Das wiederhole ich hier so,wie ich es an anderer Stelle bereits gesagt habe. Ich sage noch einmal: Es gibt keine Vorfestlegung der Landesregierung – auch nicht meiner Person – auf die Landebahn Nordwest. Richtig ist vielmehr – dabei können wir unmittelbar an das anknüpfen,was Herr Posch gesagt hat, der damals das Verfahren gesteuert hat –, dass es eine landesplanerische Beurteilung des Regierungspräsidiums Darmstadt gibt, aus der für alle nachvollziehbar die Gründe zu erkennen sind, warum die Variante Nordwest als mit den Erfordernissen der Raumplanung vorrangig vereinbar erklärt worden ist.
Ich darf die wichtigsten Entwicklungsstufen noch einmal in Erinnerung rufen, denn wir müssen wissen und uns immer vergegenwärtigen, vor welchem Hintergrund wir die jeweils tagesbezogenen Entscheidungen zu treffen haben und die diesbezüglichen Debatten führen. Das Mediationsverfahren in den Jahren 1998 bis 2000 hat folgende Ergebnisse gebracht: die Optimierung des vorhandenen Systems, das Nachtflugverbot, den Anti-Lärm-Pakt, das Regionale Dialogforum und die Kapazitätserweiterung durch einen Ausbau des Flughafens.
Von Oktober 2001 bis Juni 2002 wurde das eben angesprochene Raumordnungsverfahren für den Ausbau des Flughafens durchgeführt. In diesem Raumordnungsverfahren wurde unter dem Gesichtspunkt der Überörtlichkeit geprüft – das hat Herr Posch eben noch einmal bestätigt –,ob die geplante Erweiterung des Flughafens mit den Erfordernissen der Raumordnung in Einklang steht bzw. unter welchen Voraussetzungen sie mit diesen in Einklang gebracht werden kann. Daran wird deutlich, dass es sich hier um einen dynamischen Prozess handelt.
Bei diesem Verfahren wurde diejenige Variante ermittelt, die die geringsten Beeinträchtigungen des Raumes verursacht und mit den geringsten Eingriffen in die Umwelt verbunden ist. Das Raumordnungsverfahren endete mit der landesplanerischen Beurteilung des RP Darmstadt vom 10. Juni 2002.
Das Ergebnis der landesplanerischen Beurteilung lautet, dass die Vereinbarkeit der Varianten Nordwest und Nordost mit den Erfordernissen der Raumordnung hergestellt werden kann. Ein Vergleich beider Varianten ergab einen Vorrang für die Variante Nordwest.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sicherheitssituation im Bereich der Variante Nordwest konnte im Rahmen des Raumordnungsverfahrens jedoch noch nicht abschließend geprüft werden. Daher enthielt die landesplanerische Beurteilung folgende Maßgabe:
Die Auswirkungen des Vorhabens auf die Sicherheit der westlich der geplanten Landebahn gelegenen Anlagen der Firmen Ticona und Infraserv Hoechst sind näher zu untersuchen.
Sie müssen einmal zuhören, weil Sie sich sonst immer nur Teile herausgreifen, diese verabsolutieren und dann zu Unwahrheiten kommen.
Mit den nun vorgelegten Gutachten sind wir dieser Maßgabe nachgekommen. Noch einmal: Sicherheitsfragen werden bei dieser Thematik vor allen anderen Fragen behandelt und bewertet. Die Sicherheitssituation zwischen der geplanten Landebahn Nordwest und dem Betriebsgelände der Firma Ticona und dem Betriebsgelände von Infraserv ist umfassend untersucht und dargestellt worden.
Zu diesen vorgelegten vier Gutachten möchte ich abschließend klarstellen, dass es sich entgegen vieler Meldungen nicht um Gutachten und Obergutachten handelt, sondern um zwei Gutachten mit je einem qualitätssichernden Zusatzgutachten.
Die Gutachten beziehen sich zum einen auf die Hindernisfreiheit – hierzu das Gutachten von Prof. Schänzer und das Gutachten des Ingenieurbüros Mellmann – und zum anderen auf das Sicherheitsrisiko. Gerade die zuletzt genannte Thematik und die sich darauf beziehenden Gutachten stehen im Mittelpunkt der Diskussion.
Die Fragestellung zum Sicherheitsrisiko betrifft die flugbetrieblichen Auswirkungen eines Flughafenausbaus auf die Sicherheit von Betriebsanlagen der eben genannten Firmen. Dazu haben sowohl der RWTÜV aus Essen als auch der TÜV Pfalz eingehend Stellung genommen. Wir haben den TÜV Pfalz außerdem beauftragt, zu überprüfen, welche Methoden geeignet sind, um die Sicherheitsrisiken zu ermitteln.
