Protocol of the Session on May 7, 2003

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Wahrheit ist: Sie haben sich in den vergangenen vier Jahren um diese Entscheidung gedrückt und wollen jetzt anderen die Schuld geben. Wieder ist es wie beim Schwarzfahren: Vergessen gilt nicht. Sie müssen zu Ihrer Verantwortung stehen, und die Bundesregierung steht zu ihrer.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Von der Schwarzfahrt zur Irrfahrt wird Ihre Politik allerdings, wenn ich mir die Pressemitteilung aus dem Hause

von Herrn Staatsminister Dr.Rhiel vom 29.April 2003 anschaue. Dort heißt es wörtlich – das kann man sich als Opposition gar nicht schöner ausdenken –:

Besonders der Straßenverkehr wird als Allzweckmelkkuh missbraucht: Mehr als 43 Milliarden c nimmt der Bund jährlich aus der Kfz- und Mineralölsteuer ein, und nur rund 18 Milliarden c fließen in den Straßenbau zurück.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Das ist ein unbestreitbares Handeln!)

Herr Staatsminister Dr.Rhiel,würden Sie mir zustimmen, dass die Kfz-Steuer in den Landeshaushalt und nicht in den Bundeshaushalt fließt?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Staatsminister Dr.Rhiel,würden Sie mir zustimmen, dass die Einnahmen aus der Kfz-Steuer im Landeshaushalt 590 Millionen c betragen? Würden Sie mir zustimmen, dass sich die Ausgaben des Landes für Straßenbau auf 46 Millionen c belaufen?

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Dann sind wir uns doch sicher auch einig, dass sich die 40 % der Mineralölsteuer, die der Bund in den Straßenbau investiert, gegenüber den 7,7 % der Kfz-Steuer, die Hessen in den Straßenbau investiert, nun wirklich sehen lassen können, Herr Staatsminister Dr. Rhiel.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren von der CDU – da ist es jetzt merklich ruhig geworden –,

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie nehmen es ja selbst nicht ganz ernst mit Ihren Forderungen.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Ganz vorsichtig, Herr Kollege!)

Herr Dr. Lübcke, was hier so wortgewaltig daherkommt, das liest sich in der Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten viel sachlicher und im Übrigen auch richtiger. – Regen Sie sich nicht auf, das sagt der Ministerpräsident. Da müssen Sie ruhig sein, sonst gibt es Stress. Ich zitiere:

Wir erkennen an, dass die Finanzierung von Straßenbaumaßnahmen im Land Hessen im Bundesverkehrswegeplan eine relative Verbesserung der Finanzanteile des Landes Hessen enthält. Dies ist eine gute Gesprächsgrundlage mit dem Bundesverkehrsminister.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Walter Lübcke (CDU))

Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Kollege Wagner.

Ich werde es in dieser Legislaturperiode nicht oft sagen, aber Recht hat er, der Herr Ministerpräsident.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich gehe davon aus, dass Sie mitbekommen haben, dass ich Sie darauf hingewiesen habe, dass Ihre Redezeit zu Ende ist.

Herr Präsident, ich bin beim letzten Satz. – Meine Damen und Herren von der CDU,deshalb fordere ich Sie auf:Hören Sie auf mit dem Schwarzfahren, bleiben Sie an roten Ampeln stehen, und denken Sie immer daran, Grün sorgt für Bewegung.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege, Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede. Es war nicht unbedingt zu sehen, dass es die erste war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun Herr Staatsminister Dr. Rhiel.

Herr Präsident, sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Bundesverkehrswegeplan, mit dem wir uns heute Morgen beschäftigen, soll die entscheidende Weichenstellung für die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur und somit für die nachhaltige Bewältigung der Mobilitätsbedürfnisse unserer Mitbürger und der Wirtschaft vorgenommen werden.

Dieser Bundesverkehrswegeplan hat deshalb gerade für das Land Hessen eine elementare Bedeutung, insbesondere aufgrund unserer Mittelpunktlage.

Fehlentscheidungen auf diesem Gebiet betreffen uns alle und gefährden die wirtschaftliche Entwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Was Stillstand oder zu langsame Entwicklung unserer Verkehrsinfrastruktur bedeuten,kann sich jeder selbst ausmalen.Ich erinnere nur an die zunehmenden Staus auf unseren Straßen. Hinzu kommt, dass bis zum Jahr 2015 – das ist der Prognosezeitraum – eine Steigerung des Personenverkehrs – wie eben schon mehrfach gehört, da sind wir uns ja alle einig – um ca. 20 % und des Güterverkehrs um ca. 60 % vorhergesagt wird.

Der weitaus größte Teil der Verkehrsleistung wird heute über die Straße abgewickelt. Wir müssen schon zufrieden sein, wenn sich – gerade auch wegen der Anstrengung um Integration – künftig das Verhältnis der Verkehrsträger nicht noch weiter in Richtung Straße verschiebt.

Eben wurde Kritik an den Vorhaben jenseits des Straßenbaus geübt. Für die bisherige Landesregierung galt – und

wenn Sie in das Regierungsprogramm schauen, dann gilt das auch für die jetzt neu ins Amt gekommene Landesregierung; ich spreche da insbesondere für mich, hier besteht Kontinuität zwischen Herrn Posch und mir –, dass gerade jenseits des Straßenbaus unglaublich hohe Anstrengungen unternommen werden.

