Protocol of the Session on October 6, 2004

vor Ort, es gibt weniger Streifen und damit eine weniger effektive Kriminalitätsbekämpfung.

(Beifall bei der SPD)

Das ist genau der falsche Weg. Die Polizei muss auch weiterhin für die Bürgerinnen und Bürger sichtbar sein. Mit weniger Personal ist das natürlich nicht möglich.

Weitere Belastungen für die Polizeibeamtinnen und -beamten kommen durch Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld hinzu. Auch die Arbeitszeitverlängerung hat zu einer hohen Demotivation geführt. Man sollte das nicht so locker-flockig abtun und fragen, was seien schon ein oder zwei Arbeitsstunden mehr. Für die Polizeibeamten, die im Schichtdienst arbeiten, bedeutet die Arbeitszeitverlängerung eine Zusatzbelastung von bis zu 15 Arbeitstagen im Jahr. Das ist enorm, das ist keine Petitesse, sondern ein unglaublicher Vorgang.

(Beifall bei der SPD)

Auf dem Rücken dieser Menschen führt diese Landesregierung ihre falsche Politik fort. Das ist der eigentliche Skandal, um den es hier geht.

(Beifall bei der SPD)

Was sind Ihre Alternativen, Herr Innenminister? Sie wollen mit der Einstellung weiterer Wachpolizisten, mit dem so genannten freiwilligen Polizeidienst – anstelle von gut ausgebildeten und qualifizierten Polizeibeamten – die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit in Hessen gewährleisten. Dies geht eindeutig zulasten der Qualität. Das ist der falsche Weg. Wir brauchen für eine effektive Kriminalitätsbekämpfung in Hessen gut ausgebildete Profis und keine Amateure.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Volker Hoff (CDU))

Herr Hoff, mit Ihnen nehme ich es schon lange auf. Da muss schon ein bisschen mehr Qualität rüberkommen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Es ist eigentlich relativ einfach, auch was die innere Sicherheit angeht:Wo Polizei draufsteht, muss auch gut ausgebildete Polizei drin sein. – Das wollen die Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Politik ist im Übrigen auch der falsche Ansatz,auf die enorm gestiegene Kriminalität in Hessen zu reagieren.Allein in den beiden letzten Jahren ist ein Anstieg der Kriminalität um 11 % zu verzeichnen. Durch Ihre unsinnigen Kürzungen, z. B. im Sozialbereich, wird es in den nächsten Jahren möglicherweise zu einem weiteren Anstieg der Kriminalität kommen.

(Beifall bei der SPD)

Ich nenne einige Beispiele. Einschnitte im Strafvollzug führen zu einer weiteren Verschärfung der ohnehin angespannten Personalsituation. Die Rückkehr von Straftätern in ein ordentliches Leben wird erschwert und damit möglicherweise ein Anstieg der Kriminalität provoziert. Wenn der Vorsitzende des Landespräventionsrates, Prof. Fetscher, feststellt, die Einsparungen bei Präventionsmaßnahmen werden mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu einer Erhöhung der Kriminalität und damit zur Notwendigkeit von Mehrausgaben im Bereich der Polizei und der Justiz führen, dann sollten Sie diese Signale ernst nehmen. Später wird es teurer, Herr Innenminister.

(Beifall bei der SPD)

Die Stärkung der Prävention ist die beste und wirkungsvollste Form der Kriminalitätsbekämpfung. Sie ist in der Regel aber nicht messbar, und deswegen wird sie von Ihnen vernachlässigt.

Innere Sicherheit und sozialer Friede sind nur miteinander zu haben. Innere Sicherheit ist ohne den sozialen Frieden nicht zu gewährleisten, und sozialer Friede ist ohne innere Sicherheit nicht zu garantieren.Das sind zwei Seiten derselben Medaille. Sie sollten das endlich einmal verinnerlichen, meine Damen und Herren von der Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Nun kommt der nächste grandiose Vorschlag in der Personalpolitik à la Innenminister Bouffier: Polizeidienststellen sollen teilweise geschlossen bzw. zusammengelegt werden. Das ist die nächste Stufe und das Ergebnis Ihrer völlig verfehlten Politik im Bereich der inneren Sicherheit. Das kommt einem sicherheitspolitischen Offenbarungseid gleich.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sie wissen selber, dass Sie Unfug reden!)

