Zweitens zum Ergebnis: verfassungswidriger Haushalt, Überschreitung der Verfassungsgrenze, was die Verschuldung angeht. – Wenn wir jetzt sagen: „Stellen Sie die Beschlussfassung über diesen Haushalt bis mindestens zur Januar-Sitzung zurück, und überprüfen Sie ihn anhand aller Vorschläge,die die Oppositionsfraktionen gemacht haben“, dann mag es sein,
dass wir im Ergebnis nicht zu den 255,5 Millionen c kommen.Meine sehr verehrten Damen und Herren,es ist aber ein Unterschied, ob ich die Verfassungsgrenze um 255 Millionen c überschreite, oder ob ich sie beispielsweise „nur“ um 100 Millionen c überschreite.
Eines allerdings muss feststehen: Die Verfassung ist ein sehr hoher Wert, und die Verfassungsgrenze ist nichts, worüber man einfach hinweghudeln kann.
(Beifall bei der SPD,bei Abgeordneten des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Denzin (FDP))
Daher ist es notwendig, dass Sie sich noch einmal an allen Stellen Gedanken machen, wie wir die Verfassungsgrenze zumindest besser einhalten können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man sich die Gesamtvorstellung der „Operation sichere Zukunft“ anschaut: Wir hatten schon am Anfang nicht den Eindruck, dass das ein weltbewegendes Kürzungsprogramm wird und damit der Landeshaushalt Hessens strukturell für alle Zeit verbessert wird. Es gab von der Opposition schon am Anfang gewisse Bedenken dahin gehend, dass das eigentliche Ziel der „Operation sichere Zukunft“,was die Haushaltstechnik angeht,gerade einmal das Einhalten der Verfassungsgrenze bei der Verschuldung bedeutet, und dass das ein relativ kleines Ziel ist. Das muss man aus Redlichkeitsgründen dazu sagen.
Sie, Herr Ministerpräsident, haben von Anfang an gesagt: „Ja, wir können die Verfassungsgrenze mit diesem Pro
gramm einhalten, aber nur, wenn die Steuerreform nicht vorgezogen wird. Wenn die Steuerreform vorgezogen wird, haben wir weitere 440 Millionen c an Ausgaben. Dann wird das nicht funktionieren.“ Deshalb auch die Formulierung: „Wir werden einem Vorziehen der Steuerreform nur zustimmen, wenn auf das Land Hessen keine weiteren Belastungen zukommen.“ Jetzt stelle ich fest: Das Land Hessen hat dem Vorziehen der Steuerreform zugestimmt. – Jetzt stellt sich die Frage: Sind auf das Land Hessen weitere Belastungen zugekommen?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, durch den Gesamtkompromiss sind keine weiteren Belastungen auf das Land zugekommen. Durch den Gesamtkompromiss hat das Land Hessen im Saldo sogar einen Gewinn gemacht. Ich will Ihnen das erklären. Nach den Zahlen des Finanzministeriums kostet dieser Kompromiss das Land Hessen 521 Millionen c.
Das sind die Zahlen des Finanzministeriums, die uns der Finanzminister zur Verfügung gestellt hat.Tatsächlich hat das Land Hessen eine Entlastung in Höhe von 642 Millionen c. Das wird daran deutlich, dass der Anteil der Verschuldung, der jetzt über die Verfassungsgrenze hinausgeht, lediglich bei 255 Millionen c liegt, denn man muss – das lösen Sie natürlich auf – die globale Mehreinnahme in Höhe von 390 Millionen c, die Sie schon vorab eingerechnet haben, abziehen.