Fragen Sie die Verantwortlichen im Rhein-Main-Verkehrsverbund oder im Verkehrsverbund Nordhessen. Dort ist man stolz darauf, dass die jahrelang herrschende Unsicherheit über die langfristige Finanzierung dieser Verbünde durch eine extrem hohe, langfristig geltende Zusage des Finanzministers und dieser Landesregierung abgelöst worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Es ist objektiv nachweisbar – fragen Sie die Landräte, die Beigeordneten usw., die Ihren Parteien angehören –: Keine Landesregierung zuvor hat so viel gerade in den ÖPNV via Verkehrsverbünde hineingegeben.

Oder lassen Sie mich weitere Beispiele nennen. Gerade jetzt wird der Ausbau der Odenwaldbahn begonnen. Eine hervorragende Maßnahme mit intelligenten Lösungen durch das Bündeln verschiedener Verantwortungs- und Kostenträger führt zu mehr Attraktivität auf der Schiene.

Ein weiteres Beispiel steht an: Die Vogelsbergbahn steht kurz vor Abschluss der Vertragsverhandlungen. Auch da wird massiv in den ÖPNV investiert, hier auf der Schiene.

Nehmen wir ein weiteres Beispiel aus dem Regierungsprogramm. Herr Wagner, Sie haben geglaubt, den Einsatz dieser Landesregierung für die großen Relationen auf den Schienen anmahnen zu müssen. Auch hier genügt ein Blick in das Regierungsprogramm, um deutlich zu machen, dass nicht nur genau die Maßnahmen, die Sie aufgezählt haben – die ICE-Anbindung Darmstadt, Richtung Mannheim, oder Richtung Hanau/Fulda –, sondern auch darüber hinaus viele weitere wichtige Maßnahmen der Verkehrsverbindung auf der Schiene Bestandteil dieses Regierungsprogramms sind. Ich kann Ihnen vorhersagen, dass wir mit aller Kraft darangehen werden – auch bei den Verhandlungen mit dem Bund –, diese Ziele zu realisieren.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie es dann noch hören wollen, so gilt dies auch für den Ausbau der Radwege.Hier liegt ein stolzes Programm vor. Sie kennen die Zahlen wahrscheinlich, aber ich kann sie Ihnen auch im Einzelnen unterbreiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zurück zum Hauptthema. Aufgrund der Verkehrsprognose strebt der Bund die Verdoppelung des Schienengüterverkehrs an und verfolgt eine Mittelaufteilung von 50 % für die Straße sowie 50 % für Schiene und Wasserstraße. Hier wurde zu Recht an ähnliche Praktiken und verhängnisvolle Strategien beim Landesstraßenbau erinnert. Ich halte dieses Ziel und die darin begründete Aufteilung der Mittel angesichts der seit vielen Jahren tatsächlich auf der Straße erbrachten Verkehrsleistung von über 80 % im Personenund von über 60 % im Güterverkehr für ideologisches Wunschdenken – insbesondere, wenn man bedenkt, dass selbst die DB AG nicht von einer solchen Steigerung ihrer Güterverkehrsleistung ausgeht.

Lassen Sie mich auf die drei wichtigsten Ansatzpunkte – und damit Mängel – dieses Entwurfs des Bundesverkehrswegeplans kommen.

Erstens. Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans ist unterfinanziert.Der vorliegende Entwurf ist bereits in seiner Konzeption verfehlt, da sich der Umfang des vordringlichen Bedarfs an den zur Verfügung gestellten Finanzmitteln und nicht an objektiven verkehrspolitischen Notwendigkeiten orientiert. Diesen Sachverhalt kann man nicht bestreiten.

(Beifall bei der CDU)

Die Auswahl der Projekte für den vordringlichen Bedarf, die nach diesem Plan bis zum Jahr 2015 realisiert werden sollen, richtet sich nach den finanziellen Vorgaben des Bundes und nicht nach dem tatsächlichen objektiven Bedarf. Die Folge ist, dass eine Reihe von Projekten des vordringlichen Bedarfs des noch gültigen Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen jetzt nur noch der Stufe „Weiterer Bedarf“ zugeordnet werden soll.

Das heißt, der aus dem Bundesverkehrswegeplan 2003 abgeleitete neue Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ist kein wirklicher Bedarfsplan, sondern ein reiner Finanzierungsplan. Noch deutlicher gesagt: Er ist Ausdruck einer Mangelverwaltung, einer Mangelverteilung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für den Neuund kapazitätserhöhenden Ausbau der Bundesfernstraßen enthält der Entwurf des Bundesverkehrsministeriums etwa die gleichen Ansätze wie die letzten Bundesfernstraßenhaushalte. Wir können bestätigen: Es ist objektiv richtig,dass wir auf der einen Seite eine prozentuale Verbesserung haben – das wurde hier auch gesagt –, nämlich von 5,8 % auf einen Anteil am Bundesetat von rund 7,3 %. Letztlich führt dies dennoch nur dazu, dass wir in Hessen – obwohl wir diese Mittel dringend benötigen – absolut betrachtet einen Stillstand haben.

Deshalb hat die Bundesregierung keine Konsequenzen aus dem Bericht der Pällmann-Kommission gezogen und ist auch nicht gleich lautenden Forderungen der Verkehrsministerkonferenz der Länder nach mehr Mitteldotation gefolgt. Danach besteht allein bei den Bundesfernstraßen für die so genannten Hauptbautitel ein Defizit von jährlich mindestens 2 Milliarden c, davon ca. 1,5 Milliarden c für Neu- und Ausbau und ca. 0,5 Milliarden c für Erhaltungsmaßnahmen. Diese Defizite lassen sich nicht verheimlichen, da können hier noch so viele Zahlen genannt und Zahlenakrobatik betrieben werden – das sind die nüchternen Fakten.Diese Summe ist letztlich entscheidend dafür, wie viel wir im Interesse der Menschen, auch der Entlastung der Menschen in Wohngebieten, an Straßen bauen können.