Meine Damen und Herren, zu diesem Thema „Toleranz und Intoleranz“ ist es bedenkenswert – ich habe in einer Aktuellen Stunde schon einmal darauf hingewiesen –,was Namo Aziz in der „Zeit“ dazu geschrieben hat. Ich zitiere:
Wer in Deutschland das Kopftuch an Schulen und Universitäten toleriert, der sollte auch die Einführung der von der Scharia vorgesehenen Strafen, die Auspeitschung, Amputation und Steinigung, in Betracht ziehen.
Meine Damen und Herren, da wir das alles nicht wollen, halten wir es für zwingend,ein derartiges Verbot nach entsprechender Beratung zu beschließen.
Bekundungen, die mit unserer Verfassung gerade nicht im Einklang stehen, dürfen weder bei Lehrerinnen noch bei Beamtinnen toleriert werden. Der Europäische Gerichtshof hat auch zu dieser Frage Stellung genommen und in seinem Urteil ausgeführt:
Das Gebot des Kopftuchtragens ist schwerlich mit dem Grundsatz der Gleichheit der Geschlechter vereinbar. Auch ist das Tragen des islamischen Kopftuchs mit der Botschaft der Toleranz, des Respekts gegenüber dem anderen und vor allem der Gleichheit und der Nichtdiskriminierung schwer vereinbar.
Der Ausschluss einer islamistischen Lehrerin, die sich nicht ohne Vorbehalte und widerspruchsfrei zu unserer Verfassung und unseren Werten bekennt, ist unverzichtbarer Teil einer wehrhaften Verfassung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Gesetzesvorlage schützt die Neutralitätspflicht des Staats, sie entspricht unserer Verfassung, und sie entspricht dem überwiegenden Willen der Mehrheit unserer hessischen Bevölkerung.
Aber sie berücksichtigt auch die christlich und humanistisch geprägte abendländische Tradition unseres Landes. Dieses Gesetz ist ein Beitrag für das friedliche Zusammenleben auf der Grundlage einer werteorientierten Gesellschaft. Im Landtag von Baden-Württemberg, in dem es eine übereinstimmendere Initiative, die auch von SPD und FDP mitgetragen wurde, gab, hat der FDP-Kollege Kleinmann zu diesem Thema formuliert:
In der Präambel des Grundgesetzes heißt es: „im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“. Im Hessischen Schulgesetz heißt es in § 2, in dem es um den gemeinsamen Bildungsauftrag geht, dass der Bildungsauftrag in Hessen „auf humanistischer und christlicher Tradition“ beruhe. Deshalb stellt es gerade keinen Verfassungsverstoß dar, wie teilweise hier GRÜNEN- und SPD-Politiker vorgetragen haben, wenn beispielsweise das Tragen christlicher Symbole in hessischen Schulen möglich bleibe.
Ich fasse zusammen: Das Verbot des Tragens des islamischen Kopftuchs für Lehrerinnen und Beamtinnen ist verfassungsrechtlich notwendig, es schützt die Neutralitätspflicht des Staates, es dient der Integration, und es entspricht dem überwiegenden Willen der Mehrheit unserer Bevölkerung. Ich appelliere deshalb an dieses Haus, mit einer großen Mehrheit diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, damit hier die Werte der Toleranz, die Werte, die eigentlich in einer werteorientierten Gesellschaft unsere Verfassung einen, auch wirklich zum Durchbruch gelangen und wir ein wirkungsvolles Verbot für das Tragen des islamischen Kopftuchs im Hessischen Landtag verabschieden können. – Ich bedanke mich.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.09.2003 ausdrücklich betont, ist der freiheitliche Staat des Grundgesetzes gekennzeichnet von Offenheit gegenüber der Vielfalt weltanschaulich-religiöser Überzeugungen und gründet dies auf ein Menschenbild, das von der Würde des Menschen und der freien Entfaltung der Persönlichkeit in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung geprägt ist.
Meine Damen und Herren, das von der CDU gewollte Kopftuchverbot für hessische Beamtinnen und Beamte ist verfassungswidrig.
Ein generelles Verbot ist ein Eingriff in die Religionsfreiheit der Beamtinnen und Beamten und in das Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern. Zu beachten ist insbesondere,dass gemäß Art.33 Abs.3 Grundgesetz – ich zitiere wörtlich – „die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte... unabhängig von dem religiösen Bekenntnis“ sind. „Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.“ Das Grundgesetz enthält also ausdrücklich eine Werteentscheidung zugunsten der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates.
Das Grundgesetz untersagt dementsprechend die Ungleichbehandlung von vergleichbaren Verhaltensweisen aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen. Die Bevorzugung einer Religionsrichtung – wie im vorgelegten Gesetzentwurf zum Hessischen Beamtengesetz – ist demnach schlicht unzulässig.
