Protocol of the Session on February 18, 2004

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die 30. Plenarsitzung des Hessischen Landtags eröffnen und Sie alle herzlich begrüßen. Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung teile ich mit, dass die Punkte 1 a, 1 b, 2 a, 2 b, 3, 5, 6, 9, 35, 49, 58 und 59 erledigt sind.

Vereinbarungsgemäß tagen wir heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 4, der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU für ein Gesetz zur Sicherung der staatlichen Neutralität, Drucks. 16/1897 neu. Danach beraten wir die Punkte 19, 13, 23 und 54. Nach der Mittagspause beraten wir Tagesordnungspunkt 25, Antrag der Fraktion der SPD betreffend Personalvermittlungsstelle nach Art. 1 § 1 „Zukunftssicherungsgesetz“, Drucks. 16/ 1891.

Entschuldigt fehlt heute Herr Staatsminister Riebel.

Eine Ausstellungseröffnung ist heute Mittag um 13 Uhr. Es handelt sich um die Präsentation der Holzfachschule Bad Wildungen e. V. – Ausbildungsstätte für Erfolgreiche – hier im Umgang des Plenarsaals. Ich weise darauf hin. Herr Vizepräsident Lothar Quanz wird diese Veranstaltung eröffnen.

Meine Damen und Herren, wie bereits mitgeteilt, beginnen wir heute mit Tagesordnungspunkt 4:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU für ein Gesetz zur Sicherung der staatlichen Neutralität – Drucks. 16/1897 neu –

Vereinbart ist eine Redezeit von 15 Minuten je Fraktion. – Das Wort erteile ich zur Einbringung des Gesetzentwurfs dem Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Herrn Abg. Dr. Jung.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem von uns eingebrachten Gesetzentwurf wollen wir hessischen Lehrerinnen und Beamtinnen das Tragen des islamischen Kopftuches verbieten.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir handeln damit im Auftrag unserer Verfassung. Wir entsprechen dem Neutralitätsgebot unseres Staates, und wir leisten damit einen Beitrag zur Integration.

(Lachen des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir setzen uns mit diesem Gesetzentwurf an die Spitze der Länder, die der Auffassung sind, dass das Kopftuch und die Weltanschauung,die damit verbunden ist,nicht im Einklang mit den Grundrechten unseres freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates stehen.

(Beifall bei der CDU)

Das islamische Kopftuch ist eben nicht nur ein Glaubenssymbol, sondern es ist auch und gerade ein politisches Symbol. Es steht für Unterdrückung und Unfreiheit. Es

steht für den fundamentalistischen Gottesstaat, der im klaren Widerspruch zu unserer Verfassung steht.

(Beifall bei der CDU)

Wäre das Kopftuch ein ausschließlich religiöses Symbol, dann gäbe es in Deutschland eine solche Diskussion hinsichtlich des Tragens eines Kopftuches durch Lehrerinnen oder Beamtinnen nicht.

Meine Damen und Herren, es sind aber auch gerade unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die uns darauf hinweisen, dass das Kopftuch für den politischen Islamismus steht. Sie können das gerade heute in den aktuellen Tageszeitungen sehen. In einem gestrigen Gespräch mit „dpa“ hat die SPD-Politikerin und Kreistagsabgeordnete im Rheingau-Taunus-Kreis, Frau Hamuroglu, die auch Integrationsbeauftragte ist, im Grunde genommen das weit reichende Kopftuchverbot bis in die Amtsstuben unterstrichen, das wir mit diesem Gesetzentwurf beabsichtigen. Sie hat wörtlich formuliert: „Das Kopftuch ist ein Symbol geworden für den politischen Kampf der Fundamentalisten.Islamisten setzen es ein,um Druck auszuüben auf Musliminnen, die nicht ihrer Ideologie anhängen.“

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie machen es zum Symbol, leider!)

Herr Kollege Al-Wazir, wenn Sie die „tageszeitung“, die Ihnen nicht ganz fern steht, lesen und darin den Appell der Politikerinnen sehen, dann stellen Sie fest, es handelt sich im Wesentlichen um Musliminnen, aber auch um die Politologin Frau Abendroth und die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD aus Frankfurt. Sie haben Folgendes formuliert:

Ist es verkehrt, dass den islamistischen Kräften eine Grenze gezeigt wird, deren Übertreten ein wichtiges Prinzip unserer Verfassung verletzt? Nach unserer Auffassung ist eine solche Deutlichkeit in einer demokratisch verfassten Gesellschaft erforderlich, um den islamistischen Kräften zu signalisieren, dass diese Gesellschaft nicht vor ihnen zurückweicht und ihnen nicht Schritt für Schritt immer mehr Raum im öffentlichen Leben überlässt. Die Erfahrung zeigt, dass diese Kräfte jede Erweiterung ihres Spielraums nutzen, um ihre antidemokratischen, antisemitischen und frauenfeindlichen Positionen durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Die Erfahrung aus zahlreichen Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung und Ländern mit signifikanten muslimischen Minderheiten in Europa zeigt hinreichend, dass das Tragen des Kopftuchs in staatlichen Institutionen längst zum Kampfprogramm von islamistischen Kräften geworden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,diesem Appell, den verschiedenste muslimische Politikerinnen, SPD-Politikerinnen, Frau Ebeling von den GRÜNEN und auch andere Politikerinnen ausgesprochen haben, ist aus meiner Sicht an Deutlichkeit nichts mehr hinzuzufügen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb ist es notwendig, dass wir ein solches Gesetz beschließen.

