Protocol of the Session on January 28, 2004

Es ist – dies musste wiederholt schon an dieser Stelle festgestellt werden – nicht ohne Reiz, festzustellen, dass gerade die Partei, die in ihrer Regierungsverantwortung einen beispiellosen Kahlschlag in der hessischen Wissenschaftsförderung verursacht hat, sich jetzt als Speerspitze einer zukunftsgerichteten Entwicklung unseres Hochschul- und Wissenschaftssystems geriert.Um einfach noch einmal die Zahlen in Erinnerung zu rufen: Der Tiefpunkt, den wir hatten, war 1997. Herr Siebel, damals war der Anteil am Gesamthaushalt 7,05 %, gerade einmal 970 Millionen c – ich habe es gleich umgerechnet.Im Jahre 2004 liegen wir bei 7,51 % am Gesamthaushalt, so viel hatten wir insgesamt noch nie in Hessen. Das muss man auch immer relativ sehen.

(Beifall bei der CDU)

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir es heute noch mit den Erblasten – oder man kann es vielleicht besser formulieren: mit den Erbschulden – vieler Jahre vertaner rot-grüner Wissenschaftspolitik zu tun haben.

(Beifall bei der CDU)

Nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass diese Landesregierung, wie auch die CDU/FDP-geführte Vorgängerregierung, eine finanzielle Gesundung durchgeführt hat. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass seit 1999 – da muss ich das Haushaltsjahr 2004 mit einschließen – den Hochschulen insgesamt über eine halbe Milliarde Euro zusätzlich zugeführt worden ist. Damit Sie das wieder in einen Zusammenhang mit Frau Bulmahn bekommen: Wenn ich Frau Bulmahn als Währungseinheit setzen würde, dann entspricht diese halbe Milliarde Euro zwei Bulmahn.

Nehmen Sie auch endlich zur Kenntnis, dass der jetzt geforderte Solidarbeitrag des hessischen Hochschulwesens gerade einmal – – Frau Beer, ich war mit Ihrer Rede in vielen Punkten einverstanden, aber als Sie sagten: 100 Millionen c, habe ich wirklich gegrübelt, wo die herkommen.

(Nicola Beer (FDP): Ich habe es Ihnen schon einmal vorgerechnet! Ich mache es gerne noch einmal!)

Es sind in absoluten Zahlen gerade einmal 6,8 Millionen c, die wir in diesem Jahr weniger haben als im letzten Jahr. Wenn Sie sagen, Sie hätten sich da verrechnet, ist es zugestanden.

(Nicola Beer (FDP): Sie wollen es nicht verstehen!)

Wenn Sie die absoluten Zahlen nehmen, dann werden Sie es sehen. – Das ist der Solidarbeitrag, den wir im Rahmen des „Programms sichere Zukunft“ erbringen konnten und erbringen wollten.Am Gesamthaushalt sehen Sie, wo wir stehen.

Meine Damen und Herren von der SPD, ich weiß, dass Sie nicht bereit sind, dies zu akzeptieren. In diese Selbstnegierung passt es dann auch,dass ausgerechnet die SPD die Landesregierung auffordern will, noch in diesem Jahr mit der Neuverhandlung des Hochschulpaktes zu beginnen.

(Michael Siebel (SPD): Gute Forderung!)

Bekanntlich hat die SPD-Fraktion den Hochschulpakt, dessen Einhaltung Sie nun vehement fordern, abgelehnt.

(Michael Siebel (SPD): Weil Sie ihn einseitig gekündigt haben!)

Nein,Sie haben ihn damals abgelehnt.Ich habe ihn nicht einseitig gekündigt. – Ich finde es prima, wie Frau Sorge

mein Vokabular von der Feinjustierung aufgenommen hat. Frau Sorge, das ist der richtige Begriff.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie sollten die Satire verstehen!)

Als Frau Wagner den Hochschulpakt damals dankenswerterweise umgesetzt hat, haben Sie von der SPD-Fraktion nicht zugestimmt.Das sollte man für die Zuhörer einfach festhalten.

