerechte, flexibel gestaltete und leicht zugängliche

Angebote, an. Dies schließt den flächendeckenden Ausbau und die nachfrageorientierte Weiterentwicklung und Vernetzung der Tagespflege mit ein.

Den Maßstab für die Betreuungsangebote bilden dabei die Bedürfnisse der Eltern und der allein erziehenden Elternteile, aber vor allem die Bedürfnisse der Kinder. Dem trägt die Tagespflege mit hoher Flexibilität Rechnung.Die Landesregierung schafft hierzu einen Rahmen, innerhalb dessen die Kommunen Betreuungsangebote auf- und ausbauen können. Die Kinderbetreuung bleibt damit weiterhin im Bereich der Kommunen. Das Land steht aber unterstützend zur Seite.Eltern haben die Möglichkeit,frei zu entscheiden, und können die Betreuung ihrer Kinder individuell regeln.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch nicht möglich!)

Trotz der angespannten Haushaltssituation setzt das Land Hessen familienpolitische Prioritäten und wird im kommenden Haushaltsjahr die Mittel für die Offensive für Kinderbetreuung um 3,5 Million c auf insgesamt 14 Millionen c erhöhen.

(Beifall bei der CDU)