Protocol of the Session on March 19, 2004

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur um die Fakten festzuhalten, möchte ich nicht all das wiederholen, was der Kollege Klein bereits vorgetragen hat. Das ist eine aus unserer Sicht richtige Betrachtung des Sachstands. Der Verordnungsentwurf ist heute an die Anzuhörenden gegangen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sprachen vorhin über die Anfragen und darüber, wie weit Landtag und Landesregierung voneinander entfernt sind. Ich bin immer erstaunt, wenn ich feststellen muss, dass dann, wenn wir etwas in Vorbereitung haben, pünktlich ein Antrag der SPD kommt.

(Nicola Beer (FDP): Die FDP ist immer vorher!)

Ich weiß nicht, wie das zusammenhängt. Ich freue mich aber darüber. Erstens heißt das nämlich, dass Sie das, was die Landesregierung tut, sehr genau verfolgen, und zweitens ist das ein guter Anhaltspunkt dafür, dass Sie das Regierungsprogramm wirklich gelesen haben.

Es gibt zwei Anmerkungen, die man dazu machen kann. Erstens. Rot-Grün hat den Meistertitel wieder entdeckt. Die Handwerkskammern werden sich darüber freuen. Ich glaube, es ist ganz wichtig, das festzustellen.

Zweitens. In den Programmen von SPD und GRÜNEN habe ich nichts über die allgemeine und die fachgebun

dene Hochschulzugangsberechtigung für Meister gelesen, über die wir hier sprechen. Das ist also etwas, was Sie neu entdeckt oder einfach bei uns abgeschrieben und jetzt auf die Tagesordnung gesetzt haben.

Es ist moniert worden, dass wir nicht auch gleich den zweiten Schritt machen. Ich denke, es ist wichtig, differenziert an die Sachen heranzugehen. Selbstverständlich ist es richtig, die Hürden zu beseitigen, die dem fachgebundenen Hochschulzugang entgegenstehen.Aber wir möchten uns noch einmal ganz genau anschauen, wie wir den zweiten Punkt, nämlich die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung, umsetzen. Das ist nicht einfach mit einem Federstrich zu erledigen. Darüber müssen wir gemeinsam diskutieren. Das steht im Regierungsprogramm, und wir werden es umsetzen.Aber inwieweit das im Zuge weiterer Maßnahmen an den Hochschulen erfolgt, werden wir im Laufe des Herbstes sehen. So weit, so gut.

Ich bedanke mich, dass, soweit ich sehen kann, Sie alle dem jetzigen Verordnungsentwurf zustimmen werden.Ich freue mich aber insbesondere, dass Sie, wie ich gehört habe, auch den zweiten Schritt mittragen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Dann überweisen wir den Antrag an den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst. – Dem widerspricht niemand. Damit ist der Antrag, Drucks. 16/1890, an den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst überwiesen worden.

Zudem überweisen wir den Dringlichen Entschließungsantrag der CDU, Drucks. 16/1945, ebenfalls an den Ausschuss.Widerspricht dem jemand? – Das ist auch nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend übereilte Fusionspläne der Landesregierung für die Hochschulmedizin – Drucks. 16/1892 –

gemeinsam mit Punkt 61:

Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU betreffend Weiterentwicklung und Qualitätssicherung der Hochschulmedizin in Hessen – Drucks. 16/1946 –

Das Wort hat der Abg. Dr. Spies für die Fraktion der SPD. Die Redezeit beträgt fünf Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte um die Universitätskliniken insbesondere in Mittelhessen ist keineswegs neu. Sie läuft seit Jahren und lässt die Gemüter vor Ort zweifellos hochkochen, obwohl das für uns keineswegs der entscheidende Gesichtspunkt sein sollte.

Kollege Möller verkündet, dass die Überlegungen, die Universitätskliniken zusammenzuführen, nicht nachvollziehbar seien. Der „Gießener Anzeiger“ sagt ihm für das Jahr 2008 sogar eine sichere Niederlage voraus, falls es dazu käme. Kollege Gotthardt – das ist schon fünf Jahre her – ließ sich dazu hinreißen, zu erklären, er würde sogar gegen die Fraktionsdisziplin stimmen, wenn Abteilungen zusammengeführt würden, ohne dass dem qualitative Kriterien zugrunde lägen. Die CDU Gießen fordert einen of

fenen und sachgerechten Diskussionsprozess, und die Beschäftigten haben Angst.

