Protocol of the Session on March 25, 2004

Ich eröffne die heutige Plenarsitzung, heiße Sie alle sehr herzlich willkommen und stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung: Offen sind noch die Punkte 11, 15 bis 19, 21 bis 24, 26 bis 31, 33 bis 36, 38 bis 44, 46 bis 49, 51 bis 55, 57 bis 79, 81 bis 87, 89 und 90.

Zum Ablauf der Sitzung: Wir tagen heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von einer Stunde.

Wir beginnen mit den drei Anträgen betreffend eine Aktuelle Stunde,die Tagesordnungspunkte 81,82 und 83.Wie bereits im Nachtrag ausgedruckt, werden die Tagesordnungspunkte 81 und 83 zusammen behandelt, wobei sich die Fraktionen auf eine Redezeit von siebeneinhalb Minuten je Fraktion geeinigt haben. Für Tagesordnungspunkt 82 ist eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vorgesehen.

Nach diesen Anträgen betreffend eine Aktuelle Stunde werden wir uns dem Thema „Schule und Bildung“ zuwenden. Hierzu rufe ich dann Tagesordnungspunkt 36,Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 16/2055, gemeinsam mit den Tagesordnungspunkten 22, 23, 30, 51 und 52 auf.

Entschuldigt fehlen heute ab ca. 16 Uhr Herr Staatsminister Wilhelm Dietzel, und es ist, wie bereits gestern erwähnt, heute auch Herr Staatsminister Stefan Grüttner entschuldigt.

Ich rufe jetzt die beiden Aktuellen Stunden auf, Tagesordnungspunkt 81:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Folgenlose Ankündi- gungsrunden in der Staatskanzlei schaffen keine Ausbil- dungsplätze) – Drucks. 16/2087 –

und Tagesordnungspunkt 83:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Ausbildungsabgabe vernichtet Arbeitsplätze!) – Drucks. 16/2089 –

Die Redezeit beträgt siebeneinhalb Minuten. Es beginnt Frau Kollegin Schönhut-Keil für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Die bürokratiepolitische Sprecherin der GRÜNEN!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hahn, wenn man so wenig auf der Fahne hat, würde ich um die Uhrzeit nicht so laut krähen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Evi,bist du nicht ausgeschlafen,oder warum bist du so grantig?)

Wir haben das Thema Ausbildungsmisere wieder auf die Tagesordnung gesetzt, weil wir eben nicht tatenlos zusehen wollen, wie die Berufschancen der jungen Menschen hier in Hessen immer weiter verspielt werden.

Das Statistische Landesamt hat gerade mitgeteilt, dass sich Ende 2003 nur noch 106.900 hessische Jugendliche in einer betrieblichen Ausbildung befanden. Damit ist die Zahl der Lehrstellen gegenüber dem Vorjahr noch einmal um 1,9 % zurückgegangen. Das ist der niedrigste Stand der letzten sechs Jahre. Das muss uns beunruhigen. Das schreit geradezu nach Konzepten der Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Da können Sie sich nicht pausenlos aus kleinkariertem parteitaktischen Kalkül hierhin stellen und gegen die Ausbildungsplatzumlage wettern, ohne selbst eigene Vorschläge zu machen. Meine Damen und Herren, das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Noch einmal zum Thema Bürokratie. Wir haben immer gesagt, dass wir die Ausbildungsplatzumlage als letztes Mittel wollen, wenn der Markt das nicht alleine regelt. Was ist denn Realität? – Trotz aller runden Tische und wiederkehrender Gespräche bleibt offen, wie sich die Hessische Landesregierung die Zukunft auf dem Ausbildungsmarkt vorstellt. Welche Aufgaben sehen Sie denn für die hessische Politik, hier einzugreifen? Was ist überhaupt Ihre Antwort auf die Ausbildungsmisere?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Hessische Ministerpräsident hat die vollmundige Erklärung abgegeben, 10.000 neue Ausbildungsplätze schaffen zu wollen. Was ist aus dieser Erklärung geworden? – Sie ist verpufft.Alle Bemühungen,doch noch eine Lösung zu erreichen, haben sich in Rauch aufgelöst. Ihr „Hessenpraktikum“ ist nicht mehr als eine Lachnummer.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Von 1.000 angekündigten Stellen konnten schließlich nur 160 Plätze besetzt werden, weil Sie den jungen Menschen nicht vermitteln konnten, was denn überhaupt nach dem Praktikum geschieht. Deswegen fordern wir Sie auf, treten Sie hier an dieses Pult, und offenbaren Sie Ihre Strategie, um diesem Problem beizukommen, und verstecken Sie sich nicht weiter hinter irgendwelchen Ankündigungen und Gremien. Herr Kollege Boddenberg, purer Lobbyismus für die Unternehmen ersetzt an dieser Stelle noch keine Politik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Hinz hat es Ihnen schon erklärt:Nach PISA sind 25 % aller jungen Menschen nicht ausbildungsfähig, sprich: ihr Schulniveau, ihr Abschluss, ihr Bildungsniveau sind dermaßen niedrig, dass sie nicht vermittelbar sind. Ich möchte nicht dauerhaft viele junge Menschen und ganze Jahrgänge aus dem System kegeln. Wir müssen für diese jungen Menschen eine Antwort finden, meine Damen und Herren von der Front der inneren Sicherheit, sonst bekommen wir noch ganz andere Probleme, nicht wahr?

