Protocol of the Session on May 6, 2003

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich könnte jetzt noch einige Anmerkungen zu Ihrem so genannten Konzept der nationalen Kraftanstrengung machen, das Sie am 9. und 10. Februar dieses Jahres beschlossen haben. Mit großem Interesse erwarten wir dessen Stufen zwei und drei. Denn außer der Ankündigung, dass Sie Herzog – so er denn irgendwelche Konzepte auf den Tisch legt – umsetzen wollen, steht dort nichts drin. Wir sind sehr gespannt,wie sich Herr Herzog mit der Rentenlage beschäftigt.

Was wir auch an dieser Stelle nicht zulassen werden – deswegen betonen wir hier diesen grundsätzlichen Punkt und lassen uns nicht auf die technischen Ausführungen von Herrn Dr. Rhiel ein –, ist, dass Sie sich hinstellen und, nachdem Sie auf Bundesebene in mehr als 16 Jahren der Regierung Kohl wesentlich zu der Erosion der sozialen Sicherungssysteme beigetragen haben, sich wie der Retter aufspielen,der jetzt nach der Feuerwehr ruft,nachdem Sie zuvor das Feuer an die sozialen Sicherungssysteme gelegt haben, und dann auch noch dafür sorgen – beispielsweise durch das Abstimmungsverhalten Ihrer Landesregierung im Bundesrat –, dass die Feuerwehrzufahrt zugeparkt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der zweite grundsätzliche Punkt Ihrer Vorlage ist auch im Kern schlampig gearbeitet. Das muss man an dieser Stelle deutlich sagen. Im Gesetzentwurf schreiben Sie zu den Auswirkungen auf Frauen und Männer: keine Auswirkungen. – Das ist natürlich falsch. Denn die Sicherungssysteme leben davon, dass verschiedene sozial- und familienpolitische Errungenschaften – beispielsweise die Anerkennung von Kindererziehungszeiten – in der Rentenversicherung berücksichtigt werden. Dies fällt bei den Versorgungswerken in der Regel anders aus, mindestens auf niedrigerem Niveau – wenn überhaupt.

Dass Sie das in Ihrer Vorlage ignorieren, wundert mich nicht – wenn diesem Ministerpräsidenten zum Thema Familienpolitik nichts anderes einfällt außer: „Wir werden das Land der Tagesmütter.“

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg.Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich verspreche Ihnen, dass wir Sie in der Ausschussberatung und auch in der zweiten Lesung nicht nur technisch debattieren lassen, sondern dass wir dort auch die grundsätzliche Fragen mit Ihnen diskutieren wollen. Ich bin einmal sehr gespannt, ob Sie dazu irgendeinen Beitrag leisten werden. Wir werden diesen Staatsvertrag in jedem Fall ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Schäfer-Gümbel, ich darf Ihnen herzlich zu Ihrer ersten Rede im Hessischen Landtag gratulieren. Ich darf Ihnen eine erfolgreiche Wahlperiode – beinahe hätte ich gesagt:Amtsperiode – wünschen.Weiterhin viel Erfolg für Ihr Tun.

(Allgemeiner Beifall)

Das Wort hat Herr Denzin für die FDP-Fraktion.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Die erste Rede!)

Ich darf versichern: Es ist nicht seine erste Rede.

Herr Präsident, es war auf jeden Fall eine weise Mischung der Wortmeldungen; das kann ich schon einmal festhalten.

Danke schön.

Verehrter Vorredner, all die grundsätzlichen Fragen haben wir während des Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des Ingenieurkammergesetzes schon erörtert. Wir hatten in der letzten Legislaturperiode bei der Einrichtung ähnlicher Versorgungswerke, für die wir im Landtag die Voraussetzungen geschaffen haben, ebenfalls diese Grundsatzdebatten. Wir können sie gar nicht mehr so oft führen, weil nach meinem Wissen die Ingenieurkammer die letzte der freiberuflichen Standesorganisationen ist, der wir diese Möglichkeit einräumen.

Frau Schönhut-Keil hat erfreulicherweise schon wichtige Punkte dazu gesagt – ich nehme das als gutes Zeichen für das Wachsen von Einsicht bei den GRÜNEN, liebe Evi –: Wir schneiden hier nichts aus dem Sozialversicherungssystem heraus, weil die meisten dieser Menschen, die jetzt von dem Versorgungswerk Gebrauch machen können, ohnehin nicht darin wären. Das hat mit grundsätzlichen Überlegungen schon bei dem Versorgungswerk der Anwälte angefangen. Ich will das nicht wiederholen.

Im Dezember lag bereits die Vorlage vor. Unsere bayerischen Freunde waren leider nicht so weit. Deshalb ist es die erste Tat, Herr Minister Rhiel, die Sie jetzt als Wirtschaftsminister zu tun hatten – auch von mir alles Gute für Ihre Amtsführung –, den Entwurf einzubringen. Wir sollten nicht mehr lange herumreden, wir sollten und werden das Gesetz verabschieden und damit den hessischen Ingenieuren einen Wunsch erfüllen.