(Nicola Beer (FDP):Wo er Recht hat, hat er Recht! Er hat nicht oft Recht, aber manchmal!)

Der Hochschulpakt hat eine Laufzeit bis einschließlich 2005.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kahl?

Im Moment nicht. – Der im Rahmen des „Programms sichere Zukunft“ notwendige Sanierungsbeitrag der hessischen Hochschulen ist schmerzlich, das gebe ich zu. Weil aber aus unserer Sicht auch der Aufwärtstrend nur vorübergehend unterbrochen wurde,glaube ich letztendlich, dass es unter den gegenwärtigen finanzpolitischen Rahmenbedingungen machbar war. Sie sehen es an der Bestätigung der Präsidenten, dass es so akzeptiert worden ist.

(Nicola Beer (FDP): Ha, ha, ha! Da müssen Sie den Gießener züchtigen gehen!)

Das sind Rahmenbedingungen, für die jene SPD als Mehrheitsfraktion im Berliner Regierungsbündnis eine bescheidene Verantwortung trägt. Jene SPD, die jetzt mit den Weimarer Leitlinien weniger eine Innovationsoffensive als eine Ablenkungs- oder PR-Offensive betreibt, um ihr eklatantes Versagen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu vernebeln.

Die Landesregierung strebt einen neuen Hochschulpakt an. Damit Ihre Frage beantwortet wird: Sie ist bereits in den Vorbereitungen und wird ihn im Jahr 2005 so rechtzeitig abschließen, dass sich die hessischen Hochschulen auf die vereinbarten Ziele und Maßnahmen, die gesetzten Rahmenbedingungen und vor allem die finanziellen Rahmenbedingungen auch tatsächlich einstellen können. Gegenstand des neuen Hochschulpakts wird auch eine neue Vereinbarung, das im Haushaltsjahr 2006 zugrunde zu legende Budgetierungssystem, sein.

Herr Minister, ich probiere es noch einmal.

Nein, keine Zwischenfragen. – Frau Beer, ich bitte um Verständnis. Sie hatten gesagt, für Sie sei auch gerade die finanzielle Grundlage wichtig. Sie wollten, dass darauf aufgebaut wird. Wenn die wirtschaftliche Lage so ist, wie sie ist, dann werden wir sicherlich unser Möglichstes tun. Aber darum geht es ja gar nicht. Es geht nicht alleine darum, dass wir als Landesregierung nur immer – auf gut Deutsch – die Kohle zur Verfügung stellen.Es geht gerade darum, die Initiative zu starten, dass der Wettbewerb zwi

schen den Hochschulen entsteht. Es gehört zu dem Pakt dazu, dass darüber Vereinbarungen getroffen werden.

(Nicola Beer (FDP): Dazu habe ich genug gesagt!)

Der Begriff „ehrliche Preise“, den die SPD in ihrem Antrag verwendet, ist hinreichend unscharf. Ich will deutlich machen, dass wir am Leistungsbezug der Budgetierung und seinem wettbewerblichen Charakter festhalten. Wir müssen daraus Konsequenzen ziehen, dass angesichts wachsender Studierendenzahlen nicht entsprechend vermehrbare Budgetmittel zur Verfügung stehen. Es muss ein entsprechender Weg gefunden werden, auf dem es unseren Hochschulen gelingt, hohe Qualitätsstandards in Lehre und Forschung zu wahren und zugleich mit den Mitteln effizienter umzugehen.

In diesem Zusammenhang wird der Hochschulpakt auch Ziele und Maßnahmen einer umfassenden Struktur- und Entwicklungsplanung vorsehen. Der Antrag der SPD zur Frage eines neuen Hochschulpakts ist insofern überflüssig und in seinen konkreten Aussagen aus meiner Sicht unzureichend und unpräzise.