In Wahrheit ist das, was hier passiert, doch ein „Fiasko Koch“. Ohne Not und ohne nachzudenken verkündet er im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ die Zusammenlegung der mittelhessischen Universitätskliniken. Der Finanzminister assistiert ihm jubilierend ob der zu erwartenden Einsparungen. Das Ganze erfolgt ohne Not und ohne Verstand. Dabei deutete er seinerzeit auch noch an, Ende 2003 würde das Ganze über die Bühne gehen.

Meine Damen und Herren,das Land spart nur dann Geld, wenn es bei Forschung und Lehre spart. Dann stellt sich die Frage,ob wir aufgrund des Arbeitszeitgesetzes und angesichts eines zunehmend deutlicher werdenden Mangels an Ärzten tatsächlich weniger Mediziner brauchen, als es vor 20 Jahren in der Diskussion war, oder ob wir sogar mehr benötigen.

Die Frage wurde nicht gestellt, geschweige denn, dass sie beantwortet wurde. Kann an der medizinischen Wissenschaft in Hessen,in der Apotheke Europas,an irgendeiner Stelle gespart werden? – Für Biotech tut diese Regierung nichts. Aber dass sie auch noch die wissenschaftliche Basis zusammenstreicht, ist in keiner Weise zu rechtfertigen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, bevor eine Regierung etwas verkündet, sollte sie nachdenken, ob die Annahmen von vor 20 Jahren noch stimmen. Im November 2003 haben wir die Landesregierung gefragt, welche strukturellen Kriterien sie hat – keine Antwort. Welche Kriterien, geschweige denn Daten zu den Kriterien? Die Frage nach dem Bedarf an Studienplätzen und einem hochschulmedizinischen Konzept – Fehlanzeige. Die Frage sachlicher Parameter – Fehlanzeige. Nicht einmal die Höhe der DFG-Mittel in den letzten zwei Jahren kann diese Landesregierung binnen drei Monaten beschaffen – prima Sache.

Weil alles gute Zureden doch nichts genützt hat, deshalb der Antrag der Sozialdemokratischen Fraktion: Wir müssen endlich einmal zu sachlichen Kriterien kommen. Wir müssen erst die Voraussetzungen prüfen und anschließend vorurteilsfrei und unter Einbeziehung aller Standorte bitte schön prüfen, welche Kriterien und welche Parameter eine Rolle spielen.

Die Hochschulmedizin ist eines der teuersten und wertvollsten Besitztümer des Landes. Sie hat es verdient, dass die Landesregierung Neustrukturierungen sachlich, neutral und ohne Privilegien für einzelne Standorte prüft. Wenn der Minister aus Frankfurt kommt und der „Gießener Anzeiger“ spekuliert, dass vielleicht Frau Roth an die Spitze der Staatskanzlei und Herr Corts auf den Chefsessel der Mainmetropole wolle, kann man verstehen, dass er dann den Frankfurtern nichts tun würde. Besser und sachlicher macht es das Ganze nicht.

(Zurufe von der SPD: Ah! – Widerspruch bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zum krönenden Abschluss bekommen wir einen Antrag der Union, der – das ist wirklich interessant – als Erstes das Abstimmungsverhalten der Landesregierung zur Gesundheitsreform im Bundesrat geißelt. Wenn Sie die kritisieren, dann rate ich in diesem Landtag, wir wenden uns an die Landesregierung. Dieser Antrag spricht, wie immer sachwidrig, nur von Gießen und Marburg.

(Anne Oppermann (CDU): Die DRG habt ihr eingeführt und wir nicht!)

Das Problem der ganzen Übung ist, der Ministerpräsident verkündet, ohne nachzudenken. Dieser Dilettantismus verängstigt die Beschäftigen und erschwert den Prozess über alle Maßen.Jetzt rudert man zurück,und das ist auch gut so. Es sollte endlich angefangen werden, in Ruhe und vernünftig zu prüfen. Meine Damen und Herren, wenn Sie der Ansicht sind, dass Landespolitik einer sachlichen Prüfung nach sachlichen Kriterien bedarf,dann sollten Sie unserem Antrag zustimmen. Er hilft der Landesregierung auf den richtigen Weg. Das Fiasko eines Verkündungs-MP ist weit genug vorangeschritten. Jetzt sollte wieder sachlich geprüft und sachlich diskutiert werden. Dann können wir zu sachlichen und sinnvollen Ergebnissen kommen. – Danke.

(Beifall bei der SPD – Frank Gotthardt (CDU):Dafür garantiert der Herr Spies!)

