Protocol of the Session on May 7, 2003

Deshalb hat die Bundesregierung keine Konsequenzen aus dem Bericht der Pällmann-Kommission gezogen und ist auch nicht gleich lautenden Forderungen der Verkehrsministerkonferenz der Länder nach mehr Mitteldotation gefolgt. Danach besteht allein bei den Bundesfernstraßen für die so genannten Hauptbautitel ein Defizit von jährlich mindestens 2 Milliarden c, davon ca. 1,5 Milliarden c für Neu- und Ausbau und ca. 0,5 Milliarden c für Erhaltungsmaßnahmen. Diese Defizite lassen sich nicht verheimlichen, da können hier noch so viele Zahlen genannt und Zahlenakrobatik betrieben werden – das sind die nüchternen Fakten.Diese Summe ist letztlich entscheidend dafür, wie viel wir im Interesse der Menschen, auch der Entlastung der Menschen in Wohngebieten, an Straßen bauen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Thema Maut. Mit der Einführung der Maut für schwere LKWs bei der Benutzung von Autobahnen – diese Maut wird von uns natürlich ebenso begrüßt – sollte der Einstieg in die Nutzerfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur erfolgen. Dieser grundsätzliche Ansatz fand bei allen Verantwortlichen aller Bundesländer Zustimmung. Es gab sogar eine parlamentarische Mehrheit dafür, dass nur der überwiegende Teil der Mauteinnahmen in die Bundesverkehrswege fließen sollte. Das heißt, auch die Quersubventionierung des Schienenbereichs wurde politisch akzeptiert, obwohl dies dem strengen Gedanken des Äquivalenzprinzips widerspricht – wonach die Einnahmen aus den Gebühren für die Benutzung einer Infrastruktur auch wieder in dieselbe investiert werden müssen.

Diese grundsätzliche Festlegung widerlegt alle Ihre Vorwürfe, die heute hier gefallen sind, im Hinblick darauf, die

Landesregierung und die CDU-Fraktion seien auf einem Auge blind. Ganz im Gegenteil, diese Mautmittel sollen durchaus – das ist der Blick aus beiden Augen – für beide Systeme eingesetzt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, an diese Vereinbarung anknüpfend stand aber auch die politische Zusage im Raum, dass letztendlich die Einnahmen aus der LKW-Maut zu einer deutlichen Erhöhung der Mittelausstattung für den Fernstraßenbau führen sollten. Herr Denzin hat das in seiner Rede noch einmal deutlich mit Zahlen untermauert: Von den Einnahmen in Höhe von 3,4 Milliarden c fließen nach dem, was momentan vorgesehen ist, wenn es hochkommt, vielleicht 1 Milliarde c in den Straßenbau.

Deshalb kritisieren wir sehr deutlich, dass diese politische Zusage in der grundsätzlichen Vereinbarung nicht eingehalten worden ist.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Heute versprochen, morgen gebrochen!)

Heute werden die B-Länder im Ausschuss des Bundesrates dafür eintreten – gegebenenfalls auch unter Inkaufnahme einer Verschiebung der Einführung der Maut –, dass diese grundsätzliche Frage im Sinne eines Benutzeräquivalents geregelt wird. Meine Damen und Herren, obwohl zusätzliche Einnahmen zu erwarten sind, ist von einer Erhöhung der Mittelausstattung des Fernstraßenbauhaushaltes nichts zu erkennen. Vielmehr sind die originären Haushaltsmittel in gleichem Maße reduziert worden, sodass hier zu Recht von einem Nullsummenspiel gesprochen werden muss. Aus diesem Grund hat die Mauthöhenverordnung im Bundesrat keine Mehrheit gefunden. Die politisch zugesagte zusätzliche Verwendung des überwiegenden Teils der künftigen Mauteinnahmen für die Bundesverkehrswege muss auch de facto gewährleistet sein. Das ist unsere unabdingbare Forderung.

Würden sich die Mittel für die Bundesfernstraßen durch die Mauteinnahmen entsprechend erhöhen, könnten wenigstens die wichtigsten der im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans aus dem vordringlichen Bedarf herausgefallenen Projekte wieder dorthin aufgenommen und realisiert werden.