Damit kommen wir zu dem Ergebnis, dass das Land Hessen im Gesamtsaldo des Ergebnisses des Vermittlungsausschusses zu den Gewinnern und nicht zu den Verlierern gehört. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie regen immer an,den Blick über die Landesgrenzen hinaus zu richten: Die Baden-Württemberger – besonders der Finanzminister – sagen: Kein Bundesland darf diesen Kompromiss im Vermittlungsausschuss als Vorwand nehmen, die Verfassungsgrenze zu überschreiten. – In BadenWürttemberg ist die Verfassungsgrenze eingehalten, ebenso in Bayern. In Rheinland-Pfalz war die Verfassungsgrenze vor diesem Kompromiss überschritten. Nach dem Kompromiss – weil auch die Kolleginnen und Kollegen durch den Kompromiss profitieren – können die Rheinland-Pfälzer die Verfassungsgrenze nunmehr einhalten.
Es gibt vielleicht ein paar traditionsbewusste Sozialdemokraten, die der Auffassung sind, dass das Land Hessen in der Geschichte ein Bundesland war, das wirtschaftspolitisch und haushaltspolitisch stärker war als das Land Rheinland-Pfalz. Mit dieser Landesregierung hat sich die Situation offensichtlich geändert.
Jetzt kommen wir zur Verfassungssituation selbst. Wir können es relativ schnell machen: Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Sie machen das richtig, analog des Berliner Urteils. Der Bund sagt: Bei uns ist das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört. – Sie bejahen auch für das Land Hessen die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Auch an dieser Stelle gebe ich Ihnen Recht. Sie begründen dies insbesondere mit der schlechten Lage am Arbeitsmarkt im Land Hessen.Ja,das ist richtig,wir haben im Land Hessen eine ganz
schlechte Lage am Arbeitsmarkt. Ich habe Ihnen die Zahlen hier schon öfter vorgehalten.Wir sind im Land Hessen Spitzenreiter, was das Wachstum der Arbeitslosigkeit angeht, und zwar in ganz Deutschland.
Die Grundlage der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist unbestritten. Damit ist aber noch nicht Schluss. Sie machen es auch in dem Änderungsantrag der Union richtig, zumindest was die Vorgaben angeht. Die Ausgaben über die Verfassungsgrenze hinweg müssen auch geeignet und „bestimmt“ sein zur Feststellung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.
Mittlerweile ändern Sie Ihre Argumentation. Sie sagen nämlich, weiter gehende Einsparmaßnahmen würden die Störungen in unverantwortlicher Weise verschärfen. Das war immer die Argumentation an unterschiedlichen Positionen. Alle Oppositionsfraktionen haben gesagt, dass Einsparmaßnahmen vorgenommen werden müssen. Es gibt aber Einsparungen, die das Land Hessen im Ergebnis dazu zwingen werden, mehr Geld auszugeben, und es gibt Einsparungen, die richtig sind.Wir haben Ihnen nicht vorgeworfen, dass Sie sparen, sondern dass Sie an den falschen Stellen sparen. Eine der zentralen Stellen wird nachher von uns in der Haushaltsdebatte noch einmal angeführt, nämlich der Sozialhaushalt.Wenn Kürzungen die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verschärfen, dann sind es hier die Kürzungen im Sozialhaushalt.
Deswegen müssen Sie analog zu Ihrer eigenen Argumentation diese Kürzungen zurücknehmen. Umgekehrt allerdings – das wird sehr interessant für die Abgeordneten und Kolleginnen und Kollegen der Union – müssen alle weiteren Ausgaben ebenfalls dem Prüfstand unterzogen werden. Herr Ministerpräsident, da frage ich Sie schon, wenn wir hier sehen, dass Sie Ihre persönlichen Verfügungsmittel und die Bewirtungskosten des Ministerpräsidenten und des Kabinetts im Vergleich der Jahre 2003 und 2004 um 237.000 c erhöhen,
glauben Sie denn wirklich, dass diese Erhöhung die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verschärfen würde? – Ich glaube, da geht es um ein paar Schnittchen für Gäste und nicht um das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht.
