Protocol of the Session on March 25, 2004

Das ist in Ordnung. Das ist die richtige Erkenntnis aus PISA und IGLU.

Meine Damen und Herren, die nächste Frage ist: Nehmen die Sozialdemokraten in Hessen eigentlich zur Kenntnis, dass die Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz ein halbes Jahr Schulzeitverkürzung beschlossen haben, dass die Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern, in der Hansestadt Bremen,in Berlin und nunmehr auch in Nordrhein-Westfalen dafür sind, dass die Schulzeitverkürzung greift? Nehmen Sie eigentlich zur Kenntnis, dass es nur noch zwei Länder gibt, nämlich Brandenburg und Schleswig-Holstein, die bis jetzt noch keine Tendenz haben erkennen lassen, eine Schulzeitverkürzung zu wollen?

Nur noch zwei Länder in der ganzen Bundesrepublik Deutschland machen dies nicht, und Sie wollen uns erklären, wir würden das jetzt überstürzt einführen.

(Beifall bei der CDU – Gernot Grumbach (SPD): Völlig anders! – Zurufe von der CDU: Ho, ho, ho!)

Wovon träumen Sie eigentlich nachts? Wir führen die Schulzeitverkürzung in Hessen gut vorbereitet ein. Die Mauern um die hessische SPD müssen schon hoch sein, wenn Sie nicht erkennen, was bundesweit ganz offenkundig der Fall ist.

(Gernot Grumbach (SPD): Das stimmt doch gar nicht! – Horst Klee (CDU): Die Sozialdemokraten in Hessen werden es als Letzte in der Republik begreifen!)

Sie sagen, Sie hätten ein anderes Modell. Sie wollen mit der 13. Klasse an Ostern aufhören. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das bringt aber keinen einzigen Abiturienten früher in das Studium. Das bringt keinen einzigen Abiturienten früher in ein Ausbildungsverhältnis. Das ist völlig fern jeglicher Realität.

Ich will noch einige Fakten beitragen. Die integrierte Gesamtschule ist auf längeres gemeinsames Lernen ausgerichtet. Sie ist auf den unmittelbaren Wechsel zwischen den Kursen angelegt, auch wenn der Kollege Irmer leider Recht damit hat, dass es ausgesprochen viel mehr Abstufungen als Aufstufungen gibt. Es ist aber eine bewusste Entscheidung, dass mit Blick auf die Abschlussklassen in der integrierten Gesamtschule eine Differenzierung erst in der Klasse 9 vorgesehen ist. Dann muss auch die Frage der Abschlüsse und der Anschlussfähigkeit beantwortet werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, egal, ob das für den mittleren Abschluss gilt oder für den entsprechenden Abschluss an der integrierten Gesamtschule: Es bleibt dabei, dass die Oberstufe im Land Hessen drei Jahre dauert.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Richtig!)

Dies entspricht völlig den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz. Ich höre, dass Nordrhein-Westfalen das anders regeln will.

(Gernot Grumbach (SPD): Das ist intelligenter!)

Das wird wahrscheinlich dazu beitragen, dass sowohl Realschüler als auch Schüler der integrierten Gesamtschule nicht mehr den Anschluss an die Oberstufe werden schaffen können.

(Gernot Grumbach (SPD): Das Gegenteil!)

Nein,es bleibt bei der dreijährigen Oberstufe,wie das vorgesehen ist, und wie es Beschlusslage der Kultusministerkonferenz ist und bleibt.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Deswegen ist ein Übergang bei beiden Schulformen möglich und auch erwünscht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Stichwort Förderstufe.Man hätte durchaus erwägen können,ob man sagen soll, dass es, wenn eine Schule an dem verkürzten Bildungsgang teilnimmt, für den Gymnasialzweig keine Förderstufe geben kann. Wir haben bewusst gesagt: Nein, es bleibt dabei, dass die Förderstufe als eine Möglichkeit bestehen bleibt.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Es bleibt bei allen Formen der Förderstufe, die wir bisher schon haben, bzw. bei der Organisation der Klassen 5 und 6, die im Schulgesetz auch bisher schon verankert ist. Letztlich wird eine einzige Möglichkeit ausgeschlossen, nämlich dass alle drei Bildungsgänge in der Förderstufe zusammengefasst werden und daneben noch die getrennten Bildungsgänge abgebildet werden. Das ist auch unter dem bestehenden Schulgesetz nicht möglich gewesen. Es wird lediglich verbal eine völlige Breite ausgeschlossen.