(Dr.Walter Lübcke (CDU): So ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Wagner hat eben auf die Verwendung der Steuereinnahmen aus der Kfz- und Mineralölsteuer verwiesen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe doch Sie zitiert!)

Sie hätten übrigens noch die 11 Milliarden c hinzufügen müssen, die auch nicht zweckbestimmt aus der so genannten Ökosteuer in den Verkehrshaushalt eingeführt werden.

Wenn Sie schon meinen, Sie müssten Kritik am Land üben, dann sollten wir zumindest deutlich machen, dass Sie dann, wenn Sie von der Verwendung der Kfz-Steuer im Landeshaushalt sprechen, doch das Ganze sehen müssen.Wer hier nur einen Teil herausnimmt und diesen verabsolutiert,

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Der ist boshaft!)

sagt die Unwahrheit. Denn die Frage der Finanzausstattung der Länder, die Frage des Finanzausgleichs von Bund und Ländern hat in einem allgemeinen Disposi

tionsrahmen bewertet zu werden. Deshalb ist die KfzSteuer ganz bewusst nicht zweckgebunden den Ländern zugewiesen, sondern als allgemeine Einnahmeart, um den Haushalt zu gestalten.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das Gleiche gilt für die Mineralölsteuer, Herr Minister!)

Über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern sowie Ländern und Kommunen können wir an anderer Stelle noch einmal diskutieren. Da haben wir eine eindeutige Position. – In Zukunft kommt es vor allen Dingen darauf an, die zugenommene Mischfinanzierung aus Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern wieder zurückzunehmen und zu klaren Zuständigkeiten aufgrund der Basis eines solchen, wieder einzuführenden Trennsystems zu kommen.

Ich komme zurück auf den Punkt: Was bedeutet dieser Plan? Bei den Maßnahmen, die aus dem vordringlichen Bedarf herausgenommen worden sind, würde der Plan bedeuten, dass in Hessen beispielsweise die Ortsumgehung Calden nicht finanziert wird. Deshalb soll es eine Mehrausstattung geben, die dieser Ortsumgehung wie auch anderen wichtigen Maßnahmen zugute kommt – Stichwort: Ortsumgehung Königstein und Kelkheim oder die Umgehung Reiskirchen, um nur einige zu nennen, die wegen der Unterfinanzierung im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans nur für den weiteren Bedarf vorgeschlagen worden sind.

(Hildegard Pfaff (SPD): Sagen Sie doch einmal etwas zu den 60 Ortsumgehungen!)

Ich komme zum zweiten Punkt. Das ist der Punkt, der schon angesprochen worden ist, nämlich die Abstufung autobahnparalleler Bundesstraßenabschnitte.

Herr Minister, ich muss Sie darauf hinweisen – das muss Sie nicht weiter stören –, dass Sie die Redezeit der Fraktionen überschritten haben.Aber Sie dürfen unendlich reden. Das ist Ihr Problem. Bitte schön.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Aber immer hurtig! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie dürfen auch irgendwann einmal ankommen!)

Ich bitte um Verständnis, ich muss mich an die Gebräuche erst noch herantasten und gewöhnen. Ich versuche, möglichst schnell zu Ende zu kommen.

Ich halte fest: Bei der Abstufung autobahnparalleler Bundesstraßenabschnitte hat das Bundesverkehrsministerium entgegen früheren Absprachen jetzt Ortsumgehungen auf solchen abstufungsrelevanten Bundesstraßenabschnitten ganz aus dem Entwurf gestrichen.Das betrifft die Ortsumgehung Haiger ebenso wie Hofheim und Flörsheim/Weilbach/Wicker im Verlauf der B 519.

Ich möchte noch einmal wiederholen, was bereits gesagt worden ist. Insbesondere der hohe finanzielle und personelle Aufwand, um Plan- und Baureife zu erzielen, muss berücksichtigt werden.Eigentlich können wir es nicht verantworten,dass diese Mittel auf Dauer verschwendet wer

den, und müssen deshalb für eine Einstufung in den vordringlichen Bedarf eintreten.