Zum Wissenschaftstransfer einige Worte: Wir haben bereits in der letzten Legislaturperiode – das habe ich dankenswerterweise von meiner Vorgängerin übernommen – damit begonnen, die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen zu verbessern.Hochschulen und Wirtschaftsorganisationen arbeiten gemeinsam mit dem Land im Technologietransfernetzwerk zusammen. Seit Ende letzten Jahres liegt ein von der Partnerversammlung dieses Netzwerks verabschiedeter Evaluationsberichts vor. Ich weiß nicht,ob Sie ihn kennen,es liegen bereits Ergebnisse einer Unternehmensbefragung zum Bekanntheitsgrad und zur Kundenzufriedenheit vor. Bereits zwei Jahre nach Konstituierung des TTN sind in Hessen sehr gute Ergebnisse erbracht worden.

Trotz dieses positiven Befunds wollen die Partner Anstrengungen unternehmen, um den gemeinsamen Zielsetzungen noch besser zu entsprechen. Ich stimme Ihnen da vollkommen zu, es gibt noch eine ganze Menge zu tun zwischen den Universitäten und den Unternehmen, die am Ende tatsächlich das Geld verdienen wollen, das Ganze zu verkürzen.

Meine Damen und Herren von der SPD, auch Ihre Sorge um die Umsetzung unseres Regierungsprogramms ist absolut unbegründet. Das Gesetz zur Fortentwicklung der Autonomie der Technischen Universität Darmstadt hat die Ressortabstimmung durchlaufen – Sie sprachen von irgendeinem Bermudadreieck, das ich nicht kenne; das ordne ich geographisch immer woanders ein – und wird jetzt nach einigen Ergänzungen fertig gestellt und nach der Verabschiedung im Kabinett dem Landtag zugeleitet.

Sie sind herzlich eingeladen, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, der die Übertragung der Zuständigkeiten meines Hauses insbesondere in Personal- und Bauangelegenheiten auf die Hochschule aufnimmt.

Meine Damen und Herren von der Opposition, dann werden wir sehen, ob Sie tatsächlich mehr Autonomie wollen und durch Wettbewerb zu Spitzenleistungen gelangen möchten oder ob das am Ende alles nur Lippenbekenntnisse sind.

Punkt 4 des Antrags der SPD-Fraktion ist mit seiner Disparität und Unklarheit in der Formulierung ein Beleg dafür, dass sich die Kolleginnen und Kollegen wirklich nicht auf dem aktuellen Stand der wissenschaftspolitischen Dis

kussion befinden. Ohne auf weitere Einzelheiten des SPD-Antrags einzugehen, will ich Folgendes festhalten.

Erstens. Die Novelle zum Hessischen Hochschulgesetz, die in diesem Jahr in den Landtag eingebracht wird, sieht als Leitbild für die Ausbildung an den hessischen Hochschulen ein System gestufter Studiengänge mit Bachelorund Master-Abschlüssen vor. Es wird begründete Ausnahmen davon geben müssen; das wissen Sie. Es gibt eine staatliche Rahmengesetzgebung. Aber die überwiegende Mehrheit der Studiengänge soll nach unseren Vorstellungen bis spätestens 2010 auf ein gestuftes System umgestellt werden.

Im Übrigen – das lässt sich einfach an den Zahlen feststellen – hat Hessen hier eine Vorreiterrolle. Unser Anteil an den Akkreditierungen liegt bereits bei 22,58 %. Bei den absoluten Zahlen liegen wir an der Spitze: Von den insgesamt 403 Akkreditierungen entfallen 91 auf Hessen.

Zweitens. Wie bereits dargelegt, gehört es zur zentralen Zielsetzung der hessischen Wissenschaftspolitik, durch Schwerpunktbildung und Konzentration von Mitteln Zentren der Exzellenz zu schaffen und die Spitzenforschung zu fördern. Trotz eingestandenermaßen schmerzhafter Einschnitte im Jahr 2004 aufgrund des notwendigen Sanierungsbeitrags verfügen die hessischen Hochschulen über die erforderlichen Mittel und Möglichkeiten, Zentren der Exzellenz zu bilden.

Ich will hier nicht die zahlreichen Initiativen gerade der letzten Jahre erwähnen. Sie werden in Hessen keine Universität finden, an der nicht intensiv an dieser Schwerpunktbildung gearbeitet wird, und das mit bereits vorzeigbaren Erfolgen. Fahren Sie herum, und sprechen Sie mit den Präsidenten.