Nach wie vor bleibt Folgendes möglich. Erstens. Die Förderstufe bleibt als Gesamtorganisationsform der Klassen 5 und 6 erhalten. Außerdem kann die Förderstufe als integratives Modell für den späteren Haupt- und Realschulzweig organisiert werden. Zweitens. Daneben können Gymnasialzweige organisiert werden. Drittens bleibt es bei der Möglichkeit, dass alle drei Bildungsgänge nebeneinander bestehen und deswegen die Förderstufe in Bildungsgänge aufgelöst wird. Das liegt im Benehmen der Schule. Die einzelne Schule beschließt darüber. Damit wird vom Land kein einziger Angriff darauf gestartet. Es bleibt bestehen.

(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das steht im Gesetz aber anders!)

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Wagner?

(Ministerin Karin Wolff: Ja.)

Frau Ministerin, ich habe Sie also richtig verstanden, dass Sie sagen, wir wollen die Förderstufen, insbesondere wenn sich darauf die Zweige der kooperativen Gesamtschule aufbauen, nicht zerstören? Wenn das so ist, wie erklären Sie dann die Übergangsbestimmung, in der ausdrücklich die daneben bestehenden Übergangsklassen sozusagen als geboten angesehen werden? Damit wird doch die Förderstufe gefährdet. Könnten Sie – das wird uns in unseren Gesprächen mitgeteilt – diese Verunsicherung nicht dadurch beseitigen, dass Sie in den Gesetzentwurf eine eindeutige Formulierung aufnehmen, die so lautet, wie Sie es übereinstimmend mit unserer Position dargestellt haben, dass wir die Förderstufen in der Fläche brauchen? Anders wird ein weiter gehendes Angebot auf Dauer nicht existieren können.

Frau Kollegin Wagner, ich bin bis jetzt noch der Meinung, dass die drei Möglichkeiten, die Klassen 5 und 6 zu organisieren, wie ich das eben vorgetragen habe, durch den Gesetzestext svoll gedeckt ist.Wenn die Interpretation in dieser Weise überhaupt möglich wird, wird dem auch in der Formulierung Rechnung getragen werden. Es bleibt dabei, dass diese drei Möglichkeiten für die Klassen 5 und 6 in Zukunft organisiert werden können, so, wie das im Moment gemäß dem gültigen Schulgesetz der Fall ist.

Meine Damen und Herren, eines ist notwendig.Wenn wir einen verkürzten Bildungsgang haben wollen, brauchen wir in der Klasse 6 eine zweite Fremdsprache. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt in dieser Hinsicht überhaupt keine Divergenz, dass wir damit beginnen werden. Dies ist der Vorreiter. Ich bin sehr davon überzeugt, dass das in Zukunft auch in anderen Bildungsgängen der Fall sein wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Anschlussfähigkeit wird gestärkt und nicht geschwächt. Wenn Sie sich anschauen, wie junge Menschen in den letzten Jahren gefördert wurden, um in den entsprechenden Bildungsgängen ihren Abschluss machen zu können, wie die entsprechenden Begabungen gefördert werden, dann kann man zu einer anderen Überzeugung überhaupt nicht kommen. Es bleibt Tatsache – Frau Henzler hat durchaus Recht –, dass der Wechsel in der Mittelstufe auch faktisch nicht so häufig ist wie während der Unterstufe und nach den Klassen 9 und 10.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das bleibt unbelastet! – Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Außer von oben nach unten!)