Herr Hahn, wir wissen, wie Sie von der angeblichen Opposition Ihre Rolle wahrnehmen. Sie sind nicht mehr in der Regierung. Es tut mir Leid, aber ich muss es Ihnen wieder einmal sagen, Herr Hahn.

(Beifall bei der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sie sind mit Ihren Ausführungen nicht bei Hessen!)

Ich bin sehr wohl bei Hessen. Ich stehe mit beiden Füßen in der hessischen Realität. Ich werde Ihnen das gleich an ein paar schönen Beispielen belegen. Sie sollten die Realität so wahrnehmen, wie sie ist, nicht so, wie sie nach Ansicht der FDP sein sollte.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Hau rein!)

Faktisch bedeutet das, die Polizei wird sich aus der Fläche zurückziehen. Herr Innenminister, Sie stehen damit vor dem Scherbenhaufen Ihrer gescheiterten Personalpolitik. Es fehlen Ihnen im notwendigen Umfang Leute für die Polizeiarbeit.

(Beifall bei der SPD)

Wenn die Gewerkschaft der Polizei hier von einer „Mogelpackung“ spricht, hat sie Recht. Sie reden davon, Sie wollen mehr Polizeibeamte auf die Straße schicken. Kein vernünftiger Mensch hat etwas dagegen. Wir fragen Sie aber:Welche Polizeibeamten wollen Sie denn auf die Straßen schicken?

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen in den nächsten Jahren 608 Stellen im Tarifbereich streichen. Damit fallen wichtige Stellen weg, auf denen Aufgaben im Innendienst erledigt werden. Diese Arbeiten werden in noch stärkerem Umgang als jetzt schon von Polizeibeamten wahrzunehmen sein. Herr Innenminister, Sie können offensichtlich auch nicht rechnen.Wollen Sie etwa behaupten, ein Polizist im Büro fange keine Straftäter? Das ist nur die eine Hälfte der Wahrheit.Auch am Schreibtisch, am Computer und am Telefon wird nämlich Ermittlungsarbeit geleistet.

(Beifall bei der SPD)

Dabei geht es möglicherweise nicht zu wie in Fernsehkrimis der Reihen „Tatort“ und „Polizeiruf 110“. Schießereien und Verfolgungsjagden sind Gott sei Dank die Ausnahme. Das sollten Sie eigentlich wissen. Ein Polizeibeamter in meinem Wahlkreis hat mir, als er von Ihren Plänen hörte, gesagt: Ich kann mich doch nicht an irgendeinen Ort in meinem Revier hinstellen und darauf warten, dass ein Straftäter vorbeikommt. – Recht hat er. Schauen Sie sich an, was die Praktiker vor Ort sagen. Wenn man Polizeibeamte fragt, hört man immer wieder, Ihre Idee sei zum Lachen, völlig unverständlich oder an der Praxis vorbei.Wie soll denn das Vorhaben,mehr innere Sicherheit in den großen Flächenkreisen Nord- und Mittelhessens zu gewährleisten, mit weniger Polizeibeamten funktionieren? Herr Innenminister, die Vorstellungskraft reicht einfach nicht aus, das, was Sie jetzt dargelegt haben, in die Praxis umzusetzen.

Bereits jetzt müssen die Polizeibeamten viel zu viele jobfremde Tätigkeiten ausführen. Sie müssen ihre Dienstwagen zum Waschen in die Werkstatt fahren. Das sei angeblich billiger. Schauen Sie sich den Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2005 an, wo für Service- und Wartungsarbeiten an den PKW viel mehr Geld zur Verfügung gestellt werden muss.

Die Begleitung von Schwertransporten kostet viel Zeit. Mehr Polizeibeamte auf der Straße – das ist gut und schnell gesagt, aber dann müssen Sie dafür endlich auch die Rahmenbedingungen sauber und ordentlich schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Immer mehr Stellen bei der Wachpolizei und dem freiwilligen Polizeidienst – das dient dazu, im Ergebnis hinterher gut ausgebildete Polizei abzubauen, und auch das nach dem Motto: Es gilt nicht mehr das, was ich den Menschen vor der Wahl versprochen habe.