Meine Damen und Herren, unstreitig ist das Kopftuch ein Symbol islamistischer Bewegungen. In den Gesellschaften werden Millionen Frauen in eine rechtlich minderwertige Stellung gegenüber dem Mann versetzt und vom gesellschaftlichen Leben weitgehend ausgeschlossen. Der Zwang zur Verhüllung, dem muslimische Frauen ausgesetzt sind, das Züchtigungsrecht des Mannes, das Recht, die Ehefrau zu verstoßen, und letztlich die Scharia sind mit unserer Verfassung unter keinen Umständen in Einklang zu bringen.

(Beifall bei der CDU)

Viele vom islamischen Recht, der Scharia, geprägte Staaten bekennen sich zur Unterordnung und Unterdrückung der Frau, zu einem Gottesstaat und zum Fundamentalismus und haben dafür als äußeres Symbol den Zwang zur Verhüllung gewählt.

Meine Damen und Herren, wer dieses Symbol in Hessen als Lehrerin tragen will, ist persönlich nicht geeignet, unsere Kinder im Geiste unserer Verfassung zu erziehen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Wir befinden uns mit diesem Gesetzentwurf in großer Übereinstimmung mit unserer Bevölkerung. Der Hessische Rundfunk hat eine entsprechende Befragungsaktion gestartet, bei der über 80 % der Bürgerinnen und Bürger diesem Ansinnen zugestimmt haben.

In einer Befragungsaktion des Kultusministeriums haben über 97 % der 37.000 Beteiligten zugestimmt, dass ein derartiges Kopftuchtragen in den hessischen Schulen für Lehrerinnen verboten wird.

Meine Damen und Herren,auch die öffentliche Resonanz auf unsere Initiative ist überwältigend und zustimmend.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich glaube, dass es notwendig ist, dass wir ein derartiges Gesetz hier beschließen. Ich will jetzt gar nicht alle Tageszeitungen hier zitieren. Ich appelliere an alle Fraktionen dieses Hauses, sich diesem Gesetzentwurf anzuschließen, ihn mit zu beraten und ihm zuzustimmen, damit wir ein möglichst breites Votum im Interesse unserer Verfassung und im Interesse des Schutzes der staatlichen Neutralität im Hessischen Landtag erreichen.

Meine Damen und Herren, es geht hier nicht nur um die Frage der Religionsfreiheit. Es geht um eine politisch rechtswidrige Demonstration. Dazu schreibt, aus meiner Sicht zu Recht, die „Frankfurter Neue Presse“:

(Zuruf von den GRÜNEN: Oh!)

Die an dieser Stelle so häufig gefährdet gesehene Religionsfreiheit hat mit dieser Diskussion nur am Rande zu tun.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP):Ach ja! – Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))

Niemandem wird in Deutschland untersagt, eine Moschee zu besuchen. In diesem Land sollen alle Kulturen und alle Religionen ihren Platz haben. Was aber nicht geht, ist die widerspruchslos hinzunehmende Einführung islamisch-fundamentalistischer Symbole als weltanschauliche Untermalung eines deutschen Schulunterrichts.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Evelin Schön- hut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Reinhard Kahl und Jürgen Walter (SPD))

Wie weit die Unterdrückung und die Unfreiheit gehen, wird auch durch einen Artikel deutlich, der in der „taz“ abgedruckt ist. Herr Al-Wazir, diesen Artikel sollten Sie sich einmal etwas zu Gemüte führen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die „Bild“-Zeitung der Linken hat auch nicht immer Recht!)

Die Überschrift lautet: „Freiheit statt Kopftuch“. In diesem Artikel geht es um das Abnehmen des Kopftuchs einer islamischen Politikerin bei einer Zusammenkunft von Frauen aus aller Welt in Berlin. Dort steht:

Wir alle wussten, dass keine von uns im Zusammenhang mit dem Namen dieser Frau darüber würde draußen sprechen dürfen. Sie selbst fürchtete um Leib und Leben. Ein Foto mit unbedecktem Kopf in einer Zeitung würde ausreichen, in ihrer Heimat oder bereits im demokratischen Deutschland die islamischen Religionswächter gegen sie loszulassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer glaubt, ein solches Verhalten, eine solche Art von Unterdrückung von Freiheit in Zusammenhang mit unserer Rechtsordnung, unserem Rechtsstaat und unserer Verfassung zu bringen, der irrt ganz gewaltig. Deshalb ist diese Gesetzesinitiative notwendig.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Florian Rentsch (FDP) und Jürgen Walter (SPD))

Wir dürfen in dieser Debatte Toleranz eben nicht mit Intoleranz verwechseln. Der Intoleranz des Kopftuchs muss wirkungsvoll entgegengetreten werden. Sie führt zu Parallelgesellschaften und schadet der Integration. „Integrieren statt Spalten“ muss unsere Devise sein. Dem dient auch unser Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Evelin Schön- hut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))