Eine Benachteiligung des muslimischen Kopftuchs im Vergleich zu Symbolen anderer Glaubensrichtungen führt also zu einem Eingriff in die Grundrechte des Art.33 Abs. 3 Grundgesetz. Bei einer Regelung im allgemeinen Beamtenrecht kommt dem Recht auf freie Religionsausübung der Beamtinnen und Beamten ein besonderer Stellenwert zu. Dies folgt aus Art. 4 Grundgesetz, in dem es heißt:
Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
Hinzu kommt, dass wir es im Gegensatz zum Bereich der Schule in der allgemeinen Verwaltung nicht mit offensichtlich kollidierenden Grundrechten schützenswerter Dritter zu tun haben. Ein besonderes Gewaltverhältnis zwischen der allgemeinen Verwaltung und Dritten besteht in der Regel nicht.
Eine etwas andere Beurteilung lässt das besondere Verwaltungsrechtsverhältnis im Schulwesen zu. Lehrkräfte unterliegen traditionell verschärften Dienst- und Treue
pflichten. Hier kollidieren das Recht auf negative Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler und ihrer Erziehungsberechtigten sowie die Erziehungsrechte der Eltern auf der einen Seite mit dem Recht auf Glaubensausübung der Lehrerinnen und Lehrer auf der anderen Seite. Dieser Konflikt kann auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit einer einschränkenden gesetzlichen Regelung aufgelöst werden. Dabei bedarf es aber einer gründlichen Abwägung der Grundrechtseingriffe.
Der von der CDU-Fraktion vorgeschlagene Gesetzentwurf zum Schulgesetz erfüllt diese Voraussetzungen jedoch nicht und ist damit im Ergebnis verfassungswidrig, weil er eine Religion privilegiert.
Herr Jung, weil Sie eben „dpa“-Meldungen zitiert haben, möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Frau Landesanwältin Sacksofsky, wie heute gemeldet wurde, den Gesetzentwurf für verfassungswidrig und für gegen das Grundgesetz verstoßend hält.
Das Grundgesetz untersagt die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom September 2003 ausdrücklich ausgeführt, dass der Staat auf eine am Gleichheitsgrundsatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten hat und sich gerade nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifizieren darf.
Das Bundesverfassungsgericht betont in seiner Entscheidung, dass die Einführung eines Verbots des Tragens religiöser Symbole nur dann verfassungsgemäß ist, wenn Angehörige unterschiedlicher Religionsgemeinschaften dabei gleich behandelt werden. Es kann dabei im Einzelfall nicht ausschließlich den Behörden oder Gerichten überlassen bleiben, den hier infrage stehenden Konflikt zu lösen.
Allerdings hat der Gesetzgeber, wenn er sich dieser Problematik annimmt, nicht über eine „richtige“ oder „falsche“ Religion zu entscheiden, da dies weder unserer grundgesetzlichen Verfasstheit noch unserer aufgeklärten Kulturprägung entspräche.
Auch wir sehen,dass aufdringliche,Einfluss nehmende religiöse Symbole die Freiheit von Schülern und Eltern beeinträchtigen können. Das ist der einzige Rechtfertigungsgrund für ein solches Gesetz. Auch wir wollen eine Lösung dieses Problems, aber ohne eine einzelne Weltanschauung an den Pranger zu stellen, meine Damen und Herren von der CDU.
Das Bundesverfassungsgericht hat unmissverständlich festgestellt, dass eine Dienstpflicht, die es Lehrerinnen und Lehrern verbietet, in ihrem äußeren Erscheinungsbild ihre Religionszugehörigkeit erkennbar zu machen, „nur begründet und durchgesetzt werden kann, wenn Angehörige unterschiedlicher Religionsgemeinschaften dabei gleich behandelt werden“.
Dabei könnte ein Verbot, das sich auf die Verwendung von Kleidung und Zeichen erstrecken würde, deren objektiver Erklärungsgehalt zu Grundwerten der Verfassung, insbesondere der Menschenwürde sowie den Freiheits- und Gleichheitsrechten, in Widerspruch steht und geeignet ist, den Schulfrieden zu beeinträchtigen, zulässig sein. Dabei gilt jedoch der Gleichheitsgrundsatz, gegen den die CDU-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf eklatant verstößt.
Wir befürworten einen Gesetzentwurf zur Wahrung der weltanschaulichen Neutralität an unseren Schulen, der den staatlichen Erziehungsauftrag mit dem elterlichen Erziehungsrecht und der negativen Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler in Einklang bringt. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, erreichen mit einem verfassungswidrigen Gesetz jedoch nichts anderes als die Fortsetzung des gerichtlichen und verfassungsrechtlichen Streits in dieser Frage.