In diesem Bereich wird der Anschluss eher gestärkt als geschwächt, denn wir wollen ganz bewusst die Klasse 10 der Hauptschulen aufwerten. Wir wollen sie ganz bewusst zu einem Durchstiegsmoment machen. Auf der Basis eines gut gelungenen mittleren Abschlusses nach der Klasse 10 an einer Hauptschule wollen wir sogar den Durchstieg in die Oberstufe ermöglichen, vergleichbar mit den Möglichkeiten an den Berufsschulen, wo es seit zwei Jahren und auch in Zukunft alle möglichen Durchstiegsmöglichkeiten geben wird. Dies ist so gewollt.

Hinsichtlich der Verkürzung hat die FDP, zumindest der Kollege Rentsch, in den vergangenen Jahren gesagt, es soll doch bitte alles noch viel schneller gehen. Ich war und bin dafür, dass wir die Schulzeitverkürzung nach sorgfältiger Planung umsetzen. Wir werden bundesweit nicht die Ersten sein, aber auch nicht die Letzten.

Die linke Seite dieses Hauses könnte sich einmal mit Zukunftsfragen auseinander setzen, nämlich z. B. damit, ob es nicht sinnvoll wäre, dass in Zukunft auch schon nach Abschluss der Klasse 9 an einem Gymnasium der mittlere Bildungsabschluss erreichbar sein müsste. Das ist eine Frage, mit der wir demnächst in die Kultusministerkonferenz gehen müssen und für die wir entsprechende Lösungen brauchen.

Ich will noch ein Stichwort zum Thema Querversetzung nennen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es besteht nun wirklich überhaupt kein Zweifel daran, dass Förderung vor Querversetzung steht. Schülerinnen und Schüler müssen unterstützt und nicht im ersten Schritt bereits an eine andere Schulform überwiesen werden.Daran kann überhaupt kein Zweifel sein.

(Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Schulen, in denen Kinder und Jugendliche dazu gezwungen werden, zweimal sitzen zu bleiben in dem Wissen darum,dass sie an dieser Schule nicht gefördert werden können,

(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Komisch,dass es in anderen Ländern so gar nicht stattfindet!)

versauen die Zukunftschancen ihrer Jugendlichen und verschwenden Jahre, die in anderer Weise sehr viel besser genutzt werden könnten, nämlich zum weiteren Lernen mit besserer Anschlussfähigkeit, die wir dann immer noch nutzen könnten.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will noch eines zu § 144a sagen. § 144a und die Übergangsbestimmung des neuen Entwurfs sprechen nicht von einer Schließung von Schu

len. Meine Damen und Herren, diese Paragraphen setzen Maßstäbe für neu zu bildende Schulen. Dafür brauchen wir klare Maßstäbe. Diese haben wir in den letzten Jahren schon höchst inoffiziell, aber wirksam gesetzt. Es bleibt dabei, dass es neben der Zügigkeit, die dort verankert wird, für bestehende Schulen sehr wohl ein zweites Element gibt. Dadurch wird es möglich, dass auch einzügige Schulzweige in Zukunft bestehen bleiben.

Wer diesen Gesetzentwurf liest, erkennt, dass das nicht nur in den vorgeschlagenen Ausnahmebestimmungen steht, sondern bereits im Gesetzestext, und dass darüber hinaus eine Ausnahmemöglichkeit verankert ist, die deutlich macht, dass in den Fällen, in denen der Besuch einer anderen Schule des Bildungsgangs nicht unter zumutbaren Bedingungen möglich ist, auch weitere Ausnahmen möglich sind. Die Schulträger müssen ihre Planungen nicht ändern.

Vielmehr erhalten die Schulträger den Auftrag, dem bei der Erstellung des Schulentwicklungsplans gerecht zu werden, den sie alle fünf Jahre fortzuschreiben haben. Sie werden aber auch der Tatsache gerecht werden müssen, dass bei uns die Zahl der Schüler in den nächsten Jahren sinken wird.Auch das gehört zur Wahrheit. Bei sinkender Zahl der Schüler müssen wir das Schulsystem so organisieren, dass es gerecht ist, dass es möglichst wohnortnah Angebote gibt und das Schulsystem auch qualitativ hochwertig ist. Dazu sind wir gesetzlich und auch aus pädagogischer Sicht verpflichtet.