Ich habe von Anfang an zugesagt, dass diese neutralen Gutachten veröffentlicht werden. Zudem haben wir die Gutachter in den Ausschuss gebeten, um für Fragen zur Verfügung zu stehen. Beides ist geschehen. Das ist ein Beleg für die Offenheit in diesem Verfahren.
Wer an dieser Sitzung teilgenommen hat – das sind nicht alle,die sich hier heute geäußert haben –,kann bestätigen, dass die Gutachter trotz der teilweise sehr komplexen Materie alle Fragen schlüssig und kompetent beantwortet haben.
Insbesondere das zunächst vom RWTÜV Essen kritisch gesehene Risiko eines Flugzeugabsturzes ist von diesem Gutachter selbst aufgrund neuer Erkenntnisse deutlich revidiert worden. Herr Kaufmann, ich erinnere mich noch sehr deutlich an Ihr konsterniertes Gesicht in dieser Phase. Sie waren zum ersten Mal sprachlos.
Sie waren sprachlos, weil sich Ihr Kronzeuge, der RWTÜV aus Essen, den Sie bisher immer angeführt haben, der Bewertung des TÜV Pfalz genähert hat und Ihre Argumentation davonschwamm.
Ich habe an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen, dass es in der Bundesrepublik Deutschland für Risikoanalysen kein von staatlichen Stellen autorisiertes oder zumindest geprüftes Verfahren gibt. Wir sind also auf den Sachverstand von Gutachtern angewiesen, um im Einzelfall zu einer möglichst konkreten Aussage über die Wahrscheinlichkeit des „Eintritts eines Ereignisses“, wie es in der Fachsprache heißt, zu kommen.
Da es für diese Risikoanalyse kein normiertes Verfahren gibt, sind Abweichungen in den Ergebnissen einzelner Gutachter selbstverständlich nicht auszuschließen. Wir vom Ministerium haben nunmehr eine konkrete Risikobewertung der Situation am Frankfurter Flughafen vorgenommen und können nach Erörterung des Ergebnisses im Ausschuss festhalten, dass es hier durchaus eine weitgehende Übereinstimmung in den gutachterlichen Aussagen gibt.
Ich habe in meinen öffentlichen Erklärungen zum Ausdruck gebracht, dass ich diese Einschätzung des Sicherheitsrisikos, die in den Gutachten zutage tritt, nach einer ersten Prüfung der mir vorgelegten Gutachten durchaus nachvollziehen kann. Ich habe aber auch deutlich gemacht, dass dies noch nicht der Zeitpunkt für eine abschließende Bewertung der Gutachten ist.Letztlich ist das eine Aufgabe der Hessischen Landesregierung bei der Beschlussfassung über den Entwurf des zu ändernden Landesentwicklungsplans. Somit wird in einem gesetzlich genau geregelten Verfahren – das ist wichtig zu betonen – noch einmal Gelegenheit bestehen, alle kritischen Fragen erneut detailliert zu prüfen und zu gewichten.
In diesem Zusammenhang will ich auch darauf hinweisen, dass der TÜV Pfalz in der Sitzung des Ausschusses – Sie waren zugegen – auf Nachfrage erläutert hat, dass eine weitere Verbesserung der Sicherheitssituation im Landeanflug durch reine Präzisionsanflüge in die Berechnungen zur Ermittlung des Risikos eines Flugzeugabsturzes noch nicht eingeflossen ist. Mit anderen Worten: Die Empfehlung, die Prof. Schänzer gegeben hat, nämlich eine Beschränkung der Landebahn Nordwest auf Präzisionsanflugverfahren, kann zu einer weiteren Verbesserung der Risikosituation beitragen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kaufmann, niemand wird in Abrede stellen können, dass ein Ausbau des historisch gewachsenen Flughafens in dieser Lage, umgeben von besiedelten Gebieten, in denen Menschen wohnen,arbeiten und Erholung suchen,mit Problemen für diese Umgebung verbunden wäre. Unsere Aufgabe ist es jedoch, darüber zu befinden und durch Experten untersuchen zu lassen, inwieweit sich die Risikositua
tion und die Belastung für die Umgebung bei der geplanten Erweiterung des Flughafens verändern und welche Auswirkungen dies letztlich auf die Entscheidung hat.
Diese Aufgabenstellung – das wissen Sie alle – kann nur im Rahmen einer sehr gründlichen Güterabwägung vorgenommen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist unzutreffend, auch wenn es wiederholt behauptet wird, dass das Regierungspräsidium in Darmstadt seinerzeit bei der Abwägung für die landesplanerische Beurteilung verkannt hätte, dass die unmittelbare Nähe der Firma Ticona ein Hindernis darstellen könnte. Selbstverständlich wurde dies erkannt. Deshalb haben wir auch diese Gutachten, diese Untersuchungen, von denen wir heute hier sprechen, überhaupt erst in Auftrag gegeben – und zwar bevor überhaupt eine abschließende Abwägungsentscheidung hierzu aufs Papier gebracht wurde.