Wir haben gestern in der Diskussion festgestellt – es ist wirklich eine disparate Diskussion, die da aus Berlin kommt –, dass wir fünf Spitzenuniversitäten haben. Wir brauchen keine Frau Bulmahn, die uns das noch einmal bestätigt. Durch unser System der leistungsbezogenen Budgetierung und die durch den Hochschulpakt abgesicherten Innovationsmittel unterstützen wir die Politik der Universitäten, die in der Profilierung und in der Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit besteht. Alle hessischen Hochschulen haben sich bereit erklärt, den Bolognaprozess – so wird das genannt – der Einführung eines gestuften Studiengangsystems voranzutreiben.

Es wird vermutlich ewig ein Geheimnis der Fraktion der SPD bleiben, inwieweit eine quantitative und qualitative Ausstattung der Akkreditierung durch den Bund erforderlich oder auch nur hilfreich wäre. Ich habe Ihnen genau zugehört.Trotzdem habe ich es nicht verstanden.

Das Akkreditierungssystem ist etabliert und funktioniert. Es bedarf keiner Begleitung durch den ohnehin nicht zuständigen Bund. Das Wissenschaftsministerium steht in einem ständigen Dialog mit den Hochschulen, um gemeinsam mit ihnen gute Lösungen für die zum Teil komplexen Probleme bei der Umstellung der Studiengänge auf ein gestuftes System und damit einhergehend auf eine konsequente Modularisierung zu finden.Auch für die bei der Einführung von Credit Points auftauchenden Probleme müssen gute Lösungen gefunden werden.

Der Antrag der SPD enthält sowohl in seiner Begründung als auch in einzelnen Aussagen und Forderungen derart viele Widersprüche und Ungereimtheiten, dass die Landesregierung den Landtag nur bitten kann,diesem Antrag nicht zuzustimmen.

Was zu den anstehenden Problemen bei der innovativen Weiterentwicklung des hessischen Hochschul- und Wissenschaftssystems wirklich zu sagen ist, enthält vielmehr der Entschließungsantrag der CDU-Fraktion betreffend Eliteförderung im Hochschulbereich. Mit diesem Antrag wird sachgerecht und zukunftsweisend auf die in vieler Hinsicht verschwommenen und unpräzisen Weimarer Leitlinien der SPD reagiert. Meines Erachtens lichtet er auch ein bisschen den ideologischen Nebel.

Es ist nicht zu übersehen, dass es die primäre Absicht dieses in der öffentlichen Diskussion auch als eine Ansammlung von Gemeinplätzen verstandenen Papiers der SPD ist, die Identitätskrise der deutschen Sozialdemokratie in der Frage der sozialen Gerechtigkeit zu überwinden und mit dem Begriff der „Bildungsgerechtigkeit“ einen neuen Inhalt zu suchen. Letzteres ist auch nicht gänzlich falsch; denn sicherlich sind Bildungschancen gleichzeitig Lebenschancen, und Lebenschancen sind mit Bildungschancen eng verbunden. Die Emphase aber, mit der die Weimarer Leitlinien dies als zentrale neue Botschaft verkünden, verkennt, dass in den Ländern, ohne Zweifel gefördert durch die PISA-Studie, schon längst ein intensiver Diskussionsprozess begonnen hat.

Die viel gescholtene Kultusministerkonferenz hat gerade unter der Präsidentschaft von Kultusministerin Wolff vielfältige Initiativen entwickelt, die die SPD in ihren Leitlinien – allerdings bedauerlicherweise ohne Quellenangaben – mehr oder weniger direkt zitiert.

Die größte öffentliche Aufmerksamkeit haben die Leitlinien durch die Auseinandersetzung mit dem Begriff „Elite“ gefunden, und zwar nicht, weil dies ein neuer Begriff in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik wäre, sondern weil bisher kaum einer auf die Idee gekommen ist, die bildungs- und wissenschaftspolitischen Vorstellungen der SPD zentral mit dem Ziel einer Elitebildung zu verbinden.

Herr Minister, ein freundlicher Hinweis: Die zwischen den Fraktionen vereinbarte Redezeit ist jetzt abgelaufen.