Protocol of the Session on July 13, 2004

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

und zwar so, wie Herr Töpfer und Frau Merkel es vorgesehen hatten.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das war der Fehler!)

Jetzt kamen CDU und FDP und haben gefragt:Wie kann jemand eine so blödsinnige Regelung machen, dass auf einmal Bierdosen Pfand kosten und Eisteedosen keines?

Darauf hat er einen neuen Vorschlag gemacht. Dazu hat sogar der Stoiber-Edi inzwischen gesagt: Eigentlich hat der Mann Recht. – Was ist passiert? Am letzten Freitag hat die Mehrheit im Bundesrat es erneut geschoben. Das könnte dazu führen, dass ab dem 1. Januar 2005 inzwischen auch auf TetraPak-Kartons, also auf Saftverpackun

gen, und auf Weinflaschen ein Pfand erhoben werden muss, wozu alle sagen, dass das Wahnsinn ist.

(Frank Gotthardt (CDU): Das ist ein gutes Beispiel, dass Föderalismus notwendig ist, um Unfug zu vermeiden!)

Ich glaube, an diesem einen Punkt können Sie deutlich machen, dass es für die Bürgerinnen und Bürger und für die Politik insgesamt unglaublich wichtig ist, dass ganz klar ist, wer für was verantwortlich ist. Denn es kann nicht sein, dass ein Bundesumweltminister und eine Mehrheit des höchsten deutschen Parlamentes, des Bundestages

(Frank Gotthardt (CDU): Das höchste deutsche Parlament ist der Hessische Landtag!)

das höchste hessische Parlament ist der Hessische Landtag, Frank –, nicht mehr entscheiden können, ob z. B. eine Verpackungsverordnung so geändert wird, dass auf Kartons Pfand erhoben wird oder nicht.Wenn wir einmal dort angekommen sind, wo wir jetzt sind, dann ist Politik am Ende unmöglich geworden. Aber das dürfen wir uns alle, meine Damen und Herren, egal wer gerade wo regiert, nicht leisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Wir haben uns alle miteinander in Lübeck im Jahre 2003 darauf geeinigt, dass wir den derzeitigen Status des Föderalismus nicht länger hinnehmen wollen und hinnehmen können. Wir haben eine Diskussion, die schon in Gang war, mit so viel Schwung versehen, dass am Ende die Kommission zur Reform der bundesstaatlichen Ordnung eingesetzt worden ist. Allein an der Tatsache, dass dieser Kommission nur 16 Vertreter des Bundestags und 16 Vertreter des Bundesrats stimmberechtigt angehören und die Vertreter der Landtage, aber auch der Bundesregierung nur beratende Mitglieder sind, zeigt schon, dass wir, was die Landesparlamente angeht, dort nur suboptimal vertreten sind. Ich drücke es einmal vorsichtig aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Es ist noch schlimmer geworden!)

Es gibt aber durchaus Vorschläge, bei denen sich die Ländervertreter und die Landtagsvertreter einig sind. Die Frage ist, welche zusätzlichen Aufgaben, welche zusätzlichen Kompetenzen wir als Länder insbesondere aus dem Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung beanspruchen können. Es ist kein Geheimnis, dass der Bund, die Bundesregierung, bisher nur sehr unzureichende Angebote gemacht hat. Es kann nicht sein, dass am Ende das Ergebnis der Föderalismusreform ist, dass die Länder zukünftig die Zuständigkeit für die lokale Bekämpfung des Freizeitlärms als zusätzliche Kompetenz bekommen. Das kann es am Ende nicht gewesen sein.

Meine Damen und Herren, ich glaube aber, dass auf Bundesebene, vonseiten der Bundesregierung die Bereitschaft, Kompetenzen wieder an die Länder zurückzugeben, in dem Maße steigen wird, wie die Zustimmungsfreiheit von Bundesgesetzen von den Ländern und den Ministerpräsidenten angeboten wird. Deswegen glaube ich, dass wir eine echte Chance haben, dass erstens die föderalen Ebenen eigenständiger arbeiten können, und zwar alle föderalen Ebenen, und dass zweitens die Landesparlamente ihre Kompetenzen wieder ausweiten können.