Bleiben wir beim Beispiel der Polizeistation Viernheim – nicht nur, weil heute eine Abordnung aus Viernheim hier ist und Ihnen nachher einige Tausend Unterschriften überreichen wird, Herr Innenminister. Dort wurde zunächst der freiwillige Polizeidienst eingeführt, und als Ergebnis sollte die Polizeistation Viernheim nachts geschlossen werden. Nach heftigen Protesten der Öffentlichkeit wird das wieder ein bisschen zurückgenommen.

Nein, meine Damen und Herren, es ist der falsche Weg, gut ausgebildete Polizei abzubauen. Vor der Wahl haben Sie eine Bestandsgarantie für die Polizeistation gegeben. Das war vor der Wahl.Auch damit haben Sie Ihr Wort vor den Bürgerinnen und Bürgern in Viernheim gebrochen.

(Beifall bei der SPD)

Auch die von Ihnen so hoch gepriesene Neuorganisation der Polizei hat nicht den geringsten Erfolg gebracht. Schon damals haben Sie eine Steigerung der Polizeipräsenz versprochen. Aber es sind viele Häuptlinge und wenige Indianer dabei herausgekommen. Wir haben nicht mehr Polizeipräsenz, aber wir haben mehr Wasserköpfe, etwa in den Polizeipräsidien:Neuschaffung von Vizepräsidentenstellen, die sehr viel Geld kosten. Nein, meine Damen und Herren,dort wird in der Tat keine Streife vor Ort gelaufen, sondern dort wird Bürokratie verwaltet – auch das Ergebnis einer völlig verfehlten Politik, die Sie zu verantworten haben.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Ihnen eigenen Logik, mit weniger Personal mehr Sicherheit zu gewährleisten,ist es in der Tat nicht weit her.

Wer dies den Menschen in Hessen ernsthaft so rüberbringen will, der kann entweder nicht rechnen, oder er will die Menschen in Hessen bewusst täuschen. Beides ist gleich schlimm und deswegen von uns in aller Deutlichkeit abzulehnen.

(Beifall bei der SPD)

Wir fordern diese Landesregierung zum Verzicht auf die Streichung von 360 Stellen bei der Vollzugspolizei auf, zur Rücknahme der Streichung von 608 Stellen in der Verwaltung. Wir fordern die ausreichende Einstellung von Polizeianwärtern – auch das haben Sie nicht getan. Sie können Mittel bei SAP einsparen, und diese eingesparten Mittel können Sie der Polizei zur Verfügung stellen. Davon haben die Polizeibeamtinnen und -beamten etwas, nicht aber von dem Ausfüllen unsinniger Statistiken und sonstigen Dingen.Auch dort können Sie Geld sparen.

(Beifall bei der SPD)

Sie betreiben die schleichende Entprofessionalisierung der hessischen Polizei. Das ist falsch. Die Bürgerinnen und Bürger verlieren das Vertrauen in die Polizei, und das ist das viel Schlimmere. Die Bürgerinnen und Bürger wollen den Schutz vor Kriminalität durch eine gut ausgebildete, gut motivierte Polizei, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger genießt. Deswegen, trotz dieser Landesregierung und dieses Innenministers, zunächst einmal ein herzliches Dankeschön an die Polizeibeamtinnen und -beamten, die trotz erschwerter Rahmenbedingungen einen hervorragenden Beitrag zur Sicherheit der hessischen Bürgerinnen und Bürger leisten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in Ihrem Entschließungsantrag schreiben Sie, es wird nichts geschlossen. Da wird die Polizeipräsenz vor Ort radikal reduziert. In Ehringshausen schließt man die Polizeiautobahnstation, die müssen dann nach Butzbach. Das Revier in Herborn wird aus der Innenstadt in den Randbereich verlegt – auch das ist ein wichtiger Beitrag zur Stärkung von Bürgernähe.Die Menschen werden hin und her geschoben. In Nordhessen soll es auch zur Verringerung der Polizeipräsenz kommen. Äußern sich betroffene Polizeibeamte kritisch – aber, wie ich finde, im Rahmen der Meinungsfreiheit durchaus zulässig –, und dann hört man, dass möglicherweise gegen kritische Polizeibeamte sogar Vorermittlungen eingeleitet werden sollen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Skandalös!)