Wir prüfen jetzt die konkrete Sicherheitssituation auf der Grundlage der uns nunmehr umfassend vorliegenden Informationen und haben dies abzuwägen mit den Argumenten, die nach wie vor für oder gegen die Realisierung der Nordwest-Landebahn sprechen.
Ich habe auch mehrfach erklärt, wir werden in den nächsten Wochen die gutachterlichen Ergebnisse genauestens analysieren und bewerten.Wir werden die Feststellungen, die dort getroffen wurden, abzuwägen haben mit den Belangen und Gesichtspunkten, die nach wie vor für die Landebahn Nordwest sprechen.Wir werden die Empfehlung der Störfallkommission, deren Ad-hoc-Ausschuss morgen tagt und die insgesamt Mitte Februar zusammenkommen wird, ebenfalls abwarten und in unsere weiteren Entscheidungen einbeziehen. Nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass wir einen verantwortbaren Weg finden können, der bei den Fragen der Anlagensicherheit und der Flugsicherheit keinerlei Abschlag – oder Rabatt – zulassen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,lassen Sie mich ergänzend noch einige Anmerkungen zum Dringlichen Antrag der FDP-Fraktion machen und zu dem, was mein Vorgänger Posch eben hier gesagt hat.
Sie von der FDP-Fraktion fordern die Landesregierung auf, den Flughafenausbau auf der Basis des Mediationsergebnisses voranzutreiben. Das tun wir. Sie fordern uns weiterhin auf, im Verfahren Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten und das Änderungsverfahren zum Landesentwicklungsplan sowie das Planfeststellungsverfahren zügig durchzuführen. Genau das – das will ich hier noch einmal unterstreichen – ist die erklärte Absicht der Landesregierung.
Wie Sie an der Debatte um die Gutachten über die Sicherheit von Störfallanlagen sehen können, habe ich mit dem Anspruch der Transparenz Ernst gemacht.Jeder Bürger kann im Internet nachlesen, was diese Gutachten beinhalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was nun Ihre Aufforderung an mich angeht, keine so genannten Vorabfestlegungen zu Einzelaspekten zu treffen, kann ich mich nur wiederholen.
Erstens. Die Frage, ob und wie der Flughafen ausgebaut werden kann, wird abschließend alleine in dem luftverkehrsrechtlichen Verfahren, insbesondere in der Planfeststellung, entschieden. Herr Posch, damit stütze ich mich in meinem Vorgehen – genau wie Sie das getan haben – auf die Experten im Hause des Wirtschaftsministeriums, und
damit befinde ich mich in voller Kontinuität. Das wird auch daran ablesbar, wenn man meine Aussagen – Herr Denzin – genau wiedergibt.
Denn Sie haben am 13. Juni 2002 hier erklärt, dass nach der raumordnerischen Abwägung im Raumordnungsverfahren – jetzt zitiere ich – nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der Variante Nordwest der Vorzug zu geben sei.
Sie führten weiter aus, dass Sie – vorbehaltlich vertiefender Prüfung – davon ausgehen, so wörtlich, dass das Nebeneinander von Flughafenerweiterung und chemischer Industrie möglich ist. Das ist Ihre Erklärung von damals.
Herr Staatsminister, ein freundschaftlicher Hinweis: Die zwischen den Fraktionen vereinbarte Redezeit ist abgelaufen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,nicht mehr und nichts anderes habe ich in der Öffentlichkeit gesagt. Ich möchte das noch einmal zitieren, weil heute von allen Debattenrednern wichtige Teile meiner Erklärung unterschlagen worden sind und sie sich nur auf einen Einzelaspekt bezogen haben. Ich habe erklärt: Nach einer ersten Analyse der vier Gutachten – diese Analyse basiert auch auf den Meinungen meiner Experten in meinem Ministerium – komme ich zu der folgenden Einschätzung: Mehrere Wissenschaftlerteams haben Wege aufgezeigt, wie durch bauliche Veränderungen im Unternehmen Ticona die Vereinbarkeit zwischen der neuen Landebahn Nordwest und dem Unternehmen Ticona gewährleistet ist. – Das ist die vollständige Aussage: wie man durch bauliche Veränderungen dies gewährleisten kann.
Ich habe weiter ausgeführt: Die Methodenuntersuchung des TÜV Pfalz aus Kaiserslautern zeigt, dass das rechnerische Sicherheitsrisiko bei maximal einem Ereignis in 10.000 Jahren liegt. Ein solcher Wert schien mir nicht unvertretbar, sondern verantwortbar zu sein.