Ich will gar nicht verhehlen: Selbst wenn die Statistik viele Fragen offen lässt und eine zeitnahe Erfassung der tatsächlich einen Ausbildungsplatz Suchenden in genauen Zahlen schwer ist, kann doch die Tatsache nicht von der Hand gewiesen werden, dass immer mehr junge Menschen dauerhaft aus dem System gekegelt werden. Ich

frage Sie von der hessischen CDU:Welche Antwort haben Sie denn für diesen Personenkreis?

Wahr ist doch vielmehr, dass mehr Jugendliche denn je in Warteschleifen des Arbeitsamts und der Berufsschulen sind, die kaum Chancen haben, adäquat versorgt oder gefördert zu werden. Wahr ist auch, dass die CDU-Landesregierung keinerlei Konzepte und Vorschläge hat, wie sie dieser Problematik begegnen soll.

Wahr ist auch,dass in den Maßnahmen des Landes zur beruflichen Wiedereingliederung von jungen Menschen ein finanzieller Aderlass ohnegleichen stattgefunden hat. Fakt ist doch: Junge Menschen mit Problemen kommen in Ihrem Denken einfach nicht vor.

Frau Kollegin Schönhut-Keil, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ja. – Da reicht es nicht aus, wieder einmal einen runden Tisch abzuhalten und nett darüber zu plaudern nach dem alten Motto: „Gut, dass wir darüber gesprochen haben“.

Meine Damen und Herren, wenn Sie wirklich den Anspruch erheben, eine Hessenpartei werden zu wollen, was man nur als Bedrohung empfinden kann,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

dann müssen Sie sich in Ihren Konzepten aller Bürgerinnen und Bürger dieses Landes annehmen, auch derjenigen, die Ihnen nicht in das Konzept passen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Gotthardt, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die von der Bundesregierung geplante Ausbildungsplatzabgabe wird eine Menge Arbeit machen,aber sie wird insbesondere in Deutschland Arbeitsplätze kosten, sie wird eine Menge Ärger produzieren und kein einziges Problem lösen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie ist eine Strafsteuer, ein bürokratisches Monster. Wer die „Welt“ von heute gelesen hat,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oh!)

wird feststellen, dass selbst das Bundesbildungsministerium schon die Gefahr sieht, dass im Ministerium für 50 Millionen c pro Jahr Arbeitsplätze vorgehalten werden müssen, um die Abgabe und die Ausbildungssituation zu überwachen. Das kann nicht Sinn einer solchen Debatte sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Kollegin Schönhut-Keil, ich muss gestehen, ich finde es schon verhältnismäßig dreist, wenn Sie sich heute Morgen ans Rednerpult stellen und sagen: Runde Tische alleine reichen nicht. – Sie waren im Hessischen Landtag, als zwischen 1992 und 1998 die Anzahl der Ausbildungsplätze in Hessen von 50.000 auf 30.000 zurückgegangen ist.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber wir haben etwas gemacht!)

Heute haben wir immerhin 40.000 Ausbildungsplätze.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde das etwas dreist, weil Sie wissen, dass die Arbeitslosenquote bei Jugendlichen unter 25 Jahren im November 1998 9,5 %, im Jahre 1997 sogar 10,6 %, aber im Dezember 2003 nur 7,5 % betragen hat. Das sind immer noch 7,5 % zu viel; darin sind wir uns einig. Aber hören Sie auf, bei diesem Thema Krokodilstränen zu vergießen.

(Beifall bei der CDU)

Während Herr Eichel regierte, kamen auf 100 Bewerber nur 58 freie Lehrstellen. In Hessen ist das Verhältnis inzwischen fast ausgeglichen.

(Zuruf der Abg. Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))