Das bedeutet natürlich nicht, dass der Staat wertneutral ist. Aber der Staat darf in dieser Frage niemals Schiedsrichter sein,sondern er muss alle gleich behandeln.Das ist das Gebot unserer Verfassung.
Zweiter Punkt. Das Bundesverfassungsgericht hat es in das Ermessen des Gesetzgebers, also in unser Ermessen, gestellt,ob wir in den Bereichen,in denen widerstreitende Grundrechte tangiert sein könnten, also in der Schule, religiöse Symbole weiterhin zulassen oder diese Freiheit einschränken.
In Ihrem Gesetzentwurf entscheiden Sie sich in den ersten beiden Sätzen für ein Verbot politischer,religiöser und weltanschaulicher Symbole. Dann aber heißt es wörtlich, dass bei der konkreten Entscheidung „der christlich und humanistisch geprägten abendländischen Tradition des Landes Hessen angemessen Rechnung zu tragen“ ist.
Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
Herr Irmer, falls es Ihnen bisher nicht aufgefallen sein sollte: Es geht hier übrigens um Bürgerinnen und Bürger dieses Staates, um unsere Landsleute.
Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: Wenn sich der Staat zu einem Verbot religiöser Symbole in der Schule entscheidet, dann ist „das Gebot strikter Gleichbehandlung der verschiedenen Glaubensrichtungen sowohl in der Begründung als auch in der Praxis der Durchsetzung solcher Dienstpflichten zu beachten“.
Meine Damen und Herren von der Union, auch in diesem zweiten Punkt ist Ihr Gesetzentwurf ganz offensichtlich verfassungswidrig und widerspricht dem Bundesverfassungsgericht ganz eindeutig.
Auch in diesem zweiten Punkt versuchen Sie, sich aus der offensichtlichen Verfassungswidrigkeit herauszumogeln, indem Sie auf die Passage des Urteils hinweisen,in der das Bundesverfassungsgericht sagt, dass „auch Schultraditionen, die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung und ihre mehr oder weniger starke religiöse Verwurzelung berücksichtigt werden dürfen“.
Meine Damen und Herren, Sie wissen ganz genau, dies war die Begründung des Gerichts dafür, dass es möglich ist, dass verschiedene Bundesländer zu unterschiedlichen Antworten auf die Frage kommen können, ob sie von dieser Einschränkungsmöglichkeit Gebrauch machen oder nicht. Keinesfalls war damit die staatliche Neutralitätspflicht gemeint. Das wissen Sie auch ganz genau.
dann glauben Sie vielleicht dem Verfassungsrichter Jentsch. Der ist Ihnen nicht ganz unbekannt, und er hat zu der Minderheit in dem Senat gehört, der diese Entscheidung getroffen hat.
Neue Probleme sehe er bei den Regelungen, die ein grundsätzliches Ja zu christlichen Symbolen enthielten, für fremde Religionen aber keinen Platz ließen. Der Staat habe nicht einseitig Partei zu ergreifen, sondern nur auf die Einhaltung der „Spielregeln“ zu achten,...
Recht hat der Herr Jentsch. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, es ist doch absolut absurd, einerseits einer Lehrerin mit weltanschaulicher Bekundung mit dem Hinweis auf die Neutralität des Staates gegenüber Schülerinnen und Schülern etwas untersagen zu wollen und dann genau diese Neutralität dadurch zu verletzen, dass Sie das Christentum bevorzugen. Meine Damen und Herren, das ist absurd.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))
Dass ein solcher Gesetzentwurf im Titel den Begriff „Sicherung der staatlichen Neutralität“ trägt, ist sehr bezeichnend. Meine Damen und Herren, wir kennen das von Ihnen.Wenn Sie etwas „Studienguthabengesetz“ nennen, dann müssen die Leute zahlen. Wenn „Operation sichere Zukunft“ draufsteht, dann ist düstere Zukunft drin. Sie befinden sich da leider in einer unseligen Tradition.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Denzin (FDP): Das haben sie in Berlin gelernt!)
Meine Damen und Herren, der Staat muss in Religionsund Weltanschauungsfragen neutral sein. Das ist die Garantie für ein friedliches Zusammenleben im demokratischen Rechtsstaat.Wer diese Neutralität aufgibt, der setzt dieses friedliche Zusammenleben aufs Spiel.
Das Schlimme aber ist, dass Sie mit einem solchen Verhalten die Integration in diesem Lande um Jahre zurückwerfen. Islamische Fundamentalisten werden Ihnen klammheimlich Beifall klatschen, weil ihr Geschäft jetzt erleichtert wird: Sie können jetzt wegen dieser Ungleich
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wenn wir den Kampf gegen jedweden Fundamentalismus, sei er religiös oder politisch motiviert, gewinnen wollen, dann müssen wir gerade die Grundwerte dieser Republik – und dazu gehört die Neutralität des Staates – vorleben und verteidigen. Sie aber machen mit Ihrem Gesetzentwurf genau das Gegenteil, und Sie werden damit leider auch genau das Gegenteil erreichen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Lesen Sie die Grundrechte!)
Meine Damen und Herren, wenn dieser Gesetzentwurf unverändert beschlossen werden sollte, wird dieses Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben. So viel ist sicher.
Es gibt nur zwei mögliche Wege, auf diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu reagieren. Entweder lassen wir religiöse Symbole in der Schule weiterhin zu und reagieren im Einzelfall mit allen Möglichkeiten des Disziplinarrechts, wenn sich Beamtinnen oder Beamte pflichtwidrig – also nicht neutral – verhalten. Oder aber wir schränken alle religiösen Symbole ein, müssen dann aber – wie ich hinzufüge – im Einzelfall immer noch reagieren, wenn sich Beamtinnen oder Beamte pflichtwidrig verhalten. Denn – Herr Irmer – die allerwenigsten Fundamentalisten erkennt man an der Kleidung.
In der Begründung dieses Gesetzentwurfs ist von den „humanistischen Traditionen“ des Landes Hessen die Rede. Zum Humanismus gehört die Aufklärung, gehört der säkulare, der neutrale Staat, der alle seine Bürger gleich behandelt.
Sämtliche Mitglieder meiner Fraktion, ungeachtet ihrer teilweise unterschiedlichen Auffassungen darüber, welchen dieser beiden möglichen Wege man beschreiten sollte, werden im klassischen Sinne Voltaires sich vor diejenigen stellen, die die alleinigen Betroffenen einer solchen Ungleichbehandlung wären.
Ich freue mich, dass sich die Sozialdemokratie in Hessen inzwischen dieser Meinung angeschlossen hat. Ich wünsche mir, dass sich die FDP ebenfalls einen Ruck in diese Richtung gibt.
Meine Damen und Herren, ich kann mir nicht vorstellen, dass – nachdem jetzt Frau Ziegler-Raschdorf nachgerückt ist – bei einem Anteil von inzwischen 26,8 % Juristinnen und Juristen in der CDU-Fraktion