In diesem Zusammenhang gilt für uns als GRÜNE aber noch ein Punkt, der uns sehr wichtig ist.Wir glauben, dass

eine Föderalismusreform, die ihren Namen verdient und die die Verantwortung wieder klarer definiert, auf unserer Ebene auch eine bessere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger braucht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann in diesem Zusammenhang nur den Artikel von Lothar Probst zitieren, der am Institut für interkulturelle und internationale Studien der Universität Bremen lehrt und arbeitet. In der „FAZ“ vom 06.07.2004 sagt er:

Eine Föderalismusreform, die darauf abzielt, Kompetenzen zwischen Bund und Ländern zu entflechten, die Output-Effizienz der politischen Entscheidungsverfahren zu verbessern und mehr Wettbewerb zwischen den Ländern zuzulassen, ist dringend notwendig – sie bliebe aber halbherzig, wenn sie nicht gleichzeitig mehr Möglichkeiten und Anreize für die Bürger schafft, sich im Sinne des Subsidiaritätsprinzips an politischen Entscheidungen zu beteiligen.

Recht hat der Mann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass sich die Mehrheit aus CDU und FDP aus der letzten Wahlperiode hier im Parlament Gedanken machen muss, ob es richtig war, die von uns eingebrachten Gesetzentwürfe zu besserer Bürgerbeteiligung sowohl auf Landes- wie auf kommunaler Ebene abzulehnen.

Heribert Prantl hat am 12.07. in der „Süddeutschen Zeitung“ geschrieben:

Föderalismus und Demokratie sind mehr als Output-Effizienz. Sie sind eine Gemeinschaftsaufgabe.

Zur Neuausrichtung des Begriffs „Gemeinschaftsaufgabe“ nach einer Entflechtung derselben schreibt er weiter:

Die alte Überschrift „Gemeinschaftsaufgabe“ sollte... neu genutzt werden – um der Zivilgesellschaft Raum im Grundgesetz zu geben.

Ich glaube, dass zu einer wirklichen Föderalismusreform gehört, dass die Bürgerinnen und Bürger auf allen Ebenen mehr an dem beteiligt sind, was Aufgabe des Parlamentes, was Aufgabe von Landespolitik, aber auch von Bundespolitik ist. Wenn man dann die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten stärker getrennt hat, dann ist das auch in einem viel einfacheren Maße möglich, als das bisher der Fall ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte zur Finanzausstattung und zu dem, was Herr Kollege Walter angesprochen hat, noch ein paar Bemerkungen machen. Natürlich ist es so, dass, wenn man sich die Quote der Eigenfinanzierung des Landes Mecklenburg-Vorpommern und die Quote der Eigenfinanzierung des Bundeslandes Bayern anschaut oder die Einzahlungen pro Kopf des Bundeslandes Hessen in den Finanzausgleich und die Zahlungen pro Kopf an das Land Berlin, man unglaubliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern feststellt. Natürlich ist es so, dass gerade wir als Geberland ein bestimmtes Interesse daran haben müssen, uns die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern genauer zu betrachten.

Aber wir wissen alle, Frau Kollegin Wagner: Wenn wir jetzt bei der Änderung des Grundgesetzes – darum geht es im Kern, wenn man eine Föderalismusreform macht –

die Frage des Länderfinanzausgleichs auch noch auf die Tagesordnung gesetzt hätten, dann wäre eine Zweidrittelmehrheit unerreichbar. In bestimmten Bereichen muss man davon ausgehen, dass, wenn man versucht, alles auf einmal zu lösen, am Ende vielleicht gar nichts dabei herauskommt.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Deswegen sage ich aus meinen Erfahrungen in der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der GRÜNEN: Es ist ein Thema. Aber wenn Sie bei der Föderalismusreform noch einmal die Frage Solidarpakt Ost oder die Frage Länderfinanzausgleich aufrufen wollen und versuchen, das Bundesland Bremen und das Bundesland Baden-Württemberg unter einen Hut zu bekommen, dann haben Sie schon bei den Gestaltungsmöglichkeiten im Grundgesetz ein Riesenproblem. Wenn Sie auch noch die Finanzen oder gar die Länderneugliederung auf die Tagesordnung nehmen, dann ist die Debatte sofort beendet.

Deswegen ist es im Interesse der Sache am besten, wenn wir erst einmal die Änderungen des Föderalismus,was das Grundgesetz angeht,z.B.die Gemeinschaftsaufgaben,auf die Tagesordnung setzen und nicht auch noch andere Bereiche, die am Ende dazu führen könnten, dass wir nirgendwohin gelangen. Das ist im Interesse der Sache angemessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt auch den Vorschlag, die Länder mit eigenen Steuerheberechten auszustatten.Aber ich bin hochgradig skeptisch, was den Vorschlag von eigenen Steuerheberechten oder eigenen Prozentsätzen für die Steuererhebung der Bundesländer angeht. Ich muss allerdings sagen, manche Finanzpolitiker, auch in meiner Partei, sehen das anders.

(Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Offenbacher Erfahrung!)

Wenn man sich z. B. anschaut, dass wir auf europäischer Ebene völlig zu Recht sagen, dass es nicht sein kann, dass Estland, Lettland oder die Slowakei Zuschüsse aus Brüsseler Töpfen bekommen, die von Ländern mit relativ hohen Steuersätzen bezahlt werden, und gleichzeitig einen Körperschaftsteuersatz haben, der deutlich niedriger ist als der Körperschaftsteuersatz der Länder, die in die Brüsseler Töpfe einzahlen, zu denen auch die Bundesrepublik gehört, dann glaube ich, dass eigene Steuerheberechte in bestimmten Bereichen langfristig nur dann gingen, wenn man den Länderfinanzausgleich jedenfalls stark verändern würde. Das ist eher etwas, wo es eine Konkurrenz nach unten geben wird, eine Konkurrenz nach immer mehr Standorten, wo weniger passiert, als dass sich die Vorstellungen bewahrheiten würden, die sich der Kollege Walter im Sinne von Wettbewerb gemacht hat. Das ist kein Vorschlag, der uns wirklich weiterführt.

Ich möchte Vorschläge in den Punkten machen, wo die Befassung der Föderalismuskommission wirklich angesagt ist, nämlich in der Bildungspolitik. Bildungspolitik ist die Kernkompetenz der Bundesländer. Natürlich hat der Bildungsföderalismus aufgrund der verschiedensten Entwicklungen sehr unterschiedliche Wertigkeiten gehabt, in den letzten Jahren eher eine sinkende Wertigkeit. Was es noch vor 20 Jahren in der ARD gab, dass man bestimmte Fernsehspiele aus Bayern oder aus Ostfriesland mit Untertiteln versehen hat, wäre heute so nicht mehr denkbar. Aber es ist natürlich so, dass die Wahrnehmung der Kernkompetenz der Bundesländer in den letzten Jahren

und Jahrzehnten, auch durch immer mehr Verzahnungen der Bundesländer untereinander, dazu geführt hat, dass wir dort, vorsichtig gesagt – wie hat einmal ein Kultusminister über die Kultusministerkonferenz gesagt:Schnelligkeit einer Landschildkröte –, nicht so weit kommen, wie wir gern kommen würden.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wer war denn das, wer hat denn das gesagt?)

Ich weiß es nicht mehr genau.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Möllemann! – Frank Gotthardt (CDU): Oh,Al-Wazir zitiert Möllemann!)

Möllemann war als Bundesbildungsminister einer der eher besseren, wenn ich mich z. B. an Herrn Ortleb erinnere. Es gab noch andere Angebote aus der FDP. Zumindest in diesem Vergleich unter den liberalen Bildungsministern war er einer der besseren. Das kann ich ohne Probleme zugeben.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das sagen die GRÜNEN! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das war jetzt eine andere Rücklage! – Margaretha HölldoblerHeumüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das machen wir doch besser als die!)

Herr Hahn, rufen Sie nicht so laut, sonst müssen Sie nachher wieder dementieren, was Sie selbst gesagt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Du hast die Wette gewonnen,Tarek!)

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Steuerungsfähigkeit des Systems, und wir brauchen natürlich auch eine Koordinierung der Bildungspolitik über Ländergrenzen hinweg, weil Mobilität zwischen den Bundesländern in einem viel stärkeren Maß stattfindet, als sie vor 50 Jahren stattgefunden hat.Wenn man sich überlegt, dass inzwischen auf europäischer Ebene darüber diskutiert wird, wie Abschlüsse kompatibel gemacht werden können, muss es natürlich auch so sein, dass Abschlüsse verschiedener Bundesländer kompatibel sind.

Aber es stellt sich die Frage, ob man nicht gerade in der Bildungspolitik und im Zuständigkeitsbereich der Kultusministerkonferenz zu besseren Regelungen kommen kann. Deswegen möchte ich gern ein paar Vorschläge machen:

Erstens. Ich glaube, das könnte Konsens sein. Meine Damen und Herren, das Hamburger Abkommen muss gekündigt werden,