Frau Ministerin, die Redezeit der Fraktion ist abgelaufen.

Herr Präsident, nachdem ich die Zwischenfrage beantwortet habe, will ich mich jetzt auf einen Punkt zum Schluss meiner Rede beschränken.

Unsere Aufgabe ist es,das Schulwesen neu zu formen,und zwar so, dass es zukunftsfähig ist. Dazu gehören wesentliche Elemente, die ich nur kurz benennen will.

Mit Blick auf die Anschlussfähigkeit und mit Blick auf die Möglichkeit, dass alle Schülerinnen und Schüler aus ihren Begabungen etwas machen können, muss zu der neuen Formung auch gehören, dass es einen vernünftigen Übergang vom Kindergarten in die Grundschule gibt. Es wird neue Formen der Eingangsstufe geben müssen. Dazu gehört, dass Kinder nicht deutscher Herkunft die Möglichkeit des Einstiegs in unseren Schulen und die Möglichkeit haben, sich zu bilden. Dazu gehört, dass jene Hauptschüler, die eher zu den schwächeren Schülern gehören, über Praxisklassen eine Chance erhalten, sich zu retten, damit sie nicht mit dem Verdikt die Schule verlassen: Abgang ohne Abschluss.Vielmehr müssen sie in den Praxisklassen in dem Bestreben gefördert werden, einen Abschluss zu erreichen. Dazu sind die Praxisklassen da.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Entgegen dem, was Frau Kollegin Hinz gesagt hat, sollen sie zum Erhalt des Abschlusses führen.

Wir wollen kooperative Gesamtschulen, in denen das Prinzip „Entdecke die Möglichkeiten“ gilt. Wir wollen, dass integrierte Gesamtschulen, die gemeinsames Lernen bei einer teilweisen Differenzierung ermöglichen, Bestandteil unseres Bildungssystems bleiben. Wir wollen,

dass ausgewählt werden kann. Frau Kollegin Henzler, wir wollen,dass sich diese Schulen – genauso wie alle anderen Schulen auch – in der Realität bewähren müssen.

Wir wollen, dass die Realschulen bei entsprechendem zeitlichem Rahmen die Chance für einen Umstieg in die gymnasiale Oberstufe bieten. Wir wollen aber gleichermaßen, dass die Schülerinnen und Schüler, die von der Realschule abgehen, in der Lage sind, möglichst schnell und qualifiziert in ein Ausbildungsverhältnis überzugehen. Wir wollen, dass in den Gymnasien, bei denen die Zeit zur Ausbildung demnächst verkürzt werden wird, der Überlegung Rechnung getragen wird, dass künftig die gesamte Zeit des Lebens als Zeit für die Bildung verstanden wird und Bildung nicht mehr nur in der Schulzeit bis zum Schulabschluss stattfinden wird. Wir werden uns zukünftig darauf einstellen müssen, dass es überall lebensbegleitendes Lernen geben wird.

Der Entwurf zur Novellierung des Schulgesetzes, über den wir heute schon diskutiert haben, wird dem Landtag in Kürze zu gehen. Mit diesem Gesetzentwurf soll das bestehende System unserer Schulen vervollständigt werden. Bei dem Gesetzentwurf ist allergrößter Wert darauf gelegt worden, dass alle Kinder unseres Landes ihre Schulzeit so nutzen können, dass sie entsprechend ihrer Begabung einen möglichst hohen Abschluss erzielen können. Wir wollen, dass alle in unserem Land vorhandenen Begabungen gefördert werden.Dem wird der Gesetzentwurf Rechnung tragen. Dem ordnen wir alle unsere Anstrengungen unter. – Herzlichen Dank.