Nächste Rednerin, Frau Kollegin Beer für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Spies, ich muss ganz ehrlich sagen, für die FDP-Fraktion ist das Thema zu wichtig und auch zu schwerwiegend, in vielen Fragen auch zu kompliziert, um es in der Art und Weise zu diskutieren, wie Sie es eben getan haben.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Dieses Haus und vor allem Sie, Herr Minister Corts, müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich die Bevölkerung in Mittelhessen fragt, wohin die Reise in Sachen Universitätsklinika geht und vor allem nach welchen Kriterien. Herr Minister, der Vorwurf ist schon gerechtfertigt, dass es in Ihrem Hause eine babylonische Sprachverwirrung gibt. Im September letzten Jahres wurde noch seitens des Finanzministeriums unter dem Eindruck des Sparpakets „Operation sichere Zukunft“ gesagt:Wir müssen Einsparungen haben, und deswegen arbeiten wir an einer Fusion zu einem Klinikum Mittelhessen.

Im Februar ist die Aufregung verständlicherweise in der Region da. Dazwischen war nur Closed Shop. Kollege Spies hat Recht, detaillierte Anfragen und Nachfragen im Ausschuss wurden mit Nichtwissen beantwortet. Noch in der letzten Ausschusssitzung haben Sie auf meine Nachfrage gemauert,Sie seien noch nicht informiert und hätten noch keine Gelegenheit gehabt, mit dem Staatssekretär über die Vorgänge, die da abgegangen seien, zu diskutieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es im Zeitalter der modernen Kommunikationsmittel überhaupt denkbar ist, dass Sie innerhalb von 24 Stunden nicht auf den neuesten Stand gebracht werden.

Jetzt plötzlich diskutiert die CDU die Frage Klinika Mittelhessen unter dem Aspekt Stärkung von Forschung und Lehre, wenn ich Ihre letzte Presseerklärung richtig verstanden habe. Und die enthält das Wörtchen „ Kooperation“. Was die CDU unter Kooperation versteht, kann man nicht so richtig orten, denn die Eingeweihten wissen, dass zwischen der Äußerung, die zum Teil fällt, „zwei Standorte“ – so der Ministerpräsident –, und der Äußerung „zwei Klinika“ – so der Regierungssprecher – Welten

liegen können. Genau das sind die Ängste, die in der Region vorherrschen, Herr Minister.

(Beifall bei der FDP)

Mit diesen Vernebelungsaktionen, die wir in den letzten zwei Wochen verstärkt beobachten können, schüren Sie Verunsicherung und als Folge Panikmache in Mittelhessen, wie wir sie auch beim Kollegen Spies beobachten konnten. Das ist gefährlich, denn es gilt, in dieser Diskussion einerseits kein Porzellan bei einem wahrlich, man möchte meinen, seit Jahrzehnten sehr sensiblen Thema zu zerschlagen. Lieber Kollege Spies, auf der anderen Seite ist Ihr Antrag nicht zustimmungsfähig, so gut er gemeint ist, gilt es doch, die Zukunftspläne für die Universitätskliniken in Gießen und Marburg nicht auf die lange Bank zu schieben.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir alle wissen doch, dass es ab 01.01.05, respektive ab 2007, mit den neuen Fallpauschalen Ernst wird und wir dann bei der Umstellung auf die DRG die Situation haben, dass wir ohne eine zukunftsträchtige Umstrukturierung der beiden Kliniken – aller, nicht nur der Universitätskliniken und damit auch Gießen und Marburg – zu massiven finanziellen Problemen kommen. Das hängt dann mit dem jetzt schon befürchteten Personalabbau zusammen.

Sehr geehrter Herr Minister Corts,die Reorganisation der Universitätskliniken müsste mit dem nötigen Fingerspitzengefühl und handwerklichem Können im Hinblick auf die bekannten Ängste in der Region bezüglich der Krankenversorgung geschehen.

(Beifall bei der FDP)

Ich halte es daher für einen Fehler, dass diese Diskussion bislang fast ausschließlich unter dem Klinikblick geführt wird. Wir sprechen von Universitätskliniken. Das heißt, im Mittelpunkt der Diskussion müssten Forschung und Lehre stehen, denn schon in unserem Universitätsklinikengesetz steht in § 5 Abs. 1, dass die Klinik zuvörderst Forschung und Lehre des Fachbereichs Medizin der Universität unterstützen soll.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die SPD hat sich nicht geäußert, wie wir die Probleme lösen wollen.Aus Sicht der FDP ist im Unterschied zur SPD eine vernünftige Kooperation der richtige Weg,die Schritt für Schritt Möglichkeiten der Vernetzung von Krankenversorgung einerseits und Forschung und Lehre andererseits umsetzt.

(Beifall bei der FDP)