Mir tut allerdings Leid, dass derjenige, der das bei der Ingenieurkammer persönlich in hohem Maße vorangetrieben und auch innerhalb der Kammer umgesetzt hat, das jetzt nicht mehr als Präsident erlebt, weil er aus anderen Gründen, die als innerkammerliche Angelegenheiten hier nicht zu kommentieren sind, dieses Amt nicht mehr wahrnimmt. Ich weiß aus vielen Gesprächen, wie engagiert Herr Riehl diese Aufgabe und speziell dieses Anliegen wahrgenommen hat. – Ich sehe alle Kollegen nicken, die damals auch Gespräche geführt haben.Aber so ist es nun einmal, nicht nur in der Politik, auch in Berufsständen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Der Gesetzentwurf ist in erster Lesung eingebracht. Es ist Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr vorgeschlagen. – Dem wird nicht widersprochen, dann ist das so geschehen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 5:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Gemeindewirtschaftsrechts und anderer Rechtsvorschriften – Drucks. 16/60 –

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende Herr Hahn.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ganz bewusst bringt die FDP-Fraktion als ersten Gesetzentwurf in der 16. Legislaturperiode einen Gesetzentwurf ein, in dem es um das Motto „Weniger Staat, mehr freie Entfaltung für die Bürger in unserem Lande“ geht. Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir erreichen, dass die privatwirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen

eingeschränkt wird, dass Mittelstand, Handwerk und Dienstleister vor Ort mehr Möglichkeiten haben, Aufgaben zu übernehmen, und nicht in Konkurrenz zu den Kommunen stehen müssen. Es ist ein Schritt, den die Handwerkskammern und die Industrie- und Handelskammern in unserem Land schon seit vielen Jahren von uns gefordert haben.

Wir haben in der letzten Legislaturperiode mit unserem damaligen Koalitionspartner, der Union, hierüber diskutiert. Der hessische Innenminister hat eine Anhörung zwischen den Kammern und den Kommunalen Spitzenverbänden durchgeführt – leider, wie zu erwarten, ohne Erfolg, sodass wir zu Beginn dieser Legislaturperiode meinen, dass eine Änderung des § 121 HGO vorgenommen werden soll.

Wir möchten nach dem Vorbild anderer Bundesländer und insbesondere unseres benachbarten Bundeslandes Rheinland-Pfalz – wir erfinden hier das Rad nicht neu – einige Änderungen vornehmen, die letztlich das Ziel haben, dass die Kommunen sich nur noch dann wirtschaftlich betätigen können und dürfen, wenn sie tatsächlich die Aufgabe besser und kostengünstiger als die Privaten durchführen können und dies auch in einem Gutachten nachweisen.

Es ist ein Vorschlag des Rechnungshofs gewesen, dass die kommunalen Beteiligungsgesellschaften nicht nur von den kommunalen Rechnungsprüfungsämtern überprüft werden können, sondern dass dies im Rahmen der überörtlichen Rechnungsprüfung auch dem Hessischen Rechnungshof vorgelegt werden kann. Dies ist ein Teil unseres Gesetzentwurfs. Wir möchten mit dem Prüfungsrecht bei den kommunalen Beteiligungsgesellschaften mehr Transparenz erreichen.Viele von uns sind auch als Kommunalpolitiker in den Kreistagen und Gemeindeversammlungen tätig und können es meist nicht ganz überblicken,weil das ein Herrschaftswissen der Verwaltung ist. Da gibt es die Befürchtung, dass es Quersubventionierungen hin zu den kommunalen Unternehmungen gibt,damit sie scheinbar eine günstigere Leistung abgeben. Hier wollen wir ein Prüfungsrecht für den Hessischen Rechnungshof im Rahmen der von uns allen vor einiger Zeit wieder im Jahresbericht gefeierten überörtlichen Rechnungsprüfung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dieser Änderung des § 121 der Hessischen Gemeindeordnung wollen wir zum Zweiten erreichen, dass die Kommunen verpflichtet sind, einen jährlichen Bericht vorzulegen. Es gibt eine Reihe von Kommunen, die das bereits freiwillig tun. Ich darf an dieser Stelle den Wetteraukreis anführen. Allein durch das Zusammenstellen der Beteiligungen mit den notwendigen Daten kann man erkennen:Die eine Tätigkeit ist sicherlich sinnvoll allein vom Wetteraukreis durchzuführen; dort gibt es aber eine Reihe von Tätigkeiten, die Konkurrenz zu Privaten bieten und deshalb privatisiert werden sollten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Der dritte Punkt ist der entscheidende Punkt. Wir möchten, dass eine Übernahme neuer Aufgaben durch die Kommunen nur noch dann möglich ist, wenn diese auch tatsächlich wirtschaftlicher als die privaten Mitbewerber arbeiten. Diese Wirtschaftlichkeit wollen wir aber auch richtig nachgewiesen wissen, nicht nur mit den üblichen Vorlagen,die ein Kämmerer oder ein Dezernent auf kommunaler Ebene genauso gut fertigen kann,wie das ein Minister, ein Staatssekretär oder ein Ministerialbeamter auf Landesebene tun kann. Nein, hier soll schon von objekti

ven Dritten bewertet werden: Ist die Leistung, die die Kommune erbringen will, tatsächlich besser und günstiger? Nur dann, so jedenfalls unser Vorschlag, darf sich die Kommune auch künftig privat betätigen.