Zwei Sätze noch. – Der Zuschuss zur Rennbahn ist hier mehrfach kritisiert worden. Glauben Sie denn, dass die Rückführung dieses Zuschusses an die Rennbahn in Frankfurt in Höhe von 125.000 c die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verschärfen würde? – Meine sehr verehrten Damen und Herren, da wird vielleicht der Prosecco auf der Rennbahn ein bisschen teuerer, aber es wird doch nicht die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verschärfen.
Jetzt kommen wir noch zu einem Punkt, bei dem es wirklich um Geld geht, nämlich die Einführung von SAP. Die SPD hat die Aussetzung der Einführung von SAP um ein Jahr beantragt. Dies wird die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht verschärfen.
Es geht hier um Beraterverträge. Im Vergleich zu den Bereichen, in denen Sie einsparen – im Sozialbereich, im Bildungsbereich – ist es ein Skandal, dass Sie nun, da Sie die Verfassungsgrenze überschritten haben, diese Ausgaben nicht zurücknehmen. Es ist nach wie vor ein Skandal, dass Sie die Kürzungen an anderer Stelle trotz Ihrer nunmehr geänderten Argumentation beibehalten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihr Programm „Sichere Zukunft“ ist sozialpolitisch ein Kahlschlag für unser Land, bildungspolitisch ein Desaster, wirtschaftspolitisch eine Katastrophe und jetzt auch noch haushaltspolitisch eine Blamage.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Walter, in manchen Punkten verstehe ich den Sinn der Debatte nicht ganz.Als der Antrag kam, habe ich sehr viel Verständnis dafür besessen und nehme gleich dazu Stellung. Aber dass wir nun die Debatte dazu nutzen, die Haushaltsanträge ein weiteres Mal vorzustellen, das kann es eigentlich nicht sein.
Ich will auch darauf verzichten, Ihnen zu erläutern, welche unterschiedlichen Beschäftigungseffekte von Investitions- und Konsumausgaben bzw. deren Kürzungen ausgehen und was der Unterschied zwischen der Wirkung eines Investitionsmultiplikators und eines Konsumakzelerators ist. Das müssten Sie wissen, um entscheiden zu können, was wie wirkt. Dann würden Sie auch Sozialausgaben anders beurteilen als Investitionen. Das will ich alles einmal weglassen, weil es der Sache nicht dienlich wäre.
Ich möchte in kurzen Worten zu dem Inhalt Ihres Antrags und dem Hintergrund Stellung nehmen.Wenn ich mir den Haushaltsplanentwurf in der jetzt vorliegenden Fassung für das Jahr 2004 ansehe – sehr viel hat sich daran nicht getan –, dann muss ich leider feststellen, dass die Landesregierung Vorsorgemaßnahmen unterlassen hat.
Sie hat Kenntnisse unterdrückt, denn sie hätte wissen müssen, dass die Gemeindefinanzreform in irgendeiner Weise kommt
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD sowie des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))
und dass zumindest das, was Sie selber fordern, nämlich eine Rückführung der Gewerbesteuerumlage, schon einmal sicherheitshalber hätte eingeplant werden müssen.
Das kam wirklich nicht überraschend. Es sind Zahlen schön geschrieben worden. Die 390 Millionen c waren zu schön, die 95 Millionen c waren verkehrt, wie wir inzwischen wissen. Viele der Schätzungen, die wir jetzt vorliegen haben, sind mit einem großen Fragezeichen zu versehen. Aus all diesen Gründen lehnen wir den Haushalt 2004 ab.
Das ist nun allgemein bekannt geworden.Wir haben es im Ausschuss gesagt und werden es auch nachher noch einmal tun.Aber ist der Antrag der SPD-Fraktion wirklich in dieser Form in Ordnung? – Der Antrag ist in Ordnung, aber können wir ihm auch folgen? Ich habe große Sympathie dafür, aber gehen wir einmal durch, ob er wirklich sachgerecht ist. Die CDU-Fraktion hatte die Chance, sich für eine andere Politik zu entscheiden.