Protocol of the Session on July 15, 2004

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Horst Klee (CDU): Wider besseres Wissen! Das ist doch unfassbar, was Sie hier erzählt haben! – Frank Gotthardt (CDU): Kein Vertrauen zu den eigenen Abgeordneten im Petitionsausschuss!)

Als nächster Redner spricht Herr Abg. Beuth für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Frömmrich, das, was Sie hier vorgetragen haben, was Sie beantragt haben, ist natürlich pure Provokation. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

Meine Damen und Herren, hier geht es nicht um die Sache, sondern darum, eine bereits im Mai dieses Jahres verlorene Debatte um einen Fall, der in der „Frankfurter Rundschau“ dargestellt wurde, jetzt noch zu gewinnen. Herr Kollege Frömmrich, das wird Ihnen nicht gelingen

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich erinnern: Damals haben die GRÜNEN den Kollegen Frömmrich bereits auf der Basis eines Artikels der „Frankfurter Rundschau“ hier im Plenarsaal verheizt. Mit Schaum vor dem Mund hat er hier gestanden und über die Behörden gehetzt, die eine Abschiebemaßnahme durchführen mussten – nicht wollten, sondern mussten. Allerdings war der Sachverhalt ein ganz anderer.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP))

Da hilft es Ihnen auch im Juli dieses Jahres nicht,wenn Sie nunmehr vermeintlich einen christdemokratischen Kronzeugen haben – der damals aber die Debatte hier nicht verfolgt hat.

Herr Kollege Frömmrich, wenn Sie sich erinnern: Damals ging es um diesen Usinger Vorfall oder Fall. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Ihr Kronzeuge in diesem Artikel der „Frankfurter Rundschau“ danach fragt: „Wo ist der Petitionsausschuss?“ – Das kann ich Ihnen sagen. Der hat nämlich im November 2003 über diesen Fall entschieden.

Er fragt: „Wo ist der Hessische Landtag?“ – Der hat am 26.11. über diesen Fall entschieden. Er hat sich dann am 13.05. hier in der Debatte noch einmal damit beschäftigt.

Der Kronzeuge fragt: „Wo war der Innenausschuss?“ – Ich kann das von hier aus sagen: Der Innenausschuss hat am 09.06. über diesen Fall beraten.

Dann steht da noch drin: Wo ist der Rechtsstaat? – Der Rechtsstaat war beteiligt bei sechs Entscheidungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, acht Gerichtsverfahren, einem Petitionsverfahren – und es gab mehrere Angebote zur freiwilligen Ausreise.

Herr Kollege Frömmrich, wenn Sie sich hierhin stellen und ernsthaft sagen, das wäre eine Rücksichtslosigkeit

oder Menschenverachtung, dann kann ich Ihnen nur sagen: Das ist der Sache völlig unangemessen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, alle die, nach denen der Kronzeuge gefragt hat, waren beteiligt – und zwar nicht in einem kurzen Verfahren, wie man sich anhand der vielen damit befassten Organisationen und Behörden vorstellen kann, sondern zehn Jahre lang.Am Ende musste diese Familie dann aufgrund der Entscheidungen Deutschland verlassen.

Da gab es Angebote zur freiwilligen Ausreise. Die wurden nicht angenommen. Danach mussten die Behörden in der betreffenden Weise handeln. Das war nicht zu beanstanden, und das ist am Ende auch nicht inhuman.

Meine Damen und Herren, auch nach dem neuen Zuwanderungsgesetz werden zukünftig Ausländer das Land verlassen müssen. Auch in Zukunft wird es dabei vermutlich zu Abschiebemaßnahmen kommen.

Auch in Zukunft werden hessische Behörden es selbstverständlich vermeiden, Familien getrennt abzuschieben. Meine Damen und Herren, aber wenn Eltern ihre Kinder verstecken oder verbergen und damit im Grunde ihre Elternpflicht verletzen,dann wird es auch zu getrennten Abschiebungen kommen müssen – sonst sind unser Recht und unsere Gesetze nicht durchsetzbar.