(Beifall bei der FDP)

Ich bin sehr dankbar dafür – aber das war auch nicht anders zu erwarten –, dass bereits in einer ersten Stellungnahme der Bund der Steuerzahler unsere Gesetzesinitiative begrüßt und positiv begleitet hat. In einem Punkt hat der Bund der Steuerzahler festgehalten, dass wir noch zu weich seien, dass wir eigentlich weiter gehen müssten, nämlich in der Frage:Für wen soll denn künftig dieses Gesetz gelten?

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns bisher entschieden – aber da sind wir in den Debatten im Ausschuss zu vielem, wenn auch nicht zu allem bereit –, es für künftige Aufgaben zu machen, damit wir nicht ein Durcheinander mit dem Abprüfen verschiedenster Probleme für die Vergangenheit haben, sondern nach dem Motto „Neues Spiel, neues Glück“ vorgehen können – aber das Glück dann unter den neuen Bedingungen, d. h. mehr Möglichkeiten für Mittelstand und Dienstleister vor Ort.

Auf der anderen Seite kann man natürlich, wie der Bund der Steuerzahler, die Auffassung vertreten, dass es sinnvoll ist, dass auch alle alten Beteiligungen noch einmal auf den Prüfstand sollen. Hierüber sollten wir uns in einer sicherlich durchzuführenden Anhörung im Innenausschuss des Hessischen Landtags unterhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf ist ein weiterer Schritt der Entstaatlichung, der Privatisierung in unserem Land. Wir haben damit 1999 gemeinsam mit unserem Partner in der Koalition begonnen. Wir sind froh darüber, dass im Regierungsprogramm steht, dass nun auch die allein regierende CDU diesem Gedanken positiv gegenübersteht, sodass ich mich darauf freue, dass wir sicherlich sehr konstruktive Verhandlungen im Ausschuss führen werden.

Wir sollten mutig sein – gerade nach den Debatten,die wir in den letzten Wochen auch aus anderen Landtagen mitbekommen haben –, zwischen den Aufgaben zu trennen, die einerseits der Staat und die Kommunen und die andererseits Private zu leisten haben. Der Bund der Steuerzahler hat schon Recht: Alles das hat nicht nur etwas damit zu tun, dass wir als Liberale natürlich ganz besonders die Konkurrenz für den Mittelstand gerecht organisiert haben wollen und nicht durch Quersubvention ungerecht organisiert haben wollen; das ist der eine Punkt.

Der zweite positive Punkt ist, dass wir auch Schaden von dem Steuerzahler wegnehmen wollen. Denn vieles, was auf kommunaler Ebene passiert und was im Rahmen von Beteiligungen oder von Aufgabenübernahmen im Wettbewerb zu anderen steht, ist letztlich auf Kosten des Steuerzahlers quersubventioniert worden. Es wäre also für den Bürger billiger, wenn wir § 121 Hessische Gemeindeordnung so ändern, wie wir es vorgeschlagen haben. Ich sage hier als allerletzten Satz: Wir sind über Änderungsvorschläge, wenn sie sinnvoll sind, egal, von wem sie kommen, sehr dankbar. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe im Moment keine weiteren Wortmeldungen vorliegen.

(Günter Rudolph (SPD): Die Regierung vielleicht einmal!)

Ich gehe davon aus, Sie sind Herr Frömmrich?

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ja! – Heiterkeit und Beifall)

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das nächste Mal den gelben Zettel verwenden und Ihren Namen mitteilen. Es war schlicht die Gunst der Minute, der Sekunde, dass ich Ihren Namen rechtzeitig entdeckt habe. Sie haben das Wort zu Ihrer Jungfernrede im Hessischen Landtag.

(Zurufe: Oh!)

Herr Präsident, ich hätte mich auch zu Wort gemeldet, aber ich war davon ausgegangen, dass die größeren Fraktionen im Hause vor mir dran sind. Von daher hätte ich den gelben Zettel noch bei Ihnen abgegeben.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der FDP-Fraktion für ein Gesetz zur Änderung des Gemeindewirtschaftsrechts und anderer Vorschriften versucht drei Dinge zu regeln: erstens die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, zweitens den Zugang der überörtlichen Prüfung zu Beteiligungsgesellschaften und drittens die Vorlage von Beteiligungsberichten. Der Schwerpunkt dieses Gesetzes liegt aber eindeutig auf einer, wie ich meine, neoliberalen Regelung der wirtschaftlichen Betätigung kommunaler Unternehmen.

(Zuruf des Abg. Heinrich Heidel (FDP))