Drittens komme ich noch einmal auf den Punkt der zusätzlichen ökologischen Hürde, die vom Bundesverkehrsministerium bei solchen Maßnahmen eingebaut worden ist. Sie ressortieren zwar unter „Vordringlicher Bedarf“, werden aber „Vorhaben mit besonderem naturschutzfachlichen Prüfungsauftrag“ genannt.Ich glaube,dass dies nicht notwendig ist. Die bisherigen Instrumente und Gesetze im Rahmen des Planfeststellungs- und des Bebauungsplanverfahrens reichen völlig aus, um eine vernünftige Abwägung vorzunehmen.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie verlieren immer vor Gericht!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben ja genügend Beispiele – Sie haben es am Beispiel der A 44 festgemacht –, dass dieses Instrumentarium völlig ausreicht, um zweifelsfrei alle Bedenken, Einwände und Alternativen, sollten sie im Verfahren aus bestimmter Sichtweise noch nicht zur Geltung gekommen sein, in den Abwägungsprozess zu bringen.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dieses unsinnige Instrument muss weg. Damit ist eine weitere Hürde eingebaut worden. Denn selbst wenn diese Prüfung positiv ausfällt, also dem bisherigen Verfahren entspricht, muss das ganze Thema, sprich: die einzelne Maßnahme, noch einmal im Bundestag mit einem entsprechenden Zeitverlust entschieden werden. Die Menschen dürfen nicht so lange auf die Folter gespannt werden, denn sie brauchen dringend Entlastung auf den Straßen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Es ist richtig, dass wir, die Landesregierung, gemeinsam mit den Fraktionen, die uns dabei unterstützen – da ist eine große Breite zu erkennen –, gerade jetzt in dieser Phase noch einmal intensiv dafür kämpfen, dass dieser Entwurf nicht Gesetz, sondern in die Richtung verändert wird, die für unser Land wichtig ist.

(Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Für unser Land ist die Verkehrsinfrastruktur eine der wesentlichen Voraussetzungen im Wettbewerb, nicht nur bundesweit, sondern auch europaweit. Diese Infrastruktur wollen wir nicht nur erhalten, sondern ausbauen, damit Hessen vorankommt und eine gute Zukunft hat.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. Auch für Sie gilt, was ich zu Herrn Kollegen Wagner gesagt habe. Es ist die erste Rede gewesen,das sollte man erwähnen.– Die zweite Rede? Sie haben schon einmal geredet,aber nicht die Redezeit überzogen?

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Heute war die erste Rede! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Dann hätte er das mit der Zeit auch wissen müssen!)

Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Es ist vereinbart, dass dieser Antrag dem Wirtschafts- und Verkehrsausschuss überwiesen wird. Widerspricht dem jemand? – Dann ist das so beschlossen.

Zunächst möchte ich auf der Tribüne Teilnehmer eines Ratespiels der „Wetzlarer Neuen Zeitung“ begrüßen. Jetzt habe ich erst einmal wieder Waffengleichheit hergestellt und die „Wetzlarer Neue Zeitung“ auch benannt. Das steht im Protokoll. Die Gewinner dieses Rätsels sind heute zusammen mit Vertretern der „Wetzlarer Neuen Zeitung“ hier. Herzlich willkommen. Glückwunsch für Sie, dass Sie gewonnen haben.

(Allgemeiner Beifall)

Ich teile Ihnen mit, dass ein Änderungsantrag zum Tagesordnungspunkt 20 eingegangen ist. Das ist der Antrag der SPD-Fraktion betreffend dramatische Ausbildungskrise – Starten statt Warten, Drucks. 16/49. Dazu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 16/101.

Meine Damen und Herren, wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend Agenda 2010 – Drucks. 16/63 –

hierzu:Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucks. 16/94 –

und Tagesordnungspunkt 38:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend rot-grüne Reformpolitik: gut für Deutschland – Drucks. 16/91 –

Das Wort hat Herr Abg. Denzin von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, ich spreche zu Tagesordnungspunkt 33. Das Thema ist die Agenda 2010. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wenn ausgerechnet die FDP auffordert, die Bemühungen des Bundeskanzlers Schröder in Sachen Agenda 2010 zu unterstützen, dann verwundert das vielleicht den ein oder anderen.