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN,es geht Ihnen hier nicht um die Sache.Es geht Ihnen darum,ein Bild zu stellen – ein Bild der Inhumanität. Das existiert in dieser Form nicht. Es ist schlicht und ergreifend nicht wahr.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hat Ihr Parteimitglied Schwarz-Schilling so geschildert!)

Sie sind sich dafür nicht zu schade, über Ausländerbehörden, über beteiligte Polizeibeamtinnen und -beamte, über Jugend- und Ordnungsämter herzuziehen und sie zu diskreditieren. Diese Mitarbeiter machen für unser Land einen wirklich schweren Job. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass eine Abschiebemaßnahme eine unheimlich belastende Aufgabe auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Landes ist, und dafür verdienen sie mehr Anerkennung und Respekt als derartige Reden, wie Sie sie hier eben gehalten haben.

Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Der letzte Satz: Meine Damen und Herren, wir danken diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dafür, dass sie mit ihrer Arbeit für die Wahrung der rechtsstaatlichen Prinzipien einstehen. Von Inhumanität ist keine Spur. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Als nächste Rednerin spricht Frau Abg. Waschke für die SPD-Fraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion in diesem Hause wird den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend inhumane Abschiebepraxis in Hessen mittragen. Wir unterstützen die Forderung nach humanitärer Verbesserung im Ausländerrecht, insbesondere nach praktikablen Härtefallregelungen und nach vernünftigen Lösungen für Jugendliche, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir begrüßen ausdrücklich, dass im künftigen Zuwanderungsgesetz rechtliche Verbesserungen in diesem Sinne vorgesehen sind.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir werden den Entschließungsantrag der CDU ablehnen. Selbstverständlich müssen wir uns auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit bewegen. Das ist unstrittig. Aber wir brauchen auch humanitäre Spielräume. Deswegen hat die SPD-Fraktion die Einrichtung einer Härtefallkommission in Hessen gefordert.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden darüber noch zu diskutieren haben, wenn das Zuwanderungsgesetz auf Bundesebene in Kraft tritt. Bisher werden Menschen aus verschiedenen Gründen über lange Zeit in Deutschland geduldet. Geduldet heißt, sie haben keinen gesicherten Status. Das hat in vielen Fällen zu jahrelangen Aufenthalten geführt. Im neuen Zuwanderungsgesetz wird es einige Regelungen geben, die das in Zukunft verhindern, weil sich die Verfahren schlicht verkürzen werden.

So werden z. B. die Asylverfahren der Kinder an die der Eltern gekoppelt. Anstelle von bisher fünf verschiedenen Titeln wird es in Zukunft nur noch zwei geben – die befristete Aufenthaltserlaubnis und die unbefristete Niederlassungserlaubnis. Das bedeutet, diese Kettenduldungen, die zu so viel Leid geführt haben, werden damit faktisch abgeschafft. Als Verantwortliche müssen wir jetzt eine Lösung für all diejenigen finden, die bereits lange bei uns leben, aber bisher nur geduldet sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kenne Fälle, da sind bereits die Kinder in Deutschland verheiratet und haben damit einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Die Eltern und Geschwister werden abgeschoben, obwohl sie zum Teil 12, 15, 18 Jahre in Deutschland leben und hier ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben. Das ist ein untragbarer Zustand. Das meint Herr SchwarzSchilling, wenn er sagt: Es ist etwas nicht in Ordnung, es schreit zum Himmel.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt Fälle, da werden Kinder und Jugendliche hier geboren, sie gehen zur Schule und spielen Fußball, sie haben ihre Freunde hier gefunden, und sie sprechen unsere Sprache, und zwar nur unsere Sprache. Sie haben überhaupt keinen Bezug mehr zu ihrem Heimatland, aber einen gesicherten Aufenthaltsstatus haben sie auch nicht. Diese jungen Menschen schweben unsicher zwischen zwei Welten. Es ist unsere Aufgabe, hier Lösungen zu finden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das neue Zuwanderungsgesetz wird Lösungsmöglichkeiten beinhalten. Darüber sind wir sehr froh. Deshalb fordert die SPD-Fraktion in diesem Hause ebenso wie die Justizministerin Werwigk-Hertneck in Baden-Württemberg ein Abschiebemoratorium.

(Beifall bei der SPD)

Wir fordern ein Abschiebemoratorium für integrierte, aber nicht bleibeberechtigte Flüchtlinge, die mindestens sechs Jahre straffrei in Deutschland leben und ihren Lebensunterhalt selbst finanzieren können.

(Beifall bei der SPD)

Es wäre nach unserem Dafürhalten fatal, diese Menschen jetzt abzuschieben, wenn wir im Jahre 2005 – also in fünf Monaten – ein neues Zuwanderungsgesetz haben und nach diesem neuen Aufenthaltsrecht diese Menschen zunächst einen befristeten Aufenthaltsstatus beantragen könnten. Die Menschen, die schon so lange bei uns leben und jetzt abgeschoben werden sollen – das ist das, was Herr Schwarz-Schilling meint, wenn er die Abschiebepraxis anprangert und sagt:Es schreit zum Himmel.– Mit diesem Schritt würden menschliche Härten und die zum Teil inhumanen Abschiebungen vermieden.

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat Frau Beer für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, es gibt keinen in diesem Raum, der sich nicht dafür einsetzt, dass es vermieden wird, dass Familien bei Abschiebungen auseinander gerissen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen gerade von SPD und GRÜNEN, doch in den hier so heiß diskutierten Fällen muss festgestellt werden, dass abzuschiebende Ausländer selbst dafür verantwortlich waren, dass die Familien auseinander gerissen und in verschiedenen Teilen in ihre Heimatländer zurückgeführt wurden.

(Beifall bei der CDU)

Es gab in all diesen Fällen Angebote, dass die Familien gemeinsam in Deutschland,in Hessen bleiben können,bis die Kinder das jeweils laufende Schuljahr absolviert haben, wenn Zusagen erteilt werden, dass danach eine freiwillige Ausreise erfolgt. Diese Angebote wurden nicht wahrgenommen. Die Familien wären nach dem normalen rechtsstaatlichen Verfahren, das wir nach den Gesetzen in diesem Land haben, gemeinsam abgeschoben worden, wenn nicht die Eltern ihre Kinder jeweils zum Untertauchen veranlasst hätten.

Von daher begrüßen wir es, dass der Innenminister angekündigt hat,die Abschiebeverfahren neu zu strukturieren. Denn wir haben gerade in diesen Fällen vor Ort gesehen, wie schwierig es für die einzelnen zentralen Ausländerbehörden vor Ort ist – in der Verquickung des Landrates als gewählte kommunale Vertretung und wiederum als staatlicher Landrat und Chef der Ausländerbehörde –, dass diese Aufgabenstellung nun auf die Regierungspräsidien übergehen soll. Aber gleichzeitig muss festgehalten werden, dass die zentralen Ausländerbehörden nach den gültigen rechtsstaatlichen Verfahren in unserem Land vorgegangen sind.

Das Zuwanderungsgesetz – es wurde angesprochen – bringt eine Reihe von Verbesserungen für die Bleibemöglichkeiten, für die Einwanderungsmöglichkeiten nach Deutschland, aber auch Veränderungen im Abschiebungsrecht. Die FDP hat an diesem Zuwanderungsgesetz sehr intensiv mitgewirkt. Oft haben wir als eine Art Moderator zwischen den zwischenzeitlich sehr verhärteten Fronten von Rot-Grün auf der einen Seite und CDU auf der anderen Seite wirken können.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Hängen Sie